Signaturmodelle sind in der Schuh- und Skateboardbranche Gang und Gäbe. Bei Mountainbikes ist es dagegen eher untypisch, Profis ihre eigenen Modelle auf den Markt bringen zu lassen. Der Schweizer Profi Adrian Kiener hat sich genau darüber hinweg gesetzt und gemeinsam mit seinen Sponsoren sein Traumbike in einer limitierten Auflage verwirklicht. Hier erzählt er die ganze Story von der ersten Idee zum fertigen Signature-Bike:

Adrian Kiener auf seinem Signature-Bike Bergamont Contrail AK.
Adrian Kiener auf seinem Signature-Bike Bergamont Contrail AK.

Das eigene Signature Modell ist wahrscheinlich ein Traum, der in den meisten Köpfen professioneller Biker im Kopf herumschwirrt. Ein Konzept, das den eigenen Wünschen zu 100% Prozent entspricht und somit die Gelegenheit bietet die eigene Erfahrung in ein Serienprodukt einwirken zu lassen.

Ziemlich genau ein Jahr ist es nun her, dass ich auf der Party der Bike Days Solothurn in launiger Runde meinen Sponsor Bergamont Schweiz mit der Idee konfrontierte, zusammen ein Bike zu entwerfen und auf den Markt zu bringen. Der Bergamont Chef fragte mich darauf: «Was müsste denn an deinem Bike anderes sein als an den aktuellen Modellen»? Fatale Frage!

So viel Sorgfalt wie in dieses Bild investierte Adrian Kiener auch in die Planung seines Rades.
So viel Sorgfalt wie in dieses Bild investierte Adrian Kiener auch in die Planung seines Rades.

«Lass uns das ultimative, abfahrtsorientierte Trail Bike bauen, alle meine langjährigen Sponsoren und Partner integrieren und somit meine Erfahrung und meine ganz persönlichen Anforderungen mit einbringen! Ein Rad, das für Leute gemacht ist, die so ticken und fahren wie ich. Jede Abfahrt soll sich anfühlen als sei es ein Race Run auf dem perfekten Bike. Bis hin zum kleinsten Anbauteil des Bikes soll alles von kompromissloser Qualität sein und perfekt als Ganzes zusammenspielen. Das Bike soll schlicht und ohne Schnörkel daher kommen, technisch auf dem neusten Stand sein und trotzdem aufs Minimum reduziert werden. “

Mein leidenschaftlicher Kurzvortrag muss ziemlich überzeugend gewesen sein: „Wir sind dabei!“ war die ebenso spontane wie fatale Antwort. „Wenn du alles komplett selber durchziehst!“

Die gesamte Ausstattung sollte kompromisslos und edel werden.
Die gesamte Ausstattung sollte kompromisslos auf den Einsatzzweck angepasst werden.

Zu dieser Zeit hatte ich bereits neben meinen Aktivitäten als Sportler meine eigene kleine Agentur am Laufen. Gemeinsam mit Marika Nygren organisierte ich Events wie etwa das Greenhouse Race und wir realisierten Projekte im Grafik- und Kommunikationsbereich. Marika ist Grafikdesignerin und ich kenne mich gut mit Bikes aus. Mit über 20 Jahren Erfahrung im MTB Business müsste das easy hinhauen. Dachte ich – extrem motiviert und begeistert, dass der „Pitch“ in eigener Sache gleich auf Anhieb so gut angekommen ist.

So machten wir uns umgehend an das Marketingkonzept und eine erste, etwas detailliertere Beschreibung des Projektes. Wir einigten uns mit Bergamont auf eine limitierte Serie von 30 Bikes exklusiv für den Schweizer Markt. Meine Sponsoren waren vom Projekt begeistert und motiviert mit dabei zu sein. Schließlich hatte ich es auch zum ersten Mal in der Hand meinen Partnern etwas ab zu kaufen und somit auf einer anderen Ebene etwas zurück zu geben für den langjährigen Support.

Schlicht und schnell soll das Rad am Ende sein - das schließt edel nicht aus.
Schlicht und schnell soll das Rad am Ende sein – das schließt edel nicht aus.

