„Du Opfer“ – das klingt nach Schulzeit, Pausenhof oder Straßengangs im Block. Und ja, es ist schön, ein Opfer zu haben: Ein kurzer Diss, eine abfällige Bemerkung und schon fühlt man sich selbst besser. Manchmal erwische ich mich selbst dabei …

Make love, not war.
Make love, not war.
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… und stelle verschämt fest: Ich bin gar nicht besser als die anderen. Dann erinnere ich mich daran, wie verdammt glücklich wir (ja, auch ihr, die gerade diese Zeilen lest!) sein sollten, dass wir unsere (Frei-)Zeit damit verbringen dürfen, über die Trails dieser Welt zu jagen und bei einem kühlen Craft-Beer oder kräftigem Espresso über Bikes zu philosophieren: Biken verbindet!

Zumindest behauptet das jeder, aber ist es wirklich so? Schaut man sich die Kommentare in diversen Foren an, so herrschen in dieser scheinbar toleranten Szene voller Leidenschaft Neid, Angst und übertriebener Ehrgeiz. Oder wie zur Hölle ist der Hass in Form vieler unangebrachter Kommentare zu erklären: E-Mountainbiker sind scheiße, Freerider lazy, Roadies schwul, sind doch eh alle gedopet … Warum? Vielleicht, weil man sich wie damals in der Schule besser fühlt, wenn man jemanden hat, auf den man einprügeln kann?

Wie damals gilt heute: Cooler sein als die anderen ist alles, oder? Hier die Stereotype:

Der Bikepark-Shredder

Pickup, Sonnenbrille, Energy-Drink im Halber-Liter-Format und ein dickes Bike – als Bikepark-Shredder hat man vor allem ein dickes Ego, dicke Eier und fühlt sich mindestens so stark wie Arnold Schwarzenegger nach dem Fitnessbuden-Besuch.Verständnis für die E-Mountainbiker, die mit Unterstützung den Berg hinauffahren? Natürlich nicht, die cheaten ja!

The park shredder...
Der Bikepark-Shredder…
Big bike, big ego?
Big bike, big ego?

Der Endurist

In lässigen, farblich perfekt aufeinander abgestimmten Outfits und einem (oder zwei) Bier in der Hand sinniert der Endurist mit seinen Kumpels über das nächste Porno-Teil am Bike oder die neue Bartfrisur. Good Life par excellence – und kein Verständnis für den XC-Fahrer in fieser Lycra-Montur: WARUM fährt man bloß so durch die Gegend?

The enduro rider...
Der Endurist…
No lycra to be seen here.
Hier findet man kein Lycra.

Der Rennradler

Mit rasierten Beinen und aerodynamischer Sitzposition sammelt der Rennradler seine Landstraßenkilometer und gibt mit dem Profi-Equipment zum Ausdruck: Würde ich nicht so viel arbeiten, würde ich die Tour de France mitfahren. Statt Schlammwälzen (wie die Mountainbiker) gilt der kurze Espresso-Stopp als höchste Belohnung.

The road rider...
Der Rennradfahrer…
Going further and faster than anyone.
Weiter und schneller als alle anderen.

Der E-Mountainbiker

Ja, und der E-Mountainbiker? Der hat einfach verdammt viel Spaß an der Sache und findet es geil, auf zwei Rädern Vollgas zu geben. Auch dann, wenn er die anderen merklich nervt: zum Beispiel, wenn er freihändig zwei sich quälende XC-Piloten am steilen Berg überholt.

E-Bikers receive a lot of flack.
E-Biker müssen sich vielem entgegenstellen.
But they're too buys focusing on going flat out to care.
Aber sie genießen ihre Zeit zu sehr, als das zu beachten.

Seid ehrlich: Auch wenn diese Beispiele weder Werbung für den Bikespirit noch für die Menschheit an sich sind, so hat jeder einen solchen Gedanken schon mal gehabt.
Und falls nicht, dann sicherlich den folgenden: Das teuerste Material und dann kann der Typ nicht mal fahren – Anfänger!

Ja, in unseren Köpfen ist jeder von uns ziemlich cool, einzigartig und vielleicht auch besser als die anderen. Aber mal im Ernst: Müssen wir das sein? Das Wichtigste ist doch, dass jeder seinen Spaß am Biken hat – weil man das weder in Geld noch in Disziplinen messen kann. Glück ist persönliche Zufriedenheit.

Und nachdem wir die unterschiedlichsten Bikes ausprobiert und sagenhafte Momente in den verschiedensten Disziplinen erlebt haben, können wir mit ziemlicher Zufriedenheit sagen: Am Ende des Tages sind wir alle gleich. Wir teilen dieselbe Leidenschaft, trinken Bier, hängen mit unseren Freunden ab und halten uns dabei für cool. Und vielleicht sind wir das. Vielleicht aber auch nicht. Fällt schließlich in eine ähnliche Kategorie wie die Tatsache, dass viele von sich selbst denken, sie hätten Sex wie Pamela Anderson, obwohl sie eben doch eher in der Amateurliga spielen. Also scheiß auf den Hass und genieß das Leben – dann bist du auch glücklich! Und dazu muss man nicht darauf schauen, was die anderen machen oder (nicht) können.

We are no better than anyone else.
Wir sind auch nicht besser als andere.
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Deshalb steht das ENDURO Mountainbike Magazine nicht für eine bestimmte Disziplin des Bikens – auch wenn manche das aufgrund unseres Namens vielleicht denken. Es steht für eine persönliche Einstellung. Im Kopf, auf dem Bike und im gesamten Leben. Wenn du mitmachen und gemeinsam großartige Dinge entdecken und erleben willst, bist du herzlich eingeladen. Aber hey, wir sind – nicht zuletzt mit Ausgabe #018 – alle schon erwachsen.

Wer also meint, er sei aufgrund seiner Skills, seines teuren Bikes oder seiner unermesslichen Erfahrung besser als die anderen: Bitte, das ist eure persönliche Entscheidung. Fakt ist, wir erschaffen Storys für weltoffene, respektvolle und coole Leser. Falls es (und das gibt es) Dinge zu diskutieren und kritisieren gibt, schickt uns Feedback, kommentiert und diskutiert, aber bitte mit Respekt für- und untereinander! Statt gegeneinander in den ideologischen Krieg zu ziehen, einfach nur, weil man nicht genau das mag, was die anderen mögen, sollten wir lieber gemeinsam den Spaß am Biken vermitteln und wertschätzen, dass unsere Community eigentlich verdammt positiv gestimmt ist.

In diesem Sinne: Share the love, don’t make war..

Dieser Artikel wurde ursprünglich in ENDURO Ausgabe #18 veröffentlicht.

Text: Robin Schmitt Bilder: Robin Schmitt, Christoph Bayer, Klaus Kneist


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Über den Autor

Robin Schmitt

Robin ist einer der zwei Verlagsgründer und Visionär mit Macher-Genen. Während er jetzt – im strammen Arbeitsalltag – jede freie Sekunde auf dem Bike genießt, war er früher bei Enduro-Rennen und ein paar Downhill-Weltcups erfolgreich auf Sekundenjagd. Nebenbei praktiziert er Kung-Fu und Zen-Meditation, spielt Cello oder mit seinem Hund (der eigentlich seiner Freundin gehört!), bereist fremde Länder und testet noch immer zahlreiche Bikes selbst. Progressive Ideen, neue Projekte und große Herausforderungen – Robin liebt es, Potenziale zu entdecken und Trends auf den Grund zu gehen.