Die To-Do-Liste eines passionierten Mountainbikers ist lang. Einmal mit Peaty abhängen, Traumtrails in den Alpen fahren, die Megavalanche mitfahren und ein Ausflug nach Whistler gehören ebenso dazu wie ein Hausbesuch bei manch bekannter Firma. Und da ist Hope natürlich ganz vorne mit dabei! Entsprechend gespannt war ich, als ich mich in den frühen Morgenstunden auf den zweieinhalbstündigen Weg dorthin machte.

Hope stamp their mark on the local landscape

Schon mein erster Besuch auf dem alten Hope-Firmengelände in den späten Neunzigern war beeindruckend, aber das Ganze fühlte sich damals noch wie eine reine Maschinenbaufirma an. Dieses Mal wird bereits bei unserer Ankunft auf dem riesigen Areal im Norden Englands klar, dass sich in der Zwischenzeit einiges verändert hat.

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Der eigentliche Grund für unseren Ausflug ist ein Vergleichstest aktueller Bremsenmodelle. Schließlich findet man nirgends sonst in England eine bessere Testumgebung als hier in Barnoldswick. Begleitet werde ich von unserem Dauertester und Vollblutingenieur Coop, der nicht minder gespannt ist als ich. Bei unserer Ankunft werden wir gleich von einer gut gelaunten Frau namens Rachael Walker in Empfang genommen. Eigentlich ist sie fürs Marketing zuständig, aber sie schafft es, allein mit ihrem gewinnbringenden Lächeln auch noch so manches marketingferne Problem zu lösen. Auf dem ersten Teil unserer Führung werden wir außerdem von Allan, einem der Manager und dem Bruder von Miteigentümer Ian Weatherill begleitet. Ian gehört quasi schon seit jeher zu Hope. Früher brachte er bei den Rennen unsere Bremsen wieder in Ordnung und war deshalb in der damals schillernden Downhillszene kein Unbekannter.

Er und Simon Sharp sind in den späten Achtzigern viel gemeinsam gefahren und die beiden waren es schließlich auch, die aufgrund ihrer schlechten Erfahrungen mit den damaligen Mountainbikebremsen damit anfingen, die weltweit ersten Scheibenbremsen für Fahrräder zu entwickeln. Was als Nebenbeschäftigung begann, entwickelte sich mit steigender Nachfrage zu einem Vollzeitjob und die beiden standen ziemlich bald vor der Herausforderung, ihre eigene Marke auf dem globalen Markt zu etablieren. Zwei Jahrzehnte später beschäftigt genau diese Marke über hundert Mitarbeiter. Und ein Ende des Wachstums ist noch längst nicht in Sicht.

[caption id="attachment_71507" align="aligncenter" width="780"] In der Eingangshalle kann man viele ältere Teile bewundern – Retroflash! In der Eingangshalle kann man viele ältere Teile bewundern – Retroflash!

Direkt beim Betreten des Eingangsbereichs im Erdgeschoss bietet sich ein überwältigendes Bild: Überall stehen historische Bikes und Prototypen von Kinderrädern herum, auch einen seltenen PACE-Downhiller und ein rares Cannondale gibt es zu sehen. Sogar alte Trailmotorräder kann man bewundern, alle in hervorragendem Zustand und aufgerüstet mit den verschiedensten Teilen aus der Hope-Produktionsgeschichte. Über eine Edelstahltreppe erreicht man schließlich eine Eingangshalle von beachtlicher Größe, dekoriert mit noch mehr Bikes, Klamotten, einer Übersicht über die aktuelle Produktpalette und natürlich einem überdimensionalen Weihnachtsbaum.

A kids bike Hope made as an experiment
Der Prototyp eines Hope-Kinderbikes
How trick is that!
Der Game’s Room – wie cool ist DAS denn?

