Es gibt kaum Bauteile, mit denen sich das Fahrverhalten und die Charakteristik eines Bikes mit solch geringem finanziellen Aufwand derart stark beeinflussen lassen wie durch die Reifen. Während Enduro-Racer ihre Reifen häufig an die gerade herrschenden Gegebenheiten und Streckenverhältnisse anpassen, vertrauen Tourenfahrer meist auf ein Modell, das sie bis an die Verschleißgrenze runterfahren. Diese Allroundreifen müssen ein enorm breites Einsatzspektrum abdecken und dabei unter möglichst allen Bedingungen hervorragend funktionieren. Dennoch kommt auch bei ihnen früher oder später der Tag, an dem sie ersetzt werden müssen. Wir luden deshalb die 6 aktuell interessantesten Trail- und Tourenreifen zu einem ausgiebigen Vergleichstest. Ziel war es, den besten Allroundreifen zu finden, welcher nicht nur viel Grip, hohe Sicherheit und guten Pannenschutz bietet, sondern auch mit guten Rolleigenschaften punkten kann.

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Alle Testkandidaten wurden zuerst unter Anwesenheit und Anleitung der ENDURO-Redakteure Christoph Bayer und Max-Philip Schmitt auf den Prüfständen des Reifen-Giganten Continental in Korbach im Labor getestet.
Neben einer klassischen Rollwiderstandsmessung prüften wir mit einem Fallbeil auch die Durchschlagsfestigkeit: In 5-cm-Schritten wurde die Fallhöhe nach und nach erhöht, bis der Schlauch Luft verlor. Bei zwei Durchstichtests stellten wir sowohl die Festigkeit der Lauffläche mit einer Nadel, wie auch die der Seitenwand mit einer Klinge auf die Probe. Ziel war es, abzubilden, wie resistent die verschiedenen Modelle gegenüber Dornen und scharfkantigen Steinen sind.

die Durchschlagsicherheit testen wir vorab im Labor
die Durchschlagsicherheit testen wir vorab im Labor

Doch Laborwerte geben nicht immer Aufschluss darüber, wie sich ein Reifen tatsächlich im Gelände verhält. So kann beispielsweise der Rollwiderstand auf losem Untergrund deutlich von dem auf der harten Rolle abweichen. Faktoren wie Grip und Kurvenführung lassen sich im Labor gar nicht erst darstellen. Entsprechend lag der Fokus der Beurteilung vor allem auf dem Praxistest, die Laborwerte halfen den Testern anschließend bei der Erörterung und der zahlenbezogenen Verifizierung ihrer Fahreindrücke. So ermittelte die ENDURO-Testcrew – ergänzt durch den Gast-Tester und Enduro-World-Series-Racer Markus Reiser vom Focus Trail Team – in dem großen Praxistest auf abwechslungsreichem Terrain penibel die Fahreigenschaften jedes einzelnen Reifen.

Alle Eindrücke werden notiert - hier kommen die Ergebnisse zu den 6 Trailreifen
Aber wirklich bewiesen müssen sich die Reifen in der Praxis. Alle Eindrücke werden notiert – hier kommen die Ergebnisse zu den 6 Trailreifen

Continental Mountain King II ProTection

Detail_Mountainking

Der Mountain King II ProTection soll, dank einer extra Lage Gewebe in der Karkasse, nicht nur Tubeless ready, sondern auch besonders unempfindlich gegen Beschädigungen durch Steine oder Dornen sein. Dies bestätigte sich sowohl in der Praxis wie auch im Labor mit hervorragenden Werten und geringer Pannenanfälligkeit. Auf dem Trail erfordert der 795 g schwere Reifen trotz seines großen Volumens einen deutlich geringeren Luftdruck (ca. 1,3–1,5 bar bei 80 kg Körpergewicht) als der Rest des Testfeldes, damit sich die kräftige Karkasse an den Untergrund anschmiegen und eine solide Eigendämpfung bieten kann. Durchschläge sind selbst bei diesem Luftdruck kein Problem. Trotz seines groben und offenen Profils überzeugt er, dank der gelungenen Black-Chili-Gummimischung, mit sehr guten Rolleigenschaften – sowohl auf steinigen wie auch weichen Untergründen. Auch die Nasshaftung auf Wurzeln geht absolut in Ordnung. Die große Lücke beim Übergang der Mittel- zu den weit nach unten gesetzten Seitenstollen macht den Reifen jedoch speziell am Querhang und in offenen Kurven etwas unberechenbar. Der Grenzbereich setzt hier früh und abrupt ein. Auf erdigen Abschnitten des Test-Tracks gruben sich die großen Profilblöcke tief in den Untergrund, hier überzeugt der Continental Mountain King II ebenso wie beim Bremsen mit viel Traktion.

