Seien wir ehrlich: Für die meisten von uns ist ein Trailbike genau das Richtige. Wir geben gerne auf unseren Hometrails Vollgas, sitzen öfter auch mal längere Zeit im Sattel, erklimmen Anstiege fast immer aus eigener Kraft und suchen maximalen Fahrspaß bergab. Für die Abenteuer des Alltags sind die Bikes in diesem Vergleich gemacht!

Bevor man sich ein neues Bike kauft, sollte man sich fragen: Wo bin ich damit die meiste Zeit unterwegs? Sitze ich wirklich jedes Wochenende in einem Shuttle oder in einer Gondel? Fahre ich wirklich ständig auf Trails, die problemlos als Rennstage bei der Enduro World Series durchgehen würden? Wenn du diese Fragen mit ja beantwortest, spar dir diesen Test. Falls du das nicht mit ja beantwortest, sind die Trailbikes in diesem Vergleich vermutlich genau das Richtige für dich!

Trailbikes haben sich zu echten Alleskönnern entwickelt. Sie sind so vielseitig, dass selbst Enduro-Profis bei der Enduro World Series immer wieder auf sie setzen. Statt übermotorisiert mit einem Endurobike durch die Gegend zu tuckern, sind Trailbikes für viele Fahrer die deutlich bessere Wahl. Sie beschleunigen willig, fahren sich agil, geben viel Feedback und sorgen so häufig für mehr Fahrspaß als schwerere, behäbigere Bikes. Dennoch sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Modellen riesig. Mit den besten kann man morgens an bei einem Marathon und nachmittags an einem Endurorennen teilnehmen.

Nackte Zahlen auf einem Stück Papier

Die Räder in diesem Vergleich könnten unterschiedlicher nicht sein. Sie fallen zwar alle in dieselbe Kategorie, unterscheiden sich aber schon auf dem Papier extrem. Vorweg daher einige spannende Vergleiche der sechs Testbikes:

Preis

Durchschnittspreis
7.924 €
Teuerstes Bike
SCOTT Genius – 9.799 €
Günstigstes Bike
NICOLAI G13 – 5.949 €

Radstand

Längster Radstand
1.296 mm – NICOLAI G13 (L)
Kürzester Radstand
1.173 mm – Trek Fuel EX (M)

Laufräder

Laufradgrößen im Test
27,5, 27.5+, 29” – 26” dagegen spielt bei Trailbikes heute keine Rolle mehr!

Gewicht

Durchschnittsgewicht
12,53 kg
Leichtestes Bike
SCOTT Genius – 11,72 kg
Schwerstes Bike
NICOLAI G13 – 14,03 kg

Reach

Längster Reach
510 mm – NICOLAI G13 (L)
Kürzester Reach
431 mm – Specialized Stumpjumper (L)

Federweg

Maximaler Federweg (v)
150 mm – Specialized Stumpjumper und SCOTT Genius
Geringster Federweg (v)
130 mm – Trek Fuel EX

Was zählt, ist das Gesamtkonzept

Statt jedoch nur nackte Zahlen zu vergleichen, ist es viel wichtiger, das Gesamtkonzept der Räder unter die Lupe zu nehmen – und genau das haben wir bei diesem Vergleichstest gemacht. Letztlich sagt die isolierte Betrachtung des Federwegs noch lange nichts über das Fahrwerk bzw. das Fahrverhalten des Bikes aus. Und auch Geometriedaten allein sprechen nicht die ganze Wahrheit, wie sich in diesem Test wieder einmal eindrucksvoll zeigte. Es folgen einige spannende Erkenntnisse unserer Testsessions.

