Die sieben Monate mit meinem Dauertestbike, dem Juliana Roubion, sind wie im Flug vergangen. Seine Entwickler halten es für die Speerspitze des weiblichen Mountainbikens und sagen, es wäre für jedes Enduro-Abenteuer bereit. Diese doch sehr gewagte Aussage hat mein Interesse geweckt, schließlich taugen die meisten Frauenbikes nicht unbedingt für steile Downhills oder Endurorennen. Ist das Juliana Roubion wirklich „das Eine“, das Must-have-Bike für weibliche Draufgänger?

Ist das Juliana Roubion wirklich „das Eine“, das Must-have-Bike für weibliche Draufgänger?
Ist das Juliana Roubion wirklich „das Eine“, das Must-have-Bike für weibliche Draufgänger?

Ich konnte mein Juliana Roubion im Oktober 2014 in Empfang nehmen. Das war perfekt, weil ich geplant hatte, ab Januar 2015 für drei Monate nach Neuseeland zu reisen, um dort ein paar bike-basierte Abenteuer zu erleben und am ersten Rennen der Enduro World Series teilzunehmen. Der erste Eindruck hat dann auch gleich bestätigt, dass ich mir das richtige Gerät für den Job ausgesucht hatte: Carbonrahmen, 27,5″ ENVE-Carbonlaufräder und ein 1×11 SRAM X01-Antrieb machen das Bike leicht, agil und steif. Zusammen mit 150 mm Federweg an Front und Heck, gebändigt durch eine RockShox PIKE und einen Cane Creek Double Barrel Air CS ist das Roubion bereit, über knackige Trails und technisch anspruchsvolles Terrain getrieben zu werden. Shimano XT-Bremsen mit IceTech-Scheiben halten die Geschwindigkeit dosierbar und verzögern zuverlässig, Kleinigkeiten wie der Juliana-Lenker, -Griffe und -Sattel runden das Paket ab. Das Bike sieht nach höchster Qualität aus und fühlt sich auch so an. Ein echter Hingucker.

Das ideale Bike für mich ist flach und tief, außerdem bevorzuge ich lange Bikes. Mit meinen 160 cm ist es allerdings nicht ohne, die momentan auf dem Markt befindlichen, richtig langen Bikes zu handeln! Das Roubion scheint, genau wie das Santa Cruz Bronson, ein verhältnismäßig langes Sitzrohr und ein kurzes Oberrohr zu haben, wenn man es mit anderen Rädern dieser Klasse vergleicht. Nach eingehender Überlegung habe ich mich entschlossen, das Roubion in „Medium“ zu fahren. Das Bike passt ganz gut, auch wenn ich zum perfekten Reach-Setup einen 35-mm-Vorbau montieren musste. Bei längeren Modellen wäre ich zu weit nach vorne gestreckt gewesen. Durch das hohe Sitzrohr konnte ich nichts Längeres als eine 125 mm-Reverb-Stütze verbauen. Als ich das erste Mal auf dem Bike saß, fragte ich mich, ob die Sitzrohrlänge mein Fahren beeinflussen würde. Ein Rahmen in Größe S hätte aber zu einer verkrampften, gedrungenen Position geführt.

 Als ich das erste Mal auf dem Bike saß, fragte ich mich, ob die Sitzrohrlänge mein Fahren beeinflussen würde.
Als ich das erste Mal auf dem Bike saß, fragte ich mich, ob die Sitzrohrlänge mein Fahren beeinflussen würde.

Das Roubion ist ein leiser und effizienter Kletterer – eine Eigenschaft, für die ich bei den 60 km des EWS-Rennens in Rotorua (Neuseeland) sehr dankbar war. Der steife Carbonrahmen harmoniert perfekt mit den ENVE-Carbonlaufrädern, was die Linienwahl bergauf wie bergab vereinfacht. Das Vollcarbon-Setup aus Rahmen und Laufrädern fand ich allerdings eher gewöhnungsbedürftig und es kam mir etwas zu direkt und unkomfortabel vor. Letztlich habe ich mit einem Aluminium-Laufradsatz experimentiert, der bei geringem Gewichtsnachteil für eine komfortablere Fahrt sorgte. Alles an einem Enduro aus Carbon zu fertigen ist wohl etwas zu viel des Guten und die Laufräder aus Aluminium haben mir gerade den rechten Grad an Flex geboten.

