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Ob es euch passt oder nicht, elektrische Mountainbikes sind fester Teil unseres Alltags geworden. Und sie haben sich von hässlichen, seltsam anmutenden Fahrrädern mit einem klobigen Block am Rahmen zu schicken und hochwertig ausgestatteten Bikes mit Motoren gemausert, deren Leistung wir uns noch vor wenigen Jahren nicht hätten vorstellen können. Die große Frage ist also: Was kommt als nächstes?

Was kommt als nächstes in der Welt der E-MTBs?
Was kommt als nächstes in der Welt der E-MTBs?

Wenn wir an die erste Generation von E-MTBs zurückdenken, kommen uns Bilder von abstoßenden Versuchsobjekten mit heraushängenden Drähten in den Kopf. Es waren schwere Bikes mit den billigsten Komponenten, extralangen Vorbauten, viel zu kurzen Oberrohren und einer Geometrie, die vielleicht zu einem XC-Bike aus den 90ern gepasst hätte. Aber die Zeiten ändern sich. 2014 verweigerten 48 % der ENDURO-Leser den E-MTBs ihre Daseinsberechtigung, im Jahr 2015 ist diese Zahl auf gerade mal 22 % geschrumpft. (Diese Werte entstammen unserer Leserumfrage.) Nächstes Jahr werden E-MTBs ihre eigene Rennklasse haben und die Entwicklung so noch weiter treiben.

Produkt Bilder DI.A 2016 E-Mountainbikes (3 von 4)

Im Rahmen des Design & Innovation Award 2016 bekamen wir einen kleinen Einblick in zwei verschiedene Zukunftsvisionen. Sowohl das Specialized Turbo Levo FSR Expert 6Fattie als auch das ROTWILD RX+ FS 27.5″ EVO 2016 haben diesen Sport auf ein neues Level gehoben, indem sie dicke Plus Sized-Reifen und integrierte Kabelführung verbinden mit Akkus und Motoren, die nahtlos mit dem Rahmen verschmelzen. Die größte Veränderung ist aber viel wichtiger, denn beide Bikes haben eine progressive Geometrie und High-End-Endurokomponenten, die sie weit von vorherigen E-MTBs abheben.

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DI.A-Jurymitglied Alex Thusbass, ein Pionier des E-MTB-Designs, erinnert sich: „Ich weiß noch, wie auf der EUROBIKE 2010 alle sagten: Was zur Hölle soll das sein? Unsere Konkurrenz kam zu unserem Stand und lachte uns richtiggehend aus. Das war bei den Kunden aber ganz anders: Manche setzten sich auf die Bikes, fuhren ein bisschen und merkten schnell, dass sie auch Spaß machen. Natürlich gab es im Lauf der Jahre einige Kontroversen zum Thema, weil die Bikes etwas ganz Neues waren. Aber sie bestehen immer noch aus Mountainbike-Parts. Diese bekannten Teile verbanden sie mit der MTB-Szene, worüber sich manche Leute aufregten. Wenn man sich aber einen Ruck gibt und von Vergleichen mit Mountainbikes ablässt, kann man akzeptieren, dass sie etwas ganz Neues sind, dass sie Sinn ergeben.“

Produkt Bilder DI.A 2016 E-Mountainbikes (2 von 4)

Alex zufolge wissen viele noch nicht genug über E-MTBs und denken, sie ständen in Konkurrenz zu Bikes ohne Antrieb: „In den USA erleben wir einen großen Widerstand. Auf der diesjährigen Interbike kam dieser Kerl der IMBA (International Mountain Bike Association) zu uns und meinte: ‚Okay, ich hasse die Dinger, aber ich will mal eins gefahren haben, um mir eine eigene Meinung bilden zu können.‘ Gesagt, getan. Als er zurückkam, sagte er: ‚Tut mir leid, Jungs, jetzt verstehe ich es. Die Bikes sind zwar wie Mountainbikes, aber eben auch nicht. Sie sind etwas Neues, etwas anderes und vielleicht sollte ich meine Meinung noch mal überdenken.‘ Nun gut, er wird sich vermutlich keins kaufen, weil er ein Mountainbiker ist. Aber er hat verstanden, dass E-MTBs die normalen MTBs nicht verdrängen werden, das wird nicht passieren.“ Schließlich war diese Befürchtung schon einmal unbegründet, wie Alex erzählt: „Der beste Vergleich sind, finde ich, die ersten Motorräder Anfang des 20. Jahrhunderts. Sie sahen eigentlich aus wie Fahrräder mit Motoren und ein paar Jahre später war diese Ähnlichkeit restlos passé. Es würde wohl niemand auf die Idee kommen, eine Yamaha, Moto Guzzi oder Harley Davidson mit einem Fahrrad zu vergleichen, weil sich beide Techniken auf ihre Weise weiterentwickelt haben.“

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So ändert sich die öffentliche Meinung und nichts ändert sie so schnell wie die Beteiligung von berühmten Sportlern. Nachdem Elite-Rennfahrer wie Nico Vouilloz und Anne-Caroline Chausson E-MTBs zum Training und zum reinen Vergnügen nutzen, verschiebt sich das Meinungsbild von blanker Ablehnung zu Neugierde. 2016 wird es bei einigen Rennserien gesonderte E-MTB-Klassen geben, was diesen Meinungswechsel widerspiegelt. Die Relevanz davon wird man bei den Rennen vermutlich zu Anfang nicht ganz erkennen, gleiches galt aber auch für andere Formate wie DH beim XC oder die frühen Tage des Enduro.

