Die Zahl der Bestie

Manchmal ist es cool, Dinge anders anzugehen, einzigartig zu sein und seinen eigenen Style zu finden. Bevor wir ein neues Bike kaufen, verschlingen wir im Normalfall sämtliche Magazine, sind stets auf der Suche nach der aktuellsten Technik und den neuesten Innovationen. Die Hersteller bestimmen unsere Bike-Kultur, bestimmen, was wir brauchen, legen fest, was angesagt ist und was für uns funktionieren soll. Im übersättigten Markt buhlen neue Modelle mit viel High-Tech und möglichst positiven Testergebnissen um die Gunst der potentiellen Käufer. Und egal, für welches Bike wir uns am Ende entscheiden ─ maximal ein Jahr später wollen wir bereits das nächste. Doch es geht auch anders: Wir könnten gegen die Eintönigkeit des Massenmarkts rebellieren, Risiken eingehen und etwas einzigartiges bauen ─ ein echtes Einzelstück.

"Sometime's it's cool to do things differently, to be unique and to find your own style"
Manchmal ist es cool, Dinge anders anzugehen, einzigartig zu sein und seinen eigenen Style zu finden.

Wir alle lieben es, unsere Bikes zu tunen: Mit viel Bedacht (und Liebe!) wählen wir die passendsten Komponenten und schaffen so, nach und nach, das Bike unserer Träume. Aber was, wenn dieser Prozess noch einen Schritt weiter gehen würde und quasi auch das Herzstück des Bikes, den Rahmen, miteinschließen würde? Was wäre, wenn wir uns nicht nur Farbe und Ausstattung, sondern auch die Geometrie und das Design des Rahmens aussuchen dürften, fernab von sämtlichen Vorgaben und Standardgrößen? Wie würde dein ultimatives Geschoss dann aussehen?

"They used to manufacture MIG jet fighters"
Die Schweißer in der Zumbi-Fabrik fertigten früher MIG-Kampfjets

Handgefertigte Rahmen ─ wer mag sie nicht? Weit entferntvon jeglicher Massenproduktion wird jede Schweißnaht in akribischer Feinarbeit von Hand gesetzt, der ganze Rahmen ist ein einziges Zeugnis der Handwerkskunst des Schweißers. Allerdings sind die meisten solcher Bikes Hardtails, und daher ─ so schön sie auch sein mögen ─ nur begrenzt für die Art von Trails geeignet, die wir am meisten mögen. Entsprechend gespannt war ich, als eine Mail von Pawel Matuszynsko, dem Besitzer von Zumbi Cycles, in meinem Posteingang landete, in der er seinen individuell gefertigten 150 Millimeter Rahmen vorstellte, das F-11 650B.

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Zumbi Cycles ist eine “rider-owned”-Firma aus Polen, die seit über zehn Jahren Gravity- und Enduro-Bikes fertigt. Die Prototypen werden von einigen Weltklasse-Fahrern getestet und der gesamte Produktionsprozess wird von Zumbi selbst durchgeführt. Auf diese Weise lässt sich das Feedback der Testfahrer schnell und unkompliziert umsetzen. Die Schweißer in der Zumbi-Fabrik fertigten früher MIG-Kampfjets ─ Erfahrung, echte “Raketen” zu fertigen, sollte also vorhanden sein. Und genau hier wird es spannend. Denn jeder Rahmen wird erst auf Bestellung gefertigt. Wer also etwas richtig Individuelles sucht, kann die Geometrie des F-11 problemlos selbst festlegen. Die Längen von Sitz- und Oberrohr, der Lenkwinkel und viele weitere Variablen können ganz nach Wunsch gewählt werden. Und so erhält jeder ein Bike, das so einzigartig ist wie die Trails, auf denen es bewegt wird.

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Nach stundenlangem Analysieren der verschiedenen Bike-Geometrien, die ich bereits gefahren bin, wusste ich, welche Charakteristiken mir taugen und welche mir nicht gefallen. Ganz wie Frankenstein sein Monster stellte ich mir mein Bike aus dem Besten bestehender Konzepte zusammen. Mein Zumbi sollte bereit für die härtesten Trails Europas sein und außerdem bei der Enduro World Series zum Einsatz kommen. Entsprechend wollte ich höchste Performance und eine aggressive Geometrie. Mir schien es am sinnvollsten, mit dem Lenkwinkel anzufangen. Mein kleines Monster sollte so flink und aggressiv sein, dass ihm selbst die härtesten Rennstages nur ein müdes Lächeln entlocken. Ein Bike, das mich aus meiner Komfortzone treibt und mir ruhig auch mal Angst macht! So wählte ich einen sehr flachen Lenkwinkel von 65 Grad.

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Ich stellte mir mein Bike zusammen wie Frankenstein

Der Grundstein fürs Traumbike war gelegt, nun galt es, die übrige Geometrie passend zu wählen. Besonders wichtig für ein gelungenes Bike ist mir der Reach: Ein zu kurzes Bike fühlt sich bei hohen Geschwindigkeiten nervös und unsicher an, während ein zu langes Bike tot und unwendig wirkt. Mein Plan war, einen 35 Millimeter-Vorbau mit 780er-Lenker zu fahren, und so entschied ich mich (bei einer Größe von 180 cm) für einen Reach von 605 Millimeter. Zusammen mit dem flachen Lenkwinkel sollte das Bike damit stabil bei Highspeed sein, aber nicht so lang, um in engen Kehren zu untersteuern.