Das ursprüngliche Konzept sah vor, alle meine Sponsoren mit einzubeziehen. Was bedeutet hätte, dass passend zum Bike auch Zubehör wie Schutzausrüstung, Bekleidung und Gadgets im Lieferumfang des Bikes enthalten wären. Als ich dann als erstes meinem Helmsponsor unterbreitete, dass es cool wäre für das Projekt Helme in den Farben des Bikes zu produzieren, wurde ich mit offenen Armen empfangen. „Ab 400 Stück können wir das machen und sind dabei!“. Ähnlich tönte es vom Brillen-, Uhren- und Bekleidungssponsor. Somit war dieser Teil der Vision des kompletten Sets auch gleich wieder vom Tisch und wir konzentrierten uns fortan auf die Hauptsache – das Bike.

Bergamont waren mit die ersten, die bei dem Projekt dabei waren.
Eigenes Artwork, eigener Modellname – dahinter steckt mehr Arbeit, als man zuerst glaubt.

Die Wahl des Rahmenmodells war schnell gemacht. Das damals frisch von Bergamont vorgestellte Vollcarbon Trail Fully „Contrail“ sollte es sein. Dieses Bike fuhr ich bereits in der Saison zuvor, es ist mein absolutes Lieblingsbike auf dem Trail und mit der «richtigen» Spezifikation eine absolute Rakete. Wir legten also los mit der Gestaltung, der Artwork und dem Farbkonzept. Wie geil, sich selber ein Bike gestalten! Nachdem ich feststellte, dass die Optionen fast unbeschränkt sind, bemerkte ich,
wie schwierig es ist, sich am Ende festzulegen. Ich saß nächtelang am Rechner und suchte Bike Bilder, um mich zu inspirieren. Zum einen sollte das Bike meinem Style entsprechen und zum anderen sollte es sich vom Rest der Bergamont Contrail Kollektion unterscheiden.

Klar war von Anfang an der Name: mein Bike soll «CONTRAIL_AK» heißen und damit mit meine Initialen tragen (Adrian Kiener). Das Design selbst nahm nach und nach Form an. Wir hatten dafür regen Austausch mit dem Bergamont Mutterhaus in Hamburg. Peter, der Designer, lehrte uns, was grundsätzlich möglich ist und wie wir die Daten für die Produktion in Asien aufbereiten mussten. Die Asiaten arbeiten mit anderen Farbcodes als die Firmen im Westen. Wir lernten welche Flächen lackiert werden und wo mit Stickern gearbeitet wird. Nach einigen Skype Sessions und etlichen Mails stand schließlich der Design-Prototyp, den ich mit einem leicht nervösen Finger auf der Return Taste verschickte.

Gemeinsam mit SR Suntour wurde das Fahrwerk genau auf den Rahmen abgestimmt.
Gemeinsam mit SR Suntour wurde das Fahrwerk genau auf den Rahmen abgestimmt.

Nun ging es an die Spezifikation – zu Beginn tauschte ich mich mit Tommy aus, dem Ingenieur des Contrail Rahmens. Wir sprachen vor allem über Kinematik, Gewindesteigungen und Gewindelängen.
Zum ersten Mal habe ich jedes noch so kleine Teilchen meines Bikes wahrgenommen. Alles in allem habe ich mit mindestens zwanzig Firmen gesprochen, verhandelt und zum Schluss bestellt. Ständig begleitete mich eine kleine Unsicherheit, hoffentlich habe ich bei der Bestellung keine Fehler gemacht und an alles gedacht?! Tapered, Achsdurchmesser, Pressfit, Direct Mount, Center Lock und die ganzen Standards… bei all den Optionen ist es schnell passiert, dass etwas nicht passt.

Hinter der Bikezusammenstellung steckt bedeutend Theore mehr als alle Teile in den Warenkorb zu werfen.
Hinter der Bikezusammenstellung steckt bedeutend mehr Theorie als alle Teile in den Warenkorb zu werfen.

