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Eines der vermutlich meist begehrtesten Bikes 2013 ist das Specialized Enduro Expert 29, das wir diese Saison ordentlich an seine Grenzen bringen werden, oder es zumindest versuchen. Wie die S-works-Variante kommt das Expert mit Carbon-Hauptrahmen und Fox-Fahrwerk. Während die S-Works Variante mit 7.999 Euro ordentlich zu Buche schlägt, dafür aber mit Roval-Carbon-Laufrädern, SRAM XX1 und unzähligen Highend-Parts die Creme-de-la-Creme bietet, ist die Expert-Variante etwas günstiger und im Prinzip auch interessanter für den Dauertest:

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Einerseits, weil es mit 5.300 Euro für eine größere Käuferschicht zugänglich ist und weil es mit 2-Fach-Kurbel, Alu-Laufrädern und weniger Leichtbau-Parts, welche die Fahrperformance eines Bikes grundsätzlich stark beeinflussen, ehrlicher sein wahres Gesicht zeigt. Nachdem wir das S-Works in Rumänien und in Bad Wildbad schon ausgiebig getestet hatten, wollten wir nun wissen, wie sich das rund 900 Gramm schwerere Expert schlägt.

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Hinterbauabstimmung leicht gemacht: Dank Auto-SAG geht die Einstellung des korrekten SAG im Handumdrehen. Einfach Dämpfer voll aufpumpen, dann in Fahrposition auf dem Rad stehen und (am besten durch einen Diener oder Gehilfen) das Auto-SAG-Ventil betätigen, bis keine Luft mehr herauskommt.

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Ich fuhr das Bike mit dem empfohlenen SAG, allerdings meist in dem Trail-Modus des CTD-Dämpfungsystems von Fox. Denn gerade in steilen Passagen sackt durch die sehr lineare Kennlinie die Front weg, was eine ungünstige, temporäre Geometrieverschiebung zur Folge hat, die viel Kraft kostet auszugleichen (abgesehen von den verminderten Reserven). Am Heck ein ähnliches Problem, versucht man aktiv abzuspringen oder lediglich einen Bunny-Hop auszuführen, dann bietet der Hinterbau zu wenig Support und sackt weg. Die Trail-Einstellung verbesserte die Situation um Welten! Allgemein sei jedoch gesagt, dass bei weniger aktiver Fahrweise der Descend-Modus den Federweg voll zur Verfügung stellt und bei normaler Fahrweise bergab vollkommen passt!

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Unerwartete Probleme gab es nach den ersten Fahrten mit der Fox. Die Dämpfung funktionierte nicht zuverlässig durch den vollen Federweg hindurch, was sich durch ein unangenehmes Klacken des Endanschlags bemerkbar machte, immer dann, wenn man die Front anhob (zum Wheelen vor der Eisdiele natürlich!).

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An der gesamten Konstruktion des Enduro 29 ist die Verwendung einer 2-fach-Kurbel sehr interessant. Den dies ist der Punkt, an dem die meisten anderen Hersteller scheitern: Genügend Platz für den Umwerfer zu schaffen. Bei Specialized wurde deshalb eine eigene Befestigungsplatte entworfen, die den Umwerfer aufnimmt und diesen gleichzeitig möglichst geschützt positioniert. Bis auf unsägliche Schlamm-Massaker sollte der Umwerfer so problemlos funktionieren und – da oberhalb der Kettenstrebe – auch nicht in ungewollten Kontakt mit einem zugesetzten Reifen treten.

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Wer einmal von der elf-fachen Einfachheit der SRAM XX1 verwöhnt wurde, wird sich mit 2×10 schwer wieder anfreunden können. Die Gangwechsel am Umwerfer benötigen eine gefühlte Ewigkeit und verlangen einiges an “Voraussicht”. Ehrlich gesagt, war ich anfangs zweifach überfordert: Überhaupt daran zu denken, dass sich an meiner linken Lenkerhälfte auch ein Schalthebel befindet und entsprechend die richtige Gangwahl “auszurechnen”, wenn man vorne schaltete und hinten auch nachziehen musste, bis die gewünschte Übersetzung wieder stimmte. OK, eigentlich gab es noch eine dritte Herausforderung, nämlich stets auf eine korrekte Kettenlinie zu achten!
Bei steilen Anstiegen freute ich mich auf das kleine Kettenblatt (22 Zähne) an der Front, so gelang es mir problemlos (trotz meiner aktuell schlechten Kondition) in Kombination mit dem massigen Grip der großen Laufräder einen steilen Anstieg zu erklimmen, den ich bis dato nur 1 Mal mit meinem alten 26-Zoll-Enduro mit 1×10 geschafft hatte. Wow! In der Ebene und bergab, war mir die Bandbreite mit dem “großen” 33er-Kettenblatt an der Front zu klein.