Um das Gewicht gering und den Schwerpunkt tief zu halten, wählte ich das Sitzrohr mit 430 Millimeter schön kurz.
Als ich meine Wunschgeometrie an Pawel schickte, war ich mir sicher: Das Ding wird eine Maschine, ein echtes Geschoss!
Die übrigen Variablen waren schnell entschieden: Keine interne Zugverlegung (zu oft wechsle ich Testkomponenten), 142×12 Hinterbau und keine Umwerfer-Aufnahme ─ 1×11 sollte es werden! Den Hinterbau passten wir perfekt auf 2,35″ breite Hans Dampf Reifen an und verpassten ihm superkurze Kettenstreben

Das hier ist mein Bike!

Der F-11 Rahmen ist Zumbi’s Modell für den Enduro- und Trail-Einsatz und kommt mit 150 Millimeter Federweg und 650B-Laufrädern daher. Alle bestellten Rahmen werden aus 7020 Aluminium Rohren und 7075er CNC-Teilen von Hand gefertigt. Das Gewicht meines Rahmens liegt bei 3,18 kg (mit Dämpfer) ─ ein ordentlicher Wert. Das F-11 in 26″ wurde im Verlauf der letzten anderthalb Jahre ausgiebig getestet und immer weiter optimiert, meine Bestellung war eines der ersten ausgelieferten Modelle für 650B.

Zumbi nutzt im F-11 einen Floating Pivot Suspension (FPS) Hinterbau mit vier Drehpunkten, um Kennlinie, Raderhebungskurve sowie Antriebs- und Bremseinflüsse zu kontrollieren. Er soll auch bei harten Bremsmanövern voll aktiv bleiben. Dank 150 Millimeter-Federweg und Titanachsen an den Drehpunkten kann ─ und will! ─ das Zumbi alles mitmachen! Der im Unterrohr versenkte Dämpfer sorgt für einen tiefen Schwerpunkt, was sich beim Handling bemerkbar machen dürfte.

"The rear end is built for aggressive riding"
Der Hinterbau ist für einen aggressiven Fahrstil gemacht

Die nächsten Wochen vergingen zwar quälend langsam, waren aber spannend: Foto für Foto ließ mich Pawel am Produktionsprozess teilhaben. Die letzte schwere Entscheidung stand mit der Wahl der Rahmenfarbe an ─ am Ende wurde es ENDURO Blau. Nur wenige Tage später traf dann der sorgsam verpackte Rahmen im ENDURO UK Office ein. Und die Aufregung war groß, denn bereits unaufgebaut sah der F-11 fantastisch schnell aus, dazu umgeben von dem Flair echter Handarbeit.

Das Beste war aber zu wissen, dass dieser Rahmen ein absolutes Einzelstück ist und exakt nach meinen Wünschen gefertigt wurde ─ am liebsten hätte ich dieses Kunstwerk direkt an die Wand gehängt! Es gibt viele ähnliche Bikes, doch dieses hier ist meins!
Ich wollte ein absolut kompromissloses Bike, das Geschwindigkeit belohnt und mir hin und wieder auch Angst macht ─ ein kleines Monster eben! Und genau das hat Pawel geliefert.

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Ein echtes Rock and Roll Bike

Das Zumbi F-11 fegt derart über die Trails, dass ich am liebsten in jeder Kurve Kampfjet-Geräusche von mir geben würde. Der FPS-Hinterbau zeigt sich potent, gibt gutes Feedback vom Boden und verhärtet auch beim Bremsen nicht. Eher straff als super-soft fühlt er sich nicht nach unendlich viel Federweg an ─ wie manch andere Bikes am Markt ─ und passt daher eher für eine aktive und aggressive Fahrweise. Mit 30% SAG war mir das Rad zu träge und sackte bei größeren Schlägen etwas weg, mit 25% funktionierte der Hinterbau optimal. Das tiefe Innenlager harmoniert hervorragend mit der ebenfalls tiefen Front, dank großer Überstandshöhe und kurzem Heck fühlt sich das Zumbi wie ein kleiner Downhiller an. Ein echtes “Rock and Roll”-Bike, das Kurven liebt und dazu verleitet, alles ein bisschen schneller zu fahren als man eigentlich würde.

Das Zumbi F-11 fegt derart über die Trails, dass ich am liebsten in jeder Kurve Kampfjet-Geräusche von mir geben würde.
"I wanted a bike that would make me smile, and that is exactly what I got."
Ich wollte ein Bike, das mir ein Grinsen ins Gesicht zaubert

Einen Rahmen maßanfertigen zu lassen, war und ist immer ein Risiko. Ehrlich gesagt hatte ich keine Ahnung, wie sich das fertige Bike tatsächlich fahren würde, bis ich es aufbaute. Aber nun könnte ich glücklicher nicht sein! Ich wollte ein Bike für feinstes Geballere im Wald, für Strava-Jagden, Local-Races und EWS-Rennen, doch mehr als alles andere wollte ich ein Bike, das mir ein Grinsen ins Gesicht zaubert ─ und genau das habe ich bekommen. Jede Ausfahrt mit dem Zumbi F-11 ist ein Heidenspaß. Ich bin nicht sicher, ob es das schnellste Bike da draußen ist, aber hey, es geht ab wie eine Rakete und bringt mich an meine Limits ─ das ist was zählt!

"Enduro Blue"
“Enduro Blau”

Preis: € 1830

Federweg: 150mm

Gewicht: 3.18 kg (mit Dämpfer)

Geometrie

Größe: S / M (getested) / L / XL | Oberrohr Horizontal:600mm | Sitzwinkel: 73°| Kettenstrebe:430mm | Lenkwinkel: 65°| Radstand: 1195mm | Sitzrohr:430mm | Laufradgröße: 27.5″

Text: Trev Worsey Fotos: Catherine Smith


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