Nicht kleckern, sondern klotzen: auf der Interbike 2015 stellt ALCHEMY mit dem Arktos sein erstes Fullsuspension überhaupt vor. Handmade in USA! Selbstbewusst bringt die Edelschmiede damit ein 150mm Trailbike auf den Markt – in Vollcarbon und ohne Vorläuferversion aus Aluminium. Das scheint ziemlich gewagt, doch man hat sich mit Dave Earle renommierte Unterstützung in Sachen Rahmendesign hinzugeholt. Eine interessante Kooperation.

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Edel und bildschön: das Arktos 150mm Trailbike ist das neustes Projekt der US-Carbonschmiede ALCHEMY.

Man muss schon genauer hinschauen, um ALCHEMY auf der reizüberfluteten Interbike 2015 ausfindig zu machen. Die kleine, ca. 10 Mann starke Boutiquemarke aus Denver, Colorado kommt ohne großen Messestand und Effekthascherei aus. Etwas versteckt, dafür persönlich und vor allem stolz präsentiert man das neuste Projekt: das top-ausgestattete Arktos aus Vollcarbon im pink-blauem Paintjob. Das 27.5 Zoll Trailbike mit 150mm Federweg macht mit seinem futuristischem, organisch wirkendem Rahmendesign einiges her. Innenverlegte Züge, keine störende Umwerferaufnahme und Boost 148mm Standard – Arktos scheint gerüstet für die Zukunft. Das insgesamt cleane Erscheinungsbild unterstreicht den modernen Designanspruch eindrucksvoll.

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Innenverlegte Züge für Schalt-, Brems- und Teleskopsattelstütze gehören zum guten Ton und sorgen für ein aufgeräumtes Erscheinungsbild.

Dass die Amerikaner Erfahrung mit Kohlefaserstoff und dessen Verarbeitung haben, ist seit Jahren aus dem Roadbereich bekannt. ALCHEMY hat bereits einige Preise für seine sündhaft teuren Carbon-Rennräder einheimsen können. Aber ein vollgefedertes Trailbike ist keine starre, superleichte Asphaltfeile – funktionierende Hinterbaukinematik und optimale Fahreigenschaften auf dem Trail fallen nicht vom Himmel. Zwar geht man beim Arktos nicht unbedingt neuen Wege, wenn es um die Geometrie eines modernen Trailbikes geht: mit einem Lenkwinkel von 66.5 Grad, einem Sitzwinkel von 73.5 Grad und ca. 438mm langen Kettenstreben scheint das Arktos bei Rahmengröße L Altbewährtem zu folgen. Auch der Reach ist mit 431mm eher konservativ.

Größe Small Medium Large X-Large
Sattelrohr 429mm 455mm 483mm 518mm
Oberrohr 585mm 600mm 615mm 635mm
Steuerrohr 100mm 110mm 115mm 130mm
Lenkwinkel 66,0° 66,5° 66,5° 67,0°
Stack 589mm 599mm 604mm 614mm
Reach 401mm 415mm 431mm 448mm
Sitzwinkel 73,5° 73,5° 73,5° 73,5°
Kettenstreben 430mm 438mm 438mm 438mm
Tretlagerhöhe (geschätzt) 346mm 346mm 346mm 346mm
Tretlagerabsenkung 10mm 10mm 10mm 10mm

Doch schaut man sich die Lenkwinkel genauer an, so fällt auf, dass diese mit zunehmender Größe schrittweise sogar steiler werden. Bietet der kleinste Rahmen in S noch 66 Grad so wird die XL Variante bereits mit 67 Grad ausgeliefert. Diese ungewohnte Logik soll das Uphillverhalten bei zunehmendem Reach positiv beeinflussen und geht auf keinen Geringeren als Erfolgskonstrukteur Dave Earle zurück. Der Entwickler zahlreicher preisgekrönter Rahmendesigns hatte bei der Konstruktion und Produktion von ALCHEMYs neustem Carbontraum maßgeblich die Finger im Spiel. Und dass schafft Vertrauen in das todschicke Arktos, auch wenn ALCHEMY sich zum ersten Mal überhaupt an ein komplexes Fullsuspension wagt.

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Die Anlenkung des ALCHEMY Arktos beruht auf zwei kurzen Umlenkhebeln, die im Prinzip wie ein VPP-Hinterbausystem funktionieren.

Kenner sehen nicht durch Zufall frappierende Ähnlichkeiten zu YETI’s Switch Infinity Technologie – einer Abwandlung des bewährten ‘Virtual Pivot Point’ (VPP) Hinterbaukonzepts und ebenfalls eines von Earles Geniestreichen. Für das Arktos lizensiert ALCHEMY Earles zweifache Kurzstreben-Platform exklusiv und erhält damit Zugriff auf ein angeblich pedaleffizientes und bremsaktives Hinterbaukonzept.

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Der zweite kurze Umlenkhebel überhalb des Tratlagerbereichs versteckt sich komplett im Rahmen.

Laut ALCHEMY verhält sich das Arktos jedoch nicht wie eine konventionelle VPP-Hinterbaukonstruktion: Die Federkennlinie des Arktos erinnert eher an den Verlauf einer Sinuskurve, daher wird die ALCHEMY Kinematik auch SINE genannt. Dem Rahmenbauer zufolge, arbeitet der Dämpfer im ersten Drittel des Federwegs degressiv, das Losbrechmoment des Luftdämpfers wird reduziert, das Federbein spricht feiner an. Ähnlich wie bei einer Negativfederkammer. Kleinere Unebenheiten können sensibler aufgenommen und bergauf bessere Traktion erzeugt werden als bei progressiv oder linear arbeitenden Hinterbaukonzepten.

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Die Hinterbaukennlinie des Arktos ist alles andere als Standard.

Im mittleren Federwegsbereich wechselt die Federkennlinie des Arktos dank SINE-Kinematik ihren Charakter und erzeugt ein progressives Federungsverhalten. Ideal, um stabil im Sag zu stehen und bei schnellen Kurven oder Anliegern nicht unkontrolliert durch den Federweg zu rauschen. Bei ca. 85% des Federwegs erzeugt SINE, im Gegensatz zu vielen VPP-Hinterbauten, erneut eine leicht degressive Federkennlinie, um den gesamten Federweg nutzbar zu machen und dem stark progressiven Dämpfungsverhalten von Luftdämpfern entgegenzuwirken. Damit soll ein gefühltes Durchschlagen ausbleiben, selbst bei aggressiver Fahrweise und harten Schlägen. Wir sind ziemlich gespannt, wie sich dieses Konzept bei einem ausgiebigen Test schlägt.

Das ALCHEMY mit dem Arktos ganz klar in der Topliga mitspielen will, macht nicht nur das aufwendige Hinterbaukonzept und die hochwertige Ausstattung des Messemodells deutlich. Allein das Rahmenkit soll bereits mit Standardlackierung und Fox Float X Dämpfer stolze 3.750 $ kosten. Ab 2016 sollen mehrere Komplettmodelle verfügbar sein und der Kunde darf gegen Aufpreis aus einer breiten Farbpalette seine individuelle Wunschlackierungen in Auftrag geben. Bei dieser Optik und derartig guten Genen werden sich sicherlich einige Liebhaber finden lassen.

Für mehr Infos zu ALCHEMY: http://www.alchemybicycles.com

Text: Steffen Gronegger Bilder: Mike Albright, ALCHEMY PR


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