Das Roubion verleitet den Fahrer förmlich dazu, es über jede kleine Welle zu pushen und so mehr Geschwindigkeit aufzubauen. Die Beschleunigung scheint in der Tat die starke Seite des Roubion zu sein – jeder Tritt in die Pedale wird hier mit Vortrieb quittiert. Das geringe Gewicht macht das Roubion verspielt und leicht zu manövrieren, gerade für kleinere Fahrerinnen.

 Alles an einem Enduro aus Carbon zu fertigen ist wohl etwas zu viel des Guten und die Laufräder aus Aluminium haben mir gerade den rechten Grad an Flex geboten.
Alles an einem Enduro aus Carbon zu fertigen ist wohl etwas zu viel des Guten und die Laufräder aus Aluminium haben mir gerade den rechten Grad an Flex geboten.

Sobald es abwärts geht, schwankt die Leistung des Roubion aber etwas. Das Bike und sein Fahrwerk haben sich zwar agil und aktiv angefühlt, solange ich auf dem lehmigen und weichen Boden der britischen Wälder unterwegs war. Kaum bin ich aber über die rauen, felsigen Trails der französischen Alpen gefahren, hat sich das Bild geändert. Das Design des VPP-Hinterbaus (Virtual Pivot Point/Virtueller Drehpunkt) und dessen Anlenkung führen dazu, dass das Bike am Anfang des Federwegs eine starke Kettenlängung überwinden muss, bevor es seinen Federweg effektiv nutzt. Bei rauem Terrain gelingt es dadurch nicht, kleine Schläge sauber aufzunehmen. Außerdem unterliegt der asymmetrische Hinterbau gewissen Scherkräften. Zweimal habe ich den Cane Creek DB Air-Dämpfer eingesendet und beide Male wurden Kratzer auf der Innenseite des Zylinders festgestellt, die auf eine Verwindung des Hinterbaus hindeuteten. Da sich die Zeit mit meinem Dauertestbike dem Ende zuneigt, habe ich mit verschiedenen Dämpfern wie dem RockShox Monarch RL und dem Cane Creek DB Inline herumgespielt – ersterer ließ aber Einstellmöglichkeiten missen, um das Bike optimal auf den Fahrer anzupassen.

Ein Leben mit dem Roubion

Das Juliana ist ein hervorragend ausgestattetes Bikes, dem man seinen Preis von etwas über 9.000 € ansieht! Die ersten Testmonate habe ich es so belassen, wie es aus dem Karton kam, was mir reichlich Gelegenheit gab, es kennenzulernen. Schnell fanden sich aber Änderungen, die ich durchführen, und Komponenten, mit denen ich experimentieren wollte.

Der verbaute 70-mm-Vorbau war viel zu lang und wurde gegen einen 35 mm kurzen Hope AM/Freeride-Vorbau getauscht. Diese Veränderung war für mich obligatorisch und ich habe mich gefragt, wie ernst es Juliana angesichts dieses langen Vorbaus mit der Platzierung des Bikes im Endurosegment war. Der kürzere Vorbau ermöglicht schnellere Richtungswechsel und macht das Handling sofort deutlich direkter.

Da sich die Zeit mit meinem Dauertestbike dem Ende zuneigt, habe ich mit verschiedenen Dämpfern wie dem RockShox Monarch RL und dem Cane Creek DB Inline herumgespielt
Da sich die Zeit mit meinem Dauertestbike dem Ende zuneigt, habe ich mit verschiedenen Dämpfern wie dem RockShox Monarch RL und dem Cane Creek DB Inline herumgespielt.

Nachdem ich das Roubion den Winter lang auf Trails und Rennen gefahren war, fand ich den Lenkwinkel von 67° als zu steil und nicht ganz zeitgemäß. Um diesen Umstand zu beheben und dem Bike zu einer besseren Integration in die Reihe der Unisex-Mitbewerber zu verhelfen, habe ich einen Winkelsteuersatz von Works Components verbaut, der den Lenkwinkel um 1,5° auf etwa 65,5° verflachte. Das klang zumindest auf dem Papier mehr nach dem gewünschten Einsatzbereich. Der Radstand wurde etwas verlängert, das Tretlager minimal abgesenkt. Alle Faktoren halfen, die Ausgewogenheit und das Handling bei höheren Geschwindigkeiten zu verbessern, ohne die Vorteile beim Pedalieren merklich zu beeinflussen. Der Steuersatz blieb.