Bike Preis Gewicht Federweg V/H Laufradgröße
Giant Trance Advanced 0 6.999 € 12,33 kg 150/140 mm 27,5″
Liteville 301 MK14 All Mountain 7.800 € 12,08 kg 140/140 mm 27,5″
Nicolai ION-G13 QLFLINE 5.949 € 14,03 kg 140/130 mm 29″
Scott Genius 700 Ultimate 9.799 € 11,72 kg 150/150 mm 27,5+
Specialized S-Works Stumpjumper 29 8.999 € 12,88 kg 150/135 mm 29″
Trek Fuel EX 9.9 29 7.999 € 12,15 kg 130/130 mm 29″
Giant Trance Advanced 0 | 150/140 mm (v/h) | 12,33 kg | 6.999 €
Liteville MK14 All Mountain | 140/140 mm (v/h) | 12,08 kg | 7.800 €
NICOLAI ION-G13 QLFLINE | 140/130 mm (v/h) | 14.03 kg | 5.949 €
SCOTT Genius 700 Ultimate | 150 mm / 150 mm | 11,72 kg | 9.799 €
Specialized S-Works Stumpjumper | 150/135 mm (v/h) | 12,88 kg | 8.999 €
Trek Fuel EX 9.9 29 | 130/130 mm (v/h) | 12,15 kg | 7.999 €

Bergauf ist mit diesen Bikes mehr als nur Mittel zum Zweck

Seien wir ehrlich: Eine Tour kann noch so episch sein, wenn einem nach einer Stunde der Rücken schmerzt und der Allerwerteste brennt, macht das Ganze einfach keinen Spaß! Die besten Trails beginnen oft nicht direkt neben der Seilbahn und der Weg dorthin will erarbeitet werden. Neben der Fahrperformance bergab sind also auch die Klettereigenschaften der Bikes entscheidend! Lange Jahre glaubten viele, dass Gewicht und Steifigkeit eines Bikes die ausschlaggebenden Faktoren für gute Klettereigenschaften seien. Dabei kommt es vielmehr auf die Sitzposition, den Fahrkomfort und die Effizienz des Fahrwerks an.

In Sachen Uphill-Performance katapultiert sich das SCOTT Genius 700 Ultimate mit seinem brutal effizienten Fahrwerk, der sportlichen Sitzposition und dem geringen Gewicht (11,72 kg) unaufhaltbar an die Spitze. Es beschleunigt so willig, dass man nahezu unweigerlich zu Zwischensprints ansetzt und ständig noch ein paar Watt mehr in die Pedale tritt. Dennoch ist es auch bei langen Anstiegen sehr komfortabel und bei technischen Sektionen überzeugt es mit viel Traktion. Dicht gefolgt wird das SCOTT vom Liteville 301 MK14, das mit einer super zentralen Sitzposition dank steilem Sitzwinkel punktet. Beide Räder stehen damit ganz oben auf dem Treppchen in Sachen Uphillperformance. Leicht abgeschlagen folgen das Trek Fuel EX 9.9 29, das Specialized S-Works Stumpjumper und das Giant Trance Advanced. Beim Trek ist es der flache Sitzwinkel, der Fahrer mit langen Beinen weit über das Hinterrad schiebt. Das Specialized S-Works Stumpjumper bietet zwar das größte Couch-Feeling, lässt aber etwas an Effizienz missen. Das Giant schlägt sich ebenfalls solide, rollt aber nicht ganz so leichtfüßig wie die beiden Spitzenreiter. Schlusslicht in Sachen Uphill ist das NICOLAI G13. Es liegt zwar mit seinem sehr langen Hauptrahmen und steilem Sitzwinkel in Sachen Sitzposition weit vorn, wird aber durch die geringe Übersetzung und sein hohes Gewicht (14,03 kg) stark ausgebremst.

„Moderne“ Geometrie als Garant für Fahrspaß bergab

Es gibt Wörter, die in der Bike-Branche derzeit sehr inflationär eingesetzt werden. Dazu zählen unter anderem: „moderne Geometrie”, „aggressives Handling“ oder die beiden Worte „lang und flach“. Fakt ist jedoch: Die Geometrien der Bikes haben sich in den letzten Jahren nur zum Teil gewandelt! Es gibt Bikes, die seit Jahren nahezu unverändert sind und andere mit extrem radikalen Geometrien. Paradebeispiele für diese beiden Kategorien sind das NICOLAI G13 und das Specialized Stumpjumper. Ihre Geometriedaten unterscheiden sich nicht um wenige Millimeter, sondern um ganze Zentimeter – bei Bikes eine Welt! Dennoch ist ihr Trailspeed nahezu identisch. Wie geht das? Das Zauberwort in Sachen Geometrie lautet Balance! Entscheidend für das Handling ist nämlich nicht ein einzelner Wert in der Geometrietabelle, sondern das Zusammenspiel aller – und das funktioniert sowohl beim Specialized als auch beim NICOLAI. Dennoch lassen sich ganz klar Trends erkennen. Lenkwinkel werden flacher, Hauptrahmen tendenziell etwas länger und bei Hinterbauten erweist sich ein Mittelweg meist als ideal.