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Gamut-Bashguard und das untere Führungsröllchen sollen in Kombination mit dem Type-2-SRAM-X.0-Schaltwerk die Kette dort halten, wo sie sein soll. Und das taten sie auch!

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Reifenfreiheit ist selbst bei dem 2.3er Purgatory zur Genüge vorhanden!

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Beschleunigung und Grip gehen vollkommen in Ordnung. Dank der großen 29er Laufräder kommt man in Kurven fast nicht in den Grenzbereich und falls das Heck (oder gar die Front) in der Schräglage ausbricht, dann fängt es sich meist sofort wieder. Unglaublich! Butcher an der Front und Purgatory am Heck in 2.3 sind eine gute Kombination!

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Die Specialized Command Post IR Teleskop-Sattelstütze (in unserem Fall in der Stealth-Variante mit innverlegten Zügen) bietet 125mm Hub und ist über den Remote-Hebel (mit Kabelspanner) in 3 Positionen einstellbar: Tief, Mittel, Hoch.

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Das ist im Prinzip eine gute Sachen, aber auch gewöhnungsbedürftig (wenn man eine RockShox Reverb zum Beispiel zuvor gefahren ist). Warum? Die Sattelstütze kommt zwar sofort und schnell aus der versenkten Position herausgeschossen, aber manchmal bedarf etwas Zeit, bis diese in die hohe oder vor allem mittlere Position einrastet. Bei der Reverb bleibt die Stütze einfach an der Stelle, wo sie sich befindet, sobald man den Hebel loslässt – und das spart im Zweifelsfall wichtige Körner, wenn man sofort weiss, dass die Stütze fest ist, nachdem man den Hebel losgelassen hat.

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Der Hebel der Command Post hat eine hervorragende ergonomische Form (besser als Reverb!) und ist zudem noch etwas aufgerauht für schwitzige oder schlammige Bedigungen, bedarf jedoch etwas erhöhter Handkräfte zur Betätigung.

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Über das kleine Rädchen ist die Einstellung der Zugspannung der Command Post möglich, so lässt sich quasi die Hebelweite justieren, wann die Stütze ausfährt.

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Auf heimischem Gelände komme ich mir mit 155 Millimetern am Heck und 29-Zoll-Laufrädern etwas überdimensionert vor. So in etwa, wie wenn man mit einer Mercedes G-Klasse durch den Großstadtdschungel heizt und sich als Held rühmt, wenn man einer kleinen Bodenunebenheit ausgewichen ist! Macht aber nichts – denn Spaß macht es trotzdem!

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Die Agilität und Wendigkeit des Twentyniners ist beeindruckend. Die hervorragenden Eigenschaften verdankt das Specialized Enduro nicht zuletzt seinen mit 430mm enorm kurzen Kettenstreben und dem – für einen Twentyniner – enorm niedrigen Tretlager (335mm). Vorsicht jedoch beim Pedalieren – Gefahr des ungewollten Bodenkontakts!

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Im aktuellen Aufbau mit Shimano DX SPD Pedalen und Avid X.0-Trailbrakes anstatt der “Specialized” Custom Avid Elixir 7 SL Bremsen wiegt das Enduro Expert 29 aktuell 13.8 Kilogramm. Der Preis liegt bei 5.300 Euro.

Fazit: Das Enduro 29 bietet verdammt viel Bergab-Kapazitäten und schlägt sich dennoch unglaublich gut im Uphill! Ein wahrer Alleskönner eben.

Mehr Infos: www.Specialized.com

Foto: Patrick Sauter Text: Robin Schmitt


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Über den Autor

Robin Schmitt

Robin ist einer der zwei Verlagsgründer und Visionär mit Macher-Genen. Während er jetzt – im strammen Arbeitsalltag – jede freie Sekunde auf dem Bike genießt, war er früher bei Enduro-Rennen und ein paar Downhill-Weltcups erfolgreich auf Sekundenjagd. Nebenbei praktiziert er Kung-Fu und Zen-Meditation, spielt Cello oder mit seinem Hund (der eigentlich seiner Freundin gehört!), bereist fremde Länder und testet noch immer zahlreiche Bikes selbst. Progressive Ideen, neue Projekte und große Herausforderungen – Robin liebt es, Potenziale zu entdecken und Trends auf den Grund zu gehen.