Was für ein verrückter Ausflug: Tief in den schottischen Highlands erlebten wir ein echtes Abenteuer, während dem wir es mit einer Schlechtwetterfront, Whisky, einer Übernachtung in einer abgelegenen Hütte und, am wichtigsten, großartigen Trails zu tun hatten. Mehr gibt es hier oder in Ausgabe #017, in der dieser Artikel ursprünglich erschienen ist!

Moody Scottish conditions…
Moody Scottish conditions…

Manchmal klingt der Sirenengesang der Berge sanft wie ein Flüstern im Wind, manchmal haut er einen um wie ein Gong…

Der Wind, der mir ins Gesicht blies und seine eisigen Finger in meine Jacke steckte, während wir die Schulter des Carn Bàn Mor Mountain erklommen, hatte absolut nichts Sanftes an sich. Wir waren ziemlich weit oben in den Wolken und der Sturm peitschte wütend über den exponierten Grat hinweg. Ich bildete die Nachhut unserer Gruppe und konnte die anderen vor mir im Nebel gerade noch als eine Kette geisterhafter Silhouetten ausmachen, die sich gegen die heftigen Böen stemmte. Der karge Boden unter unseren Reifen ließ erahnen, dass wir nicht mehr weit vom Gipfel entfernt waren, blankgeschliffen vom erbarmungslosen schottischen Wetter, dem sich lediglich ein Büschel Heidekraut hier und da resolut widersetzte.

Heading to the hills.
Der Aufbruch in die Berge.

Vor uns erblickten wir einen kleinen Unterstand aus Felsbrocken. Er bot zwar nur ein bisschen Schutz gegen dem Sturm, aber für uns fühlte er sich an wie ein Palast. Wir kauerten uns in dem windstillen Raum zusammen und während wir mit tauben Fingern nach den Leckereien in unseren Rucksäcken tasteten, und mussten darüber lachen, in was für eine absurde Situation wir uns hier freiwillig gebracht hatten. Es war ein eher spontaner Plan gewesen, geschmiedet beim Essen im Mountain Café in Aviemore, tief unten im Cairngorm Nationalpark. Nach dem Kaffee hatten wir die Idee, in einem Bothy (Schutzhütte) zu übernachten und dann hochzufahren, um ein paar Munroes (Berge in Schottland) mitzunehmen und das Ganze mit einer monströsen Abfahrt über die offene Flanke zu krönen. Hier war ich nun, müde, hungrig, kurz vorm Erfrieren und hatte den Spaß meines Lebens!

Sheltering from the savage wind.
Unsere Zuflucht vor dem gnadenlos peitschenden Wind.

Meine Gefährten in diesem windumtosten Unterschlupf waren Chris Hutchens, Dave Duggan und Nash Masson, einige der schnellsten Enduro-Racer Schottlands. Jeder von ihnen hatte schon auf diversen Podien gestanden, doch an diesem Wochenende hatte noch keiner über Gummimischungen, Dämpfertunes oder Biketechnik gesprochen. Wir waren hier, um Abenteuer zu erleben, und es gab keinen Grund, Sekunden zu zählen oder riskante direkte Linien zu nehmen. Unsere Bikes waren nun simple Werkzeuge, Schlüssel zum Abenteuer. Hier gab es keinen Wettkampf, in diesem Moment waren wir vereint in unserem Kampf gegen den Berg, wir würden das gemeinsam durchziehen – es sei denn, einer hätte einen Platten.

3 of Scotland’s best enduro racers joined Trev for this adventure.
Drei der besten Enduroracer Schottlands begleiteten Trev bei diesem Abenteuer.
Winter still hadn’t released her grips on the mountain tops.
Der Winter hatte die Berggipfel noch fest im Griff.

Die Nacht hatten wir in einem überaus gemütlichen Bothy verbracht, einem von Schottlands bestgehüteten Geheimnissen. Bothys gibt es überall in den Highlands, manche sind nur einfache Unterstände, manche behagliche Jägerhütten, wie die, in der wir uns eingefunden hatten. Bothys sind immer offen, immer umsonst und sie bieten seit Generationen müden Abenteurern Ruhe und Schutz. Unzählige Jäger, Wanderer, Kletterer und, in jüngerer Vergangenheit, Mountainbiker haben schon zwischen ihren uralten Wänden Zuflucht gefunden.

Collecting firewood for the night ahead.
Feuerholz sammeln für die bevorstehende Nacht.

Die lange Tour mit großem Gepäck war heftig gewesen – mit einem 20-kg-Rucksack ist ein Wheelie gleich viel aufregender. Nachdem wir etwas Holz gehackt hatten (Feuerholz wärmt dich zweimal, heißt es immer), richteten wir uns für die Nacht ein.
Das Feuer knisterte vor sich hin und wir machten uns über den Whisky her. Das Brennen des Single Malts in unseren Kehlen half uns, die zugige Umgebung zu vergessen und das Feuer begann schnell, eine kräftige Wärme abzugeben – oder vielleicht lag auch das am Whisky.