Wie und wo wurden die Bikes getestet?

Diese Bikes sind echte Alleskönner! Und das mussten sie auch bei diesem Vergleichstest unter Beweis stellen. Wir haben alle Bikes daher nicht nur in einem direkten Vergleich am Gardasee getestet, sondern sind sie auch ausgiebig auf unseren Local-Trails in den Chiemgauer Alpen und im Bikepark Samerberg gefahren. Neben der Performance im Downhill spielten bei diesem Test auch die Uphill-Eigenschaften eine wichtige Rolle.

Das Fahrwerk ist essenziell

Es gibt jedoch einen Faktor, der das Handling ebenfalls spürbar beeinflusst und den man nicht aus der Geometrietabelle ablesen kann: das Fahrwerk. Egal wie gut die Geometrie ist – spielen Hinterbau oder Federgabel nicht mit, kann ein Bike nie sein volles Potenzial entfalten. Entscheidend auch bei Rädern mit wenig Federweg ist ein sensibles Ansprechverhalten und die damit verbundene hohe Traktion. Außerdem darf das Fahrwerk natürlich nicht wegsacken und sollte ausreichend Feedback und Progression besitzen. Das beste Fahrwerk bergab besitzt in diesem Test das Specialized S-Works Stumpjumper. Die Öhlins-Federelemente sprechen sehr feinfühlig an und saugen den Untergrund förmlich in sich auf. Speziell die Federgabel erfordert zum optimalen Setup aber Geduld und Know-how. Ebenfalls herausragend ist das Zusammenspiel des Maestro-Hinterbaus mit der neuen RockShox PIKE am Giant Trance Advanced. Das SCOTT Genius ist im direkten Vergleich etwas straffer abgestimmt, aber nicht unsensibel, und es begeistert gleichzeitig mit einem enormen Vortrieb. Der Hinterbau des Trek Fuel EX mit neuer Thru Shaft-Technologie zählt ebenfalls zu den besten im Test. Allerdings könnte die 130-mm-Federgabel im Fuel EX etwas mehr Federweg vertragen. Das NICOLAI G13 ist am Heck sehr progressiv, was dazu führt, dass der Hinterbau bei schnellen, harten Schlägen leider spürbar verhärtet. Das Liteville 301 setzt seinen Federweg zu schnell frei und sackt in Kurven weg, bei schneller Fahrweise wird das Rad dadurch unruhig und fährt sich wenig definiert.

Der limitierende Faktor: die Ausstattung

Die Räder in diesem Vergleich sind echte Traumbikes, die mehr kosten, als viele von uns für ihr Auto ausgeben. Hier darf und muss man Perfektion erwarten. Während die Geometrie und das Fahrwerk vieler Bikes im Test herausragend funktionierten, leisteten sie sich leider Schwächen in der Ausstattung. Wer knapp 8.000 € für ein Trek Fuel EX ausgibt, wird sich sicher nicht über eine klappernde Teleskopstütze freuen. Gleiches gilt für das Specialized Stumpjumper, bei dem die Command Post mit lediglich 125 mm Hub den Bewegungsspielraum deutlich einschränkt. Auch das Thema Reifen ist 2017 noch nicht komplett vom Tisch, der Continental Mountain King z. B. wird der Performance des NICOLAI G13 nicht gerecht. In den Einzeltests auf den kommenden Seiten haben wir alle Stärken und Schwächen der Bikes genau analysiert und verraten euch, für wen welches Bike am besten geeignet ist.

