Ein endlos scheinender Winter geht nun zu Ende und endlich steht der Frühling vor der Tür. Zeit, um die Schäden zu begutachten, die der Dauerbeschuss aus Schmutz und die oft darauf folgende Reinigung mit dem Dampfstrahler angerichtet haben. Oft hört man von Bikern, die gerade nach der Grundreinigung im Frühjahr über knackende Lager klagen.

If you leave it too long, the only solution is to get busy with the dremel
Wartet man zu lange, hilft oft nur noch der Dremel

Wahrscheinlich rennt niemand sofort los und tauscht ein Lager aus, nur weil es etwas Spiel aufweist. Nicht selten werden solche Reparaturen auf die lange Bank geschoben, oft mit fatalen Folgen für Rahmen und Geldbeutel, denn eines ist klar: Ein künstliches Verlängern der Serviceintervalle ist Sparen am falschen Ende. Wir haben bei den Jungs von The Trailhead in Shrewsbury vorbeigeschaut, um mit ihrem Mechaniker Rich Guppy über die zahlreichen Lagerprobleme zu sprechen, mit denen sie bei ihrer täglichen Arbeit konfrontiert werden. Guppy ist ein alter Hase in dem Geschäft. Mit kleineren Unterbrechungen arbeitet er nun schon seit mehr als zwanzig Jahren als Mechaniker und hat sich seinen Ruf als einer der Besten redlich verdient. Dass er nicht nur mit dem Werkzeug sondern auch mit einem Bike sehr gut umgehen kann, hat er nicht nur mit seiner Teilnahme am DH Worldcup 1995 bewiesen. Dieser Mann weiß wirklich, was er tut!

Guppy, hard at work
Rich Guppy bei der Arbeit.

Schadet der Einsatz eines Hochdruckreinigers den Lagern?
Es gibt unterschiedliche Hochdruckreiniger: Professionelle, die mit sehr hohem Druck arbeiten und Geräte für den Hausgebrauch, mit niedrigerem Arbeitsdruck. Für die Lager an einem Bike sind jedoch beide Gift. Unterm Strich verkürzt man mit jeder Hochdruckreinigung die Serviceintervalle für die Lager drastisch. Das beste ist ein guter Gartenschlauch mit solidem Druck und selbst damit ist durchaus noch Vorsicht geboten. Damit und mit einer oder mehreren guten Bürsten sollte es möglich sein, jedes Bike sauber zu kriegen.

Months of dirt ingress has done some serious damage
Das Eindringen von Schmutz über mehrere Monate kann den Lagern arg zusetzen.

Wie sehr merkt man ein verschlissenes Tretlager beim Fahren?
Das ist pauschal schwer zu sagen, aber wenn man das Lager auf dem Bild ansieht, kann man sich schon einiges vorstellen. Meist entwickeln die Lager eine quietschendes Geräusch oder etwas Spiel und das Bike fühlt sich schwammig an. Wir hatten aber auch schon blockierende Lager, die schließlich den Lagersitz beschädigten.

A seized bottom bracket can make it lot harder going out on the trail
Verschleiß am Tretlager bedeutet auch höheren Kraftaufwand.

Verschlissene oder angegriffene Lager können also auch eine Gefahr für den Rahmen darstellen?

Ja, die Folgen können sogar äußerst gravierend sein. Nicht selten müssen wir ein festgelaufenes Außenlager aufwändig mit dem Dremel entfernen, was schnell mal eine Stunde Arbeit bedeutet, pro Seite, wohl gemerkt. Und anschließend müssen wir uns dann für den hohen Arbeitsanteil auf der Rechnung rechtfertigen. Wenn wir ständig dafür plädieren, dass die Kunden die Serviceintervalle einhalten, machen wir dies nicht, weil wir mehr verdienen wollen, sondern weil der Kunde im Endeffekt dadurch Geld sparen kann.

Ein kaputtes Lager zu tauschen bedeutet also viel Aufwand?

Es kann den zeitl. Aufwand sogar verdoppeln. Normalerweise brauche ich für das Tauschen von Lagern, die noch nicht völlig verschlissen sind, insgesamt anderthalb bis zwei Stunden. Sind die Lager komplett verschlissen oder defekt, kann dies schonmal bis zu vier Stunden dauern. Wenn man nun bedenkt, dass in der Werkstatt zwischen 35,- € und 70,- € für die Arbeitsstunde berechnet wird, so macht es durchaus Sinn, sein Bike öfter einmal durchzuchecken. Am einfachsten gibt man das Bike dazu in einem Montageständer, baut Hinterrad und Dämpfer aus und simuliert mit dem Hinterbau eine Einfederbewegung. Sind die Lager bereits angegriffen, so kann man den rauen Lauf damit gut erfühlen. Häufig muss man aber auch enorme Kraft aufwenden, damit sich der Hinterbau überhaupt bewegt. Dann kann man sich schnell vorstellen, welche Kräfte durch ein kaputtes Lager auf Rahmen und Schweißnähte wirken können.