Was mir in diesem Teil von Yorkshire immer wieder auffällt, ist die relaxte und freundliche Art seiner Bewohner. Bestes Beispiel dafür sind die Mitarbeiter von Hope, die wir jetzt kennenlernen, als wir Tür für Tür alle Arbeitsplätze abklappern – und in jedem Zimmer warmherzig und offen begrüßt werden. Im Vergleich zu unserem letzten Besuch ist die schiere Anzahl an Büros schon beeindruckend: Es gibt Konstruktionsbüros, Zeichenbüros (bei Hope fertigt man inzwischen alle Zeichnungen selbst an), dann natürlich die Marketingabteilung, ein eigenes Fotostudio … Bevor es nach unten in die Entwicklungsabteilung geht, trinken wir schnell noch eine Tasse Tee im Game’s Room – immerhin sind wir Briten, da gehört das dazu. Und der Abstecher lohnt sich: Hier gibt es nämlich nicht nur einen Pooltisch, der mit einem silbernen Tuch bespannt und mit Hope- Logo versehen ist, sondern auch noch einen Snookertisch in Originalgröße! Wie viele Leute haben so was schon in ihrem Teesalon!? Am anderen Ende des Zimmers steht das Wahnsinnsbike, mit dem Martyn Ashton in dem Video „Road Bike Party“ gefahren ist. Aber so beeindruckend das ist, in meine Bewunderung mischt sich unwiderruflich auch ein wenig Trauer. Es ist einfach unmöglich, bei diesem Anblick nicht an Ashtons Unfall 2013 zu denken.

Hope tour for Jim-015

Brake time!
Bremsscheiben

Wenn wir schon einmal hier sind, müssen wir natürlich unsere Chance nutzen und mit den beiden Inhabern von Hope plaudern. Und man merkt einfach: Die beiden lieben ihre Jobs und ihre Firma wirklich. Deshalb haben sie sich auch ganz bewusst dagegen entschieden, an irgendeinen gesichtslosen Megakonzern zu verkaufen und sich irgendwo in der Karibik auf ihren Gewinnen auszuruhen. Im Gegenteil: Man trifft sie zu jedem einzelnen Arbeitstag in der Firma an und sie gehen immer noch mit Leidenschaft dem Sport nach. Simon ist ein Racer durch und durch und wenn er von seinen Rennplänen für 2015 erzählt, gerät er geradezu ins Schwärmen. Ich bin ein paar Rennen mit ihm gefahren und ihr könnt mir glauben: Dieser Typ ist irre! Mit seinem Fahrkönnen und der Geschwindigkeit, die er vorlegt, markiert er in den höheren Altersklassen der Rennserien immer noch Bestzeiten am laufenden Band. Aber die Begeisterung der beiden Chefs ist nicht nur im Sport spürbar – ihre Ambition und Kreativität ist allgegenwärtig und schlägt sich unter anderem nieder in dem ein oder anderen Plan, den sie für Hope haben: Ian erzählt uns beispielsweise von ihrem Vorhaben, das Unternehmen um ein Velodrom zu erweitern und berichtet von ihrem Einstieg in die Carbonteilefertigung. Wow!

Checking the brake test results
Auswertung der Testergebnisse

NDer nächste Stopp unserer Tour ist draußen, wo gerade der vermutlich coolste Pumptrack überhaupt entsteht. Gebaut wurde das Prachtstück ursprünglich von einem Profifahrer und wird nun schon seit einigen Monaten von einem der Locals erweitert. Stolz und lachend erzählen uns die beiden Weatherhills dann auch, dass sie das geplante Budget für dieses Projekt schon längst um ein Vielfaches überschritten haben. Unmittelbar neben dem Pumptrack befindet sich eine Chillout-Area mit beeindruckendem Soundsystem, bequemen Sitzgelegenheiten und einem riesigen Sonnensegel. Alles hier ist vom Feinsten und spätestens jetzt ist klar, dass man bei Hope keine halben Sachen macht.

Hope tour for Jim-518 Hope tour for Jim-516

Irgendwann reißen wir uns dann aber doch wieder los und gehenzurück ins Gebäude, wo uns eine Führung durch den Produktionsbereich erwartet. Uns begleitet jetzt Sam Gibbs, der sich selbst gern mit einem Augenzwinkern als „Mädchen für alles“ bezeichnet. Hier im Produktionsbereich wimmelt es nur so von arbeitenden Menschen, die alle Teil des großen Hope-Puzzles sind. Es ist unglaublich, wie viele teure Maschinen es hier gibt, aber es ist Teil der Firmenphilosophie, einen Großteil der Gewinne in die Zukunft von Hope zu investieren. Und so stehen wir mittendrin in einem Meer von Maschinen, die auf Hochtouren laufen: Überall wird gebohrt, gesägt und gefräst und man erkennt an Coops breitem Grinsen, dass das hier für einen Ingenieur der Himmel sein muss.