+ geringer Verschleiß
+ hohe Pannensicherheit
+ gute Bremstraktion
– schmaler Grenzbereich

Mountain King: 27,5 x 2,4 | 795g | 54,90 € | www.conti-online.com

Continental X-King ProTection

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Bereits auf den ersten Metern bestätigt der Continental X-King, was der Labortest bereits hat vermuten lassen – er ist der mit Abstand am besten rollende Reifen im Testfeld. Der Grund hierfür sind sicherlich die zahlreichen flachen und kleinen Mittelstollen. Dennoch verfügt der eher in Richtung Cross Country gehende Reifen über eine stabile und widerstandsfähige ProTection-Karkasse, mit deren Hilfe er sich auch Tubeless montieren lässt.
Der gleichmäßige Übergang von den flachen Mittel- zu den verhältnismäßig hohen, abgestützten Seitenstollen verleiht dem Reifen einen angenehm definierten Grenzbereich. Ein Abknicken der Stollen war nicht zu beobachten. Auf harten Böden überzeugt außerdem die Black-Chili-Mischung mit guten Grip. Wird der Untergrund jedoch lose oder schlammig, gerät der X-King, nicht zu letzt aufgrund der kleinen Stollen, an seine Grenzen. Auch die Bremstraktion kann dann nicht mehr vollends überzeugen. Daher empfehlen wir den schnellen Korbacher vor allem als Hinterreifen für vortriebsorientierte Tourenfahrer und Racer auf Sekundenjagd.

+ geringer Rollwiderstand
+ hoher Pannenschutz
+ gutmütiger Grenzbereich
– geringe Bremstraktion

X-King Protection | 27,5 x 2,4 | 678g | 54,9 € | www.conti-online.com

Kenda Nevegal X Pro

Detail_Nevegal

Erst im Rahmen des Bike-Festivals in Riva präsentierten die Amerikaner ihren komplett neuen Nevegal X Pro – ein Reifen, der in die Fußstapfen des bis dato erfolgreichen Nevegal Pro treten soll. Bereits beim ersten Kontakt fällt die sehr flache und schmale Bauweise des Reifens auf. Diese sorgte, zusammen mit der dünnen Seitenwand, bereits im Labor für eher mäßige Werte in Sachen Pannensicherheit und auch auf dem Trail waren bei den Testern Durchschläge zu verzeichnen. Durch diese Bauform leidet auch die Eigendämpfung des Reifens, viel Luftdruck (2,0 bar) ist nötig um die Teststrecke ohne Platten zu bewältigen. Dafür kann der neue Nevegal X Pro mit seiner sehr guten, zweiteiligen Gummimischung punkten. Egal ob bei Trockenheit oder Nässe – der Reifen klebt am Boden! Die breiten Mittelstollen sorgen für ordentliche Verzögerungswerte, während die weichen Seitenstollen einen kontrollierbaren Grenzbereich vermitteln. Leider sind diese Profilblöcke sehr weit nach unten gesetzt, was dazu führt, dass diese erst sehr spät greifen und wir uns, speziell in offenen Kurven und im hängenden Gelände, mehr Grip gewünscht hätten. Zu Hause fühlt sich der neueste Spross aus dem Hause Kenda daher vor allem auf harten Böden oder dem Hinterrad vortriebsorientierter Fahrer.

+ super Grip auf harten Böden
+ definierter Grenzbereich
– schlägt schnell durch
– Seitenstollen erfordern enorme Schräglage

Nevegal X Pro | 27,5 x 2,35 | 784g | 29,95 € | www.kendatire.com

Maxxis Ardent EXO/TR

Detail_Ardent

Der Maxxis Ardent ist mittlerweile ein Klassiker am Reifenmarkt. Dennoch gehört er aufgrund seines durchdachten Profils und der unzähligen verfügbaren Varianten noch lange nicht zum alten Eisen. Während der Ardent auf dem Rollenprüfstand nicht voll überzeugen konnte, hinterlässt er in der Praxis einen besseren Eindruck und rollt dank der eng aneinander liegenden Mittelstollen leise und effizient. Die EXO-Karkasse und das große Luftvolumen bringen viel Sicherheit und eine gute Eigendämpfung. Im Praxistest gab es mit dem Ardent keine Defekte zu verzeichnen. Die versetzt angeordneten Schulterstollen verleihen dem Reifen einen sehr großen und stets gut kontrollierbaren Grenzbereich. Bei hohen Kräften knicken die kaum abgestützen Seitenstollen allerdings leicht weg, was zu einem etwas undefinierten Fahrverhalten führt. Dies war während unseres Tests aber nur in Extremsituationen zu beobachten. Alles in allem überzeugt der Reifen mit sehr guter Kurvenführung und ordentlichem Grip auf sämtlichen Untergründen. Trotz der eng angeordneten Mittelstollen geht auch die Bremstraktion voll in Ordnung.