Wir haben gehört, dass manche Hersteller Lager auf Garantie tauschen, obwohl der Defekt auf mangelhaften Service zurückzuführen ist. Kann man hier von einer Grauzone sprechen?

Einige renommierte Bikehersteller bieten lebenslange Garantie auf ihre Lager. Der Kunde muss lediglich für den Aufwand des Tausches aufkommen. Die Grauzone beginnt dann, wenn wir z. B. einen gebrochenen Hinterbau zu sehen bekommen, an dem die Lager fest sind. Bei einem blockierenden Lager wird die gesamte Bewegungsenergie in den Rahmen abgeleitet. Dabei treten häufig Belastungen auf, denen der Rahmen nicht standhalten kann. Aber in wie weit sich daraus resultierende Schäden auf mangelnden Service durch den Käufer zurückführen lassen, ist fraglich. Vorbeugen ist aber auch in diesem Fall besser als heilen.

Wie oft würdet ihr mir empfehlen, den Hinterbau neu zu lagern?

Dies ist eine schwierige Frage, die sich nicht pauschal beantworten lässt. Die Antwort hängt von vielen weiteren Faktoren ab: Wieviel fährst du pro Woche, fährst du nur bei trockenem Wetter oder auch im Winter, pflegst du dein Bike mit Liebe oder mit dem Hochdruckreiniger, etc. …

Im Normalfall würden wir alle 12 bis 18 Monate neue Lager empfehlen. Wir haben aber auch schon Lager gesehen, die innerhalb von 6 Monaten kaputt waren und welche, die drei Jahre und länger gehalten haben. Das einfachste ist wohl, von Zeit zu Zeit den Dämpfer auszubauen und den Lauf der Lager zu prüfen.

Kann ich einen Lagerwechsel nicht auch selbst vornehmen, z. B. mit einem Schraubstock und ein paar Holstücken?

Die meisten Hersteller verweigern natürlich die Garantie, wenn ein Lager nicht zentriert oder gar falsch eingepresst wurde. Ich denke aber, ein Tretlager korrekt zu verbauen sollte für jeden handwerklich begabten Menschen keine große Herausforderung darstellen, vorausgesetzt, es wird das richtige Werkzeug verwendet. Sicher kann es auch mit einer Gewindestange und ein paar Beilagscheiben funktionieren, aber verpresst man sich eine der Lagerschalen, hat man ein großes Problem.

When replacing bearings the correct tools are vital
Für einen Lagertausch ist das richtige Werkzeug Pflicht.

Zum Schluss noch eine kurze Frage an Sandy Plenty, den Eigentümer von Trailhead: Sind die Kosten für einen Lagerwechsel mit 3–4 Stunden Arbeitsaufwand nicht ein Schock für eure Kunden?

Das ist natürlich ein heikles Thema mit großem Erklärungsbedarf. Oft aber ist mit einem Telefonat schnell erklärt, dass sich so hohe Rechnungen durch einen regelmäßigen Service in kürzeren Abständen meist vermeiden lassen. Außerdem ist das Verhältnis zu unseren Kunden sehr gut, so dass diese verstehen, dass eine aufwändige Reparatur auch mal etwas länger dauern kann. Generell sollte man sich an eine Werkstatt wenden, der man auch vertraut. Wenn sich bei uns eine Reparatur aufwändiger erweist, als ursprünglich angenommen, so heben wir die defekten Teile meist in einem Plastikbeutel auf, damit der Aufwand für den Kunden transparenter wird. Die Aufklärung unserer Kunden ist für uns oberstes Gebot, schließlich macht er mit seinem Bike ja nur das, wofür es gedacht ist: Er bewegt es. Der falsche Weg wäre, ihn mit seinem Problem alleine zu lassen oder ihm gar die Schuld dafür zu geben.

Zusammenfassend kann man also sagen, dass ein regelmäßiger Lagerservice nicht nur den Rahmen sondern auch den Geldbeutel schont.
Wenn man sich entschließt, den Lagerwechsel selbst vorzunehmen, sollte man sich seiner Sache hundertprozentig sicher sein und das richtige Werkzeug zur Hand haben. Ist dies nicht der Fall, so sucht man besser eine Werkstatt auf und überlässt die Angelegenheit den Profis vor Ort. Schließlich hat ein kaputtes Lager nicht nur Auswirkungen auf den Rahmen, sondern auch auf die die Rundenzeiten auf dem Trail.

Text: Andrew Cooper Fotos: Dan Jones


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