Das Roubion sah mit seinem Race Face Narrow-Wide-Kettenblatt mit 30 Zähnen und dem spinnenlosen Direct-Mount-System sehr minimalistisch und aufgeräumt aus. Beim Gedanken an die ruppigen neuseeländischen Trails bei der EWS habe ich aber doch lieber eine Mozartt HXR-Kettenführung samt Bash Guard montiert, um sicherzugehen, das alles an Ort und Stelle bleibt.

Ich habe doch lieber eine Mozartt HXR-Kettenführung samt Bash Guard montiert, um sicherzugehen, das alles an Ort und Stelle bleibt.
Ich habe doch lieber eine Mozartt HXR-Kettenführung samt Bash Guard montiert, um sicherzugehen, das alles an Ort und Stelle bleibt.

Das Roubin kam mit einem 720 mm breiten Lenker und dünnen Griffen, die zweifelsohne auf die kleineren Fahrerinnen ausgelegt waren, die bei einem frauenspezifischen Rad wohl das Gros der Kundschaft ausmachen. Aber selbst mit meinen 160 cm fand ich den Lenker zu schmal und die Griffe zu dünn. Fettere Griffe und ein 735 mm Deity T-Mo-Lenker haben meinen Handschmerzen ein Ende bereitet und ein deutlich bequemeres Cockpit geschaffen.

Sieben Monate sind vergangen und das Roubion hat seinen ersten Lagertausch hinter sich – etwas über der Zeit, wenn man bedenkt, wie viel ich mit den alten Lagern gefahren bin! Das zweite Set hält bisher seit drei Monaten.

Die vordere DT Swiss 240-Nabe dreht inzwischen auch schon auf dem zweiten Satz Lager, und das ohne eindringendes Wasser oder sonstwie geartete Misshandlungen.

Fettere Griffe und ein 735 mm Deity T-Mo-Lenker haben meinen Handschmerzen ein Ende bereitet und ein deutlich bequemeres Cockpit geschaffen.
Fettere Griffe und ein 735 mm Deity T-Mo-Lenker haben meinen Handschmerzen ein Ende bereitet und ein deutlich bequemeres Cockpit geschaffen.

Die Experimente mit Aluminium-Laufrädern sind erfolgreich gewesen und haben die dringend benötigte Flexibilität und ein spürbares Plus an Komfort gebracht. Die ENVE-Laufräder sind zweifelsohne leicht und präzise zu fahren, für mich aber einfach zu steif und unkomfortabel.

Der RaceFace-/SRAM-Antrieb hat sieben Monate gut durchgehalten, bis das Schaltwerk irgendwann den Dienst quittiert hat. Es wurde durch die neue Shimano XT-Gruppe ersetzt, die sich als gutaussehender und verlässlicher Ersatz erwiesen hat.

Der RaceFace-/SRAM-Antrieb hat sieben Monate gut durchgehalten, bis das Schaltwerk irgendwann den Dienst quittiert hat. Es wurde durch die neue Shimano XT-Gruppe ersetzt.
Der RaceFace-/SRAM-Antrieb hat sieben Monate gut durchgehalten, bis das Schaltwerk irgendwann den Dienst quittiert hat. Es wurde durch die neue Shimano XT-Gruppe ersetzt.

Fazit

Das Juliana Roubion ist ein sehr agiles Bike, das durch den steifen Carbonrahmen viel Feedback vermittelt. Das Bike fühlt sich auf den engen, weichen und wurzligen Trails in den Wäldern Großbritanniens wohl, stößt bei steilen, ruppigen Bedingungen aber an seine Grenzen. Hier kann es nicht mit der Laufruhe und Spurtreue anderer 9.000 € teurer Bikes mithalten. Hinsichtlich des Preises würden die von mir vorgenommen Änderungen wohl genauso eine Verbesserung darstellen wie beim Fahrverhalten.

Ich habe nach der Seele des Roubion gesucht und auch wenn ich weiß, dass Fahrräder so etwas eigentlich nicht besitzen, habe ich sie gefunden. Und zwar bei den Menschen, die das Bike fahren und lieben. Es gibt ein Gefühl der Zugehörigkeit unter den Fahrerinnen eines Juliana. Jede, die ich traf, war einzigartig, aber alle teilen die Liebe zum Biken und unterstützen sich, wann immer es nötig ist. Es ist kein Eliteclub, aber eine Verbindung, geschaffen durch die Wahl des Rads, das die Frauen auf den Trails zusammenbringt.

Mehr Informationen zum Rad gibt es auf julianabicycles.com

Text & Bilder: Rachael Gurney


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