Coop's very impressed as he talks to Sam
Coop (l.) im Fachgespräch mit Sam (r.), dem „Mädchen für alles“
now that's a busy desk!
Wenn das mal nicht nach Arbeit aussieht …

An allen Ecken und Enden stehen und liegen hier Teile und fertige Produkte herum und es scheint für wirklich alles einen Extra-Raum zu geben: Da ist zum Beispiel der Messraum, in dem die Endkontrolle der fertigen Produkte stattfindet und ein Raum, in dem ausschließlich Bikeparts anodisiert werden. Ein dritter Bereich ist nur da, um dort die Belastungstests durchzuführen. Dann gibt es natürlich noch ein Abteil, in dem Laufräder gebaut werden und wir schauen uns an, wie die maschinelle Vorfertigung einiger Exemplare funktioniert (übrigens werden alle Laufräder noch einmal von Hand gecheckt, ehe sie ausgeliefert werden). Wir dürfen in einem weiteren Zimmer die Bremsenentlüftungsanlage in voller Action erleben und kommen wieder runter in den nächsten, ziemlich ruhigen Raum, in dem die Garantiefälle abgewickelt werden. Danach sehen wir uns einen Bereich an, in dem ausschließlich Naben konstruiert werden und einen anderen, in dem Bremsscheiben ziemlich beeindruckend mithilfe eines Lasers geschnitten werden. Weiter geht es in die Halle, in der Lenker gebaut werden, danach zu dem Raum, wo sie Vorbauten machen und Steuersätze, Innenlager und Griffe und … meine Fresse, es ist echt fast zu viel, um das alles in sich aufzunehmen. Dass auch Coop ernsthaft beeindruckt ist, merkt man vor allem daran, dass er mit allen möglichen Mitarbeitern Fachgespräche anfängt, von denen ich kaum ein Wort verstehe. Deshalb darf er euch seine Eindrücke als Ingenieur jetzt auch einfach mal selbst erzählen.

In the destruction room, parts are tested beyond their limits
Hier werden Teile einem Belastungstest unterzogen
Design room
Designabteilung
Hope tour for Jim-512

„Als Ingenieur war ich von der Arbeitsweise bei Hope wirklich beeindruckt. Die meisten Hersteller stanzen ihre Bremsscheiben aus gewalztem Material, was zwar schneller und billiger ist, aber auch das Material mehr stresst. Dadurch verziehen oder verbiegen sich die Scheiben unter Belastung auch schneller. Um das zu vermeiden, schneidet man bei Hope die Scheiben mit einem Laser aus. Das verlängert zwar die Herstellungszeit, sorgt am Ende aber auch für das bessere Produkt. Ziemlich großartig fand ich auch, wie hier Bikeparts anodisiert werden. Hope erledigt alle nötigen Arbeitsschritte im eigenen Haus, um die volle Kontrolle darüber zu haben, wie lange die Teile in der Lauge bleiben. Außerdem werden viele Komponenten bewusst mit einer minimal höheren Toleranz gefertigt, damit sie nach der Anodisierung perfekt passen.“

Anodising dip
Eloxbad
Cranks
Kurbelarme
Hope tour for Jim-242

„Eine wichtige Rolle spielen bei Hope außerdem regelmäßige Inspektionen. Schließlich werden hier ziemlich viele Komponenten mit Lagersitzen gefertigt, da ist passgenaues Arbeiten unumgänglich. Damit sichergestellt ist, dass die Toleranz für Abweichungen nicht überschritten wurde, wird jedes gefertigte Teil nachkontrolliert. Eine solche Präzision lässt sich allerdings nicht allein mit modernsten Maschinen oder ausgeklügelten Prozessen erreichen, man braucht dafür auch das richtige Team. Denn das beste Qualitätsmanagement ist wirkungslos, wenn die Mitarbeiter nicht am selben Strang ziehen und ein ernsthaftes Interesse daran haben, ein gutes Produkt auf den Markt zu bringen. Und das ist bei Hope definitiv der Fall: Jeder einzelne Angestellte, den ich hier getroffen habe, steht hinter den Belangen der Firma. Sie alle arbeiten wirklich gerne für Hope und sind auf den guten Ruf ihres Arbeitgebers stolz. Eine derartige Einstellung findet man nur noch extrem selten bei englischen Firmen.“