A mixture of fire and whisky kept the cold at bay.
Mit einer Mischung aus Feuer und Whisky hielten wir uns die Kälte vom Leib.

Wie wir so um das lodernde Feuer saßen, das Kienholz leise knacken und glucksen hörten und sich die warmen Rauchfahnen mit dem muffigen Geruch des Bothys mischten, hätten wir uns kaum weiter weg von einem normalen Rennwochenende fühlen können. Kein Stress, keine nervöse Anspannung, kein Druck, gut abzuschneiden oder sich Stages zu merken. Die Flaschen wurden leerer und von etwas nebensächlichem Bike-Talk bewegten wir uns hin zu den wirklich wichtigen Dingen: Abenteuer, die schief gegangen waren, wie wir uns verfahren hatten, Frauen, Angebergeschichten und schwere Stürze. Wir planten weitere, ausgefallene Abenteuer. Vielleicht könnten wir mit den Bikes Kajakfahren gehen? Norwegen, Island, das Fernweh war wieder da!

This trip offered a nice escape from the stress of racing.
Dieser Trip war eine gute Gelegenheit, etwas Abstand vom Rennstress zu finden.

Dann breiteten wir rund ums Feuer unsere Schlafplätze aus und zogen uns in die Bequemlichkeit unserer Schlafsäcke zurück. Nach einer unruhigen Nacht auf einer selbstaufblasenden Luftmatratze, die leider auch dazu tendierte, die Luft selbst wieder abzulassen, erwachte ich mit verschwommenem Blick und verwirrtem Kopf. Wir hielten den Hipster-Faktor hoch und brühten uns mit der AeroPress einen Espresso, der eigentlich apothekenpflichtig hätte sein müssen. Das Koffein begann zu wirken und schnitt wie ein Schwert durch den Whiskyschleier, der mein Hirn umgab. Draußen kündigte die aufgehende Sonne den neuen Tag an.

After exchanging stories and finishing off the whisky, it was time for bed.
Nachdem jeder seine Geschichten erzählte hatte und der Whisky leer war, war es Zeit zu schlafen.
The whisky of the night before was soon swapped in favour of some strong coffee.
Der Whisky des Abends zuvor wurde bald durch starken Kaffee ersetzt.

Fünf Stunden später hockten wir dicht gedrängt in unserem Unterstand am Hang und es war Zeit, wieder rauszugehen. Nach einer weiteren Viertelstunde im Sandstrahl erreichten wir den Gipfel und endlich bekamen wir den Lohn für die Mühen des Aufstiegs. Wir orientierten uns kurz, versenkten die Sättel und machten uns, einer nach dem anderen, auf in den Nebel. Hier gab es nur eine Richtung: bergab! Nach etwa 100 Metern wurden wir vom Wind erlöst, die Wolke spuckte uns aus und gab den Blick frei, vor uns entfaltete sich der schroffe Hang.

Now for the best bit!
Auf gehts zum besten Teil des Trips!

Ohne Trail, der die Richtung vorgegeben hätte, stürzten wir uns mit Gejohle und Gebrüll die offene Flanke hinunter, droppten blind von kleinen Kanten, sprangen von Kickern aus Heidekraut. Das war Mountainbiken in seiner extremsten Form, eine volle Entschädigung für den mühsamen Weg hinauf. Bis zum Horizont erstreckten sich die schwermütigen Falten der Cairngorm Mountains, während wir zwischen ihren mächtigen Gipfeln hinunterrasten.

This is mountainbiking at it’s best.
In diesem Moment waren wir uns sicher: Besser kann sich Mountainbiken nicht anfühlen.
Heading for home.
Auf dem Heimweg.

Eine halbe Stunde später erreichten wir mit glühenden, zischenden Bremsen die Autos, gaben uns High Fives und strahlten vor Glück. Als wir uns nach dem hohen Grat umsahen, von dem wir gerade hergekommen waren, wirkte er unfassbar weit weg. Wir hatten gemeinsam eine Pilgerfahrt erlebt, befreit vom Racing-Trubel, zurück in den Bergen.

Off piste mountainbiking, who needs trails?
Querfeldein-Mountainbiken – wer braucht schon Trails?

Es war ein großartiges Wochenende und unsere supermodernen Rennmaschinen hatten sich als perfekte Abenteuergefährten erwiesen. Ja, es ist wieder Rennsaison, aber wenn ihr das nächste Mal mit einer kurzen Transferzeit zu kämpfen habt oder euch über eure Linienwahl aufregt und ihr hört dieses Flüstern im Wind, den Ruf der Berge – dann folgt ihm, es ist Zeit.

Text & Bilder: Trevor Worsey


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