+ sehr guter Allround Reifen
+ geringer Rollwiderstand
+ großer Grenzbereich
– schlechte Selbstreinigung
Seitenstollen knicken bei starker Last weg

Ardent TR EXO | 27,5 x 2,4 | 784g | 49,90 € | www.maxxistires.de

Schwalbe Nobby Nic SnakeSkin PaceStar

Detail_NobbyNic

Der Nobby Nic ist unangefochten einer der Klassiker im Reifensortiment von Schwalbe. Kaum ein anderer Reifen wird von den Herstellern so häufig serienmäßig auf Tourenbikes verbaut wie er. Mit seinem geringen Gewicht von 695 g und super Werten beim Rollwiderstand machte der Nobby Nic bereits im Labor auf sich aufmerksam. Diese Werte sollten sich auch in der Praxis als die große Stärke des Reifens herausstellen. So bot er trotz des V-förmigen Profils mit breiten Mittelstollen auf sämtlichen Untergründen sehr gute Rolleigenschaften. Die kräftigen und hohen Seitenstollen bieten guten Kurvengrip. Speziell auf losem Untergrund und schräg abfallenden Streckenabschnitten überzeugt der Klassiker aus dem Hause Schwalbe mit guter Traktion. Einzig der sehr schmale und schwer einzuschätzende Grenzbereich in losen und offenen Kurven, sowie die geringe Nasshaftung der PaceStar-Mischung auf Wurzeln und Steinen konnte die Tester nicht überzeugen. In Sachen Bremstraktion ist der Reifen jedoch über jeden Zweifel erhaben.

+ sehr gute Rolleigenschaften
+ gute Bremstraktion
+ gute Selbstreinigung
– sehr schmaler Grenzbereich

Nobby Nic EVO | 27,5 x 2,35 | 695g | 54,90 € | www.schwalbe.com

Specialized Purgatory GRID 2BR

Detail_Purgatory

Vor Kurzem wurde mit dem Stumpjumper EVO 650b nicht nur das erste Specialized mit der „neuen“ Laufradgröße vorgestellt, sondern im Rahmen dessen auch das Reifenangebot der Amerikaner dahingehend erweitert. Dazu zählt unter anderem der Purgatory GRID, der mit verstärkter Karkasse und der Möglichkeit zur Tubeless-Montage sämtliche aktuell üblichen Standards bietet. Sein aggressives Profil mit kräftigen Seitenstollen sorgt für viel Traktion. Egal ob auf Wurzeln, Steinen oder bei Nässe, der Purgatory weiß überall mit solidem Grip zu überzeugen. Auch die zweiteilige Gummimischung wirkt stimmig: Mit der härteren Mischung (60a) in der Mitte und der weichen Mischung (50a) an den Seiten verfügt er über gute Rolleigenschaften. In Kurven kündigt sich der Grenzbereich des Reifens zwar verhältnismäßig früh an, ist dann aber sehr gut kontrollierbar und weit ausreizbar bevor vollständiger Gripverlust droht. Die gute Eigendämpfung weiß zu gefallen. Aufgrund des engen Profils auf der Oberseite ist die Selbstreinigung nicht perfekt, dafür verfügt der Reifen aber über eine dennoch sehr gute Bremstraktion.

+ berechenbarer Grenzbereich
+ gute Eigendämpfung
+ gute Bremstraktion
+ einfach Tubeless zu montieren
– schlechte Selbstreinigung

Purgatory GRID | 27,5 x 2,3g | 737g | 42,90 € | www.specialized.com

Fazit:

Die modernen Touren- und Trailreifen überzeugen beinahe alle mit hoher Pannensicherheit und guten Rolleigenschaften. In Sachen Grip und dem Verhalten im Grenzbereich gab es in unserem Testfeld jedoch deutliche Unterschiede. Das beste Gesamtpaket liefert am Ende der Maxxis Ardent. Er überzeugt mit gutmütigen und stets berechenbaren Fahreigenschaften: Mit seiner guten Eigendämpfung, viel Grip bei Trockenheit wie auch bei Nässe, soliden Rolleigenschaften und einer hohen Pannensicherheit sichert er sich den Testsieg. Wer mehr Wert auf geringen Rollwiderstand legt, ist mit dem Schwalbe Nobby Nic gut beraten, hier müssen aber vor allem Abstriche bei der Nasshaftung und im Grenzbereich gemacht werden. Der Specialized Purgatory verhält sich auffällig unauffällig, er bietet durchweg solide Eigenschaften in allen Bereichen zu einem äußerst fairen Preis. Der neue Kenda Nevegal X Pro überzeugt mit einer sehr griffigen Gummimischung, empfiehlt sich aber aufgrund seines sehr runden Profils vor allem für harte Böden. Eine echte Überraschung war der Continental X-King: Der flach profilierte Reifen bietet dank ausgeprägter Seitenstollen eine solide Kurvenführung während die flachen Mittelstollen für viel Vortrieb sorgen. So empfiehlt er sich vor allem für die Anwendung als Hinterreifen.

Reifentest (35 von 14)

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