Sehr interessant war die Festlegung des Suspension Setups. Mit Stéphane, dem Ingenieur meines langjährigen Sponsors SR Suntour, arbeiteten wir zuerst im Labor und anschließend auf dem Trail. Insbesondere der Dämpfer musste auf das Bike und den potentiellen Kunden abgestimmt werden. Um ehrlich zu sein, habe ich erst durch dieses Projekt wirklich begriffen was zum Beispiel High- und Low Speed Compression genau ausmacht und wie man durch die Feinheiten des Setups die Eigenschaften eines Bikes wesentlich beeinflussen kann.

Auch wenn alle Teile da sind, sind viele Testsessions nötig, um dem Rad den letzten Feinschliff zu geben.
Auch wenn alle Teile da sind, sind viele Testsessions nötig, um dem Rad den letzten Feinschliff zu geben.

Nachdem alle Entscheidungen gefällt waren und die Spezifikation stand, ging es um die Gestaltung der Kommunikations- und Werbemittelmittel. Wir beschlossen ein Booklet, Flyer, Plakat, Messeauftritt und ein Video zu produzieren. Mittlerweile war auch der Termin des Release festgelegt. Nun brauchten wir eigentlich nur noch das Muster-Bike, um mit Hoshi Yoshida an einen coolen Spot zu fahren und geile Footage zu schießen. Da man für OEM (Erstausrüstung) Bestellungen mindesten sechs Monate im Voraus bestellen muss, dürfte dies ja kein Problem sein – dachte ich mir.

Das Endergebnis kann sich sehen lassen: Alle komponenten sind funktionell wie optisch perfekt aufeinander abgestimmt.
Das Endergebnis kann sich sehen lassen: Alle komponenten sind funktionell wie optisch perfekt aufeinander abgestimmt.

Aber genau eines der „custom“ lackierten Teile wollte und wollte nicht kommen. Wir mussten das Shooting immer weiter in Richtung Frühling verschieben. So dass zum Schluss noch klägliche acht Tage bis zum Release Anfang Mai an den Bike Days in Solothurn übrig blieben. Ich wollte aber unbedingt an den Ort der Idee mit einem fertigen Rad und einem fertigen Konzept zurückkehren.

Nach so viel Arbeit für das eigene Signature-Bike dürfen die Testfahrten ruhig Spaß machen.
Nach so viel Arbeit für das eigene Signature-Bike dürfen die Testfahrten ruhig Spaß machen.

Nach einigen Nachtschichten hinter dem Bildschirm und anschließenden Expressbestellungen beim Drucker, schafften wir es, alles (OK fast alles) vor der Messe fertigzustellen.

Fährt gut, fliegt gut: Adrian Kieners Bergamont Contrail_AK
Fährt gut, fliegt gut: Adrian Kieners Bergamont Contrail_AK

Mittlerweile bin ich einige Rides auf meinem Bike gefahren und ich darf stolz sagen, dass alle Anbauteile welche ich bestellt habe, perfekt ans Bike passen. Das Endprodukt ist der Hammer, genau so wie ich es mir gewünscht habe!
Ich bedanke mich bei allen, die in irgend einer Form mitwirkten und dazu beigetragen haben, dass das CONTRAIL_AK so geil geworden ist!

Das Bike war von Anfang an das Ziel. Mit der ‚fatalen‘ Ansage von Bergamont, alles selbst in die Hand nehmen und projektieren zu müssen, wurde der im letzten Jahr zurückgelegte Weg für mich und meine kleine Agentur aber gleichzeitig auch einer der lehrreichsten Abschnitte meiner Sportler- und Berufs- tätigkeit. Konzepte, Budgets, Timelines, Meetings, Follow-ups haben neue Dimensionen angenommen. Auch wenn ich nach wie vor am liebsten auf dem Bike sitze bin ich ein Stück näher und tiefer an der Bikewelt dran als noch vor einem Jahr. Wir werden sehen, was noch alles kommt!

Mehr Informationen über das Bike gibt es unter bergamont.ch.

Text: Adrian Kiener Bilder: Hoshi Yoshida


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