Now that's big machinery
In der großen Fertigungshalle
Staff bikes everywhere
Mitarbeiterräder überall
The warranty room, they just seemed to be building more bikes in here!
Der Garantieraum, in dem es aussieht, als würden hier ausschließlich Bikes montiert

Kaum übersehbar ist die fast schon lächerlich große Armada neuer High-End-Bikes, die überall auf dem Firmengelände an den Wänden hängt und auf den Gängen steht. Auf Nachfrage verrät man uns, dass es etwa 150 dieser ominösen Räder gibt. Die meisten sind gekauft, einige werden von den jeweiligen Herstellern zur Verfügung gestellt, ein Großteil kommt hier bereits zerlegt an. Rahmen, Gabeln und Gangschaltungen werden nach ihrer Anlieferung von allen Aufklebern und Schriftzügen befreit, in Firmenfarben gehüllt und schließlich mit allen erdenklichen Teilen aus dem firmeneigenen Sortiment bestückt. Denn was Fahrräder angeht, gibt es bei Hope eine klare Firmenpolitik: Kein einziger Mitarbeiter soll sich ein Bike kaufen müssen. Jeder und jede erhält ein Firmenrad, das genau auf seine oder ihre Bedürfnisse abgestimmt ist und keine Wünsche offenlässt. Wie cool ist das denn, bitte?!

Hope tour for Jim-502
That's to be brake levers
Bremshebel-Rohlinge
Finished products
Das fertige Produkt

Zugegeben: In letzter Zeit war ich ziemlich pessimistisch, wenn vom Erfolg und Misserfolg der britischen Industrie die Rede war. Ich hatte das Gefühl, als sei der durchschnittliche englische Unternehmer durch immer neue EU-Verordnungen, Kosteneinsparungen und Fusionen mit gesichtslosen Großkonzernen am Ende seiner Kraft angekommen. Da half auch wirklich nicht, dass immer mehr Arbeiten nach Übersee ausgelagert wurden, wo die Arbeiter nicht von Beamten der Gesundheits- oder Sicherheitsaufsicht „gegängelt“ werden können. Für mich war es deshalb eigentlich nur noch eine Frage der Zeit, bis die „Dienst nach Vorschrift“- und Stechuhrmentalität auch auf die Ingenieursbetriebe und den Entwicklungszweig britischer Unternehmerkultur überschwappen musste – immerhin habe ich lange genug bei größeren Firmen gearbeitet, um mir das ziemlich lebhaft ausmalen zu können.
In diesem Kontext war der Besuch bei Hope wirklich Balsam für meine Seele. Hier konnte ich seit Langem endlich einmal wieder sehen, was passiert, wenn Menschen zusammenkommen, die ihren Job tatsächlich lieben und einen Sinn in dem sehen, was sie tun. Hier lässt sich unglaublich deutlich erkennen, welchen Effekt es auf Mitarbeiter hat, wenn sie ernstgenommen und unterstützt werden. Hier hat man ein gelebtes Stück Unternehmenskultur direkt vor der Nase – und das ist genau die Brise an frischem Wind, die ich so dringend gebraucht hatte.
Ich bin wirklich kein sehr patriotischer Typ. Aber nach meinem Besuch bei Hope war ich das erste Mal in einer verdammt langen Zeit wieder stolz, Brite zu sein.

Hope tour for Jim-282 Hope tour for Jim-165

Und nochmal ein fettes Dankeschön an Hope für die beeindruckende Führung, den feuchten Weihnachtsnightride und das tolle Essen!

www.hopetech.com

Text by Jim Buchanan & Andy Cooper Fotos: Trev Worsey & Jim Buchanan


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