Wir fragten DI.A-Jurymitglied und Bike-Ingenieur Ruben Torenbeek nach seiner Meinung zur sich ändernden Wahrnehmung von E-MTBs in der Rennszene. „Ich denke, ein E-MTB zu nehmen und damit dasselbe zu versuchen wie mit einem Mountainbike, ist der falsche Ansatz. Man muss das Bike nehmen und sehen, was damit möglich ist, um dann mit diesen Voraussetzungen ein Rennformat zu gestalten“, meint Ruben. „Momentan ist alles offen und wir müssen sehen, wo das hinführt. Ich glaube, dass die Leute es schon als Art des Radfahrens akzeptieren. Als ich in Holland gelebt habe, waren E-Bikes ein großes Ding für Rentner, inzwischen sind wir davon meilenweit entfernt. Natürlich gibt es immer noch die Hater, aber das gehört wohl einfach zu uns Menschen dazu. Genau, wie man eine gegnerische Fußballmannschaft erst mal schlechtmachen wird, weil es eben eine andere Mannschaft ist. Auch Rennradfahrer werden über Mountainbiker herziehen, oder XCler über DHler, aber all das findet auf einem humorvollen Level statt und wird hoffentlich auch immer so bleiben.“

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Warum sollte man E-MTBs also auf normale Mountainbike-Rennen beschränken, statt die einzigartigen Möglichkeiten der Motorunterstützung zu nutzen? Alex Thrubass kann sich eine andere Zukunft für E-basierte Rennen vorstellen: „Ich sehe so viele Möglichkeiten, wie es weiter gehen könnte, beispielsweise durch die E-DH-Bikes, die aggressive Abfahrten und Anstiege in einem Rennen erlauben. Man könnte Extreme-XC mit Runden-Formaten ausrichten oder auf der Straße etwas ganz Eigenes hochziehen. Dann gibt es da noch dieses Minenfeld Geschwindigkeitsbegrenzungen, was sich auf privatem Gelände vermutlich umgehen ließe.“ Genau wie Ruben wünscht sich auch Alex, dass die besondere Ausrichtung von E-MTBs stärker in den Mittelpunkt rückt: „Das Wichtigste an den neuen Formaten sollte sein, dass man das jeweilige Produkt im Fokus hat und daran denkt, dass E-MTBs bergauf die größten Vorteile bringen. Ich meine, eine der ersten Diskussionen drehte sich um ein E-DH-Bike, aber warum? Bei der Abfahrt ist der Motor eigentlich völlig überflüssig. Wenn man aber an ein Rennformat denkt, das eben nicht nur eine Abfahrt, sondern vielleicht ganz verschiedene Streckenabschnitte hat, darunter zum Beispiel auch technische Anstiege, dann nutzt man das Potenzial dieses Bikes perfekt aus. Wie ich schon sagte, wir müssen E-MTBs von den klassischen MTBs klar trennen, da sie nicht das Gleiche sind. Sie sind auch kein Motocross, es ist eben etwas dazwischen.“

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Was sagt uns das? Eins ist zumindest klar: Die Diskussion hat sich verschoben, von „Was sind das für Monstrositäten?“ zu „Was ist die Zukunft von E-MTBs und wie weit können sie uns tragen?“. Jede Debatte liefert neue Denkanstöße, die endlose Möglichkeiten und weitere Fragen hervorbringen. Ist es im Interesse der E-MTBs, wie traditionelle Bikes auszusehen, also wie etwas, das sie nicht sind? Oder sollten sie durch ihren eigenen Stil hervorstechen? Warum sollten E-MTBs mit MTB-Parts auskommen, sollten sie nicht eigene Schalt-, Brems- und Fahrwerkprodukte bekommen? Wie sieht es mit Handy- und GPS-Kompatibilität aus, Motor-Abschalt-Automatiken oder integrierter Beleuchtung? Mit genügend Saft ist so ziemlich alles denkbar.

Wir dürfen unsere Erfahrungen vom Mountainbiken nicht einfach stumpf auf E-MTBs übertragen. Sie sind etwas ganz anderes, sowohl was das Fahren und die Rennen als auch, was das Design und die Komponenten angeht. E-MTBs brauchen ein eigenständiges Selbstverständnis, um die Grenzen dessen verschieben zu können, was derzeit möglich ist – befreit von den Beschränkungen des konventionellen Bike-Designs.

Mehr über den Design & Innovation Award 2016

Text: Jim Buchanan Bilder: Cyril Charpin, Christoph Bayer


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