Tops & Flops

Oftmals sind es die Details, die den Unterschied machen: gelungene Integration, erstklassige Ergonomie und mit bedacht gewählte Komponenten. Hier findet ihr alle Tops und Flops der Bikes aus unserem großen Vergleichstest.

Tops

Next Level
So muss ein Cockpit im Jahr 2018 aussehen: Der futuristische Look des Syncros Hixon-Cockpits begeistert. Einzig der Lenker könnte etwas breiter sein.
The new Benchmark
Die EightPins-Sattelstütze begeistert mit ihrer sehr guten Funktion und dem enormen Verstellbereich. Leider lässt sie sich nicht einfach in andere Rahmen integrieren. Wir sind gespannt, ob in Zukunft mehr Hersteller auf die Stütze setzen.
Super praktisch
Specialized hat zusätzlich zur SWAT-Box im Unterrohr noch Tools im Steuerrohr integriert. Außer dem Minitool, das sich schnell entnehmen lässt, findet man dort auch einen Kettennieter inkl. Kettenschloss.

Flops

Überladen
Das Cockpit des Giant wirkt unruhig und überladen. Gerade der Remotehebel für den RockShox-Dämpfer sollte schöner integriert werden.
No Grip
Den Continental Trail King-Reifen fehlt es in unserem Test an Grip. Obendrein lassen sie sich nicht so einfach tubeless montieren.
Laut
Der geschraubte Kettenstrebenschutz sieht zwar schick aus. Leider besitzt das Material aber keine dämpfenden Eigenschaften, wodurch das Kettenschlagen lautstark zu hören ist.
Zu gering
Die Specialized Command Post funktioniert zwar sehr zuverlässig, besitzt aber nicht nur zu wenig Hub, sondern auch einen Versatz, der den Fahrer Richtung Hinterrad schiebt.

Welches ist beste Highend-Trailbike?

Die Entscheidung in diesem Vergleich war wahrlich keine leichte. Im Prinzip hätten gleich drei Räder den Testsieg verdient: das SCOTT Genius 700 Ultimate, das Specialized S-Works Stumpjumper und das Trek Fuel EX 9.9 29. Am Ende kann es jedoch nur einen Gewinner geben. Das Stumpjumper bietet die beste Abfahrtsperformance und begeistert mit smarten Features wie dem nochmals verbesserten SWAT-System, fällt bergauf jedoch zurück. Das Trek Fuel EX liefert ein grandioses Overall-Handling-Package, leistet sich aber Schwächen in der Ausstattung. Am Ende ist es das brandneue SCOTT Genius 700 Ultimate, das mit seiner herausragenden Effizienz bergauf, den klasse Fahreigenschaften bergab, seiner Variabilität und nicht zuletzt auch mit seiner grandiosen Optik alle Tester überzeugt hat. Der Preis für dieses edle Bike ist jedoch vom anderen Stern: 9.799 € werden für das Genius in Topausstattung fällig. Unseren Kauftipp sichert sich daher das Giant Trance Advanced 0. Wer bereit ist, kleine Abstriche bergauf in Kauf zu nehmen, erhält hier ein Rad mit grandiosem Hinterbau, ausgewogenem Handling und zuverlässiger Ausstattung zum fairen Preis von 6.999 €.

Alle Bikes im Test: Giant Trance Advanced 0 | Liteville 301 MK14 All Mountain | Nicolai ION-G13 QLFLINE | Scott Genius 700 Ultimate | Specialized S-Works Stumpjumper 29 | Trek Fuel EX 9.9 29


Hoteltipp am Gardasee

Für unseren Test am Gardasee wurden wir vom Aktivhotel Santa Lucia in Torbole unterstützt. Wer auf der Suche nach einem schicken Mountainbike-Hotel am Gardasee ist, wird dort fündig! Leckeres Frühstück, neu renovierte Zimmer, überwachter Bike-Raum – Bikerherz, was willst du mehr? Mehr Informationen gibt es auf der Hotel-Website.

Dieser Artikel ist aus ENDURO Ausgabe #031

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