Chris Porter, der Chef von Mojo Suspension, geht die Dinge immer etwas anders an. Weil er mit einem neugierigen Geist gesegnet glaubte Chris daran, dass man Bikes besser bauen kann und begab sich auf eine Reise, die ihn in die Extrembereiche der Geometrie führten. Statt der Konvention zu folgen, experimentierte er mit Daten, die normalerweise im DH World Cup zu finden sind und übertrug sie auf ein Trailbike – was zu einem Ergebnis führte, das mit allem Bekannten brach.

Während die Bikeindustrie zaghafte Schritte in Richtung einer längeren oder flacheren Geometrie unternahm, machte Chris einen Riesenschritt mit seinem exklusiven NICOLAI GeoMetron. Auch wenn die Daten für ein Downhillbike extrem waren, zielte Chris mit diesem Bike auf den normalen Trail-Fahrer ab. Aber funktioniert ein solch extremes Bike auf alltäglichen Trails?

The Nicolai Geometron looks purposeful in it's uniqueness
Das Nicolai GeoMetron wirkt in seiner Einzigartigkeit entschlossen.
Can 63.5 degrees really work on a trail bike?
Funktioniert ein Lenkwinkel von 63,5° an einem Trailbike wirklich?

Chris fuhr und experimentierte einige Jahren still und leise mit Bikes, die eine extreme Geometrie hatten, daraus entstand beispielsweise sein customized Mondraker Dune oder NICOLAI ION. Nach vielen Jahren des Testens auf lokalen Trails ist er nun zuversichtlich, bei einem Bike angelangt zu sein, das gut für jeden Fahrer funktioniert. Zusammen mit NICOLAI hat er einen exklusiven Rahmen mit seiner eigenen, sehr speziellen Geometrie herausgebracht: das GeoMetron. Dieses Bike „lang und flach“ zu nennen ist eine ziemliche Untertreibung und es hat sicherlich für einige Aufregung in der Bikeindustrie gesorgt. Auf dem Papier sehen die Zahlen nicht so aus, als würde das Bike außerhalb einer DH-Strecke viel Spaß bringen, aber vielleicht hat Chris ja Recht? Unsere Tester waren skeptisch, aber sehr interessiert, sie stürzten sich auf die Chance, das Bike zu testen – und sollten ihr blaues Wunder erleben!

Chris takes us through the finer points of his design
Chris erläutert uns die Details seines Designs.
Visionary or heretic, time will tell
Visionär oder Ketzer? Die Zeit wird es zeigen.

Das GeoMetron kommt in drei verschiedenen Größen: lang, länger und am längsten. Außerdem kann es in einer Vielzahl verschiedener Pakete erstanden werden, vom Solorahmen bis hin zum Komplettrad. Das Mojo-Team bietet einen vollen Testservice an, der es erlaubt, das Bike mit eigenem Lenker, Pedalen und Sattel nach einem kompletten Fahrwerkssetup mit dem eigenen Bike zu vergleichen. Diese Aufmerksamkeit ist natürlich nicht ganz billig und mit ca. 8.400 € ist das GeoMetron sicherlich kein günstiges Bike. Wir haben die Länger-Version (unsere Tester sind 173 cm und 178 cm groß) getestet, mit imposanten 500 mm Reach, 63,5° Lenkwinkel und steilen 77° Sitzwinkel – ziemlich einschüchternde Zahlen.

There's no hydroformed tubes to be found on the Geometron, Nicolai’s have more of an industrialist look.
Am GeoMetron gibt es keine hydroformed Rohrsätze, NICOLAIs tragen stets einen technischen Look.

Das Komplettbike hat eine beeindruckende Ausstattung: eine neue Hope-Kurbel, X2-Scheibenbremsen und ein kurzer 35-mm-Vorbau. Chris empfiehlt die Zweikolbenvariante statt der mit vier Kolben, da sie verlässlicher und berechenbarer ist. Mojo verbaut den Mavic Crossmax XL-Laufradsatz, der außerdem mit ihrem MP3-Nachrüstsatz ausgestattet ist. Da die Leute von Mojo die FOX-Spezialisten des Vereinigten Königreiches sind, wundert man sich nicht, eine Menge FOX-Komponenten am GeoMetron zu finden, darunter die D.O.S.S. Dropper-Stütze und die superleichtgängige 180-mm-FOX 36RC2. Das Bike gibt es außerdem mit ein paar optionalen Extras, zum Beispiel einem Extrasatz leichter Mavic Crossmax SL für große XC-Fahrer oder Marathons, was nur wieder die große Bandbreite dieses Bikes demonstriert.

Hope’s new crankset provides burly power
Die neue Hope-Kurbel garantiert einen strammen Antritt.
Fox’s Float X with the new Evol air can, the more downhill orientated shock the float X2 is available at no extra cost.
Der FOX FLOAT X mit der neuen EVOL-Luftkammer, der DH-orientiertere FLOAT X2 ist ohne Aufpreis verfügbar.
Hope’s 35mm stem and Renthal’s Fat Bar Light
Hopes 35-mm-Vorbau und der Fat Bar Light von Renthal.

Während des Setups erklärt Chris, warum ein kurzer Vorbau essenziell für die Körperhaltung ist und inwiefern ein flacherer Lenkwinkel in jeder Kurve zum Vorteil wird – sogar in den engsten! Der flache Winkel sorgt für einen sanfteren Bogen in der Kurve, bei steileren Bikes kann das Vorderrad unter dem Fahrer wegtauchen, was zum Verlust von Grip und Kontrolle führt. Stellt euch eine gerade Linie von der Mitte des Tretlagers zur Mitte des Lenkers vor – dies erachtet Chris als das wichtigste Maß für ein korrektes Setup. Chris verglich diese Linie des GeoMetron mit einem „konventionell“ großen Endurobike und zu unserer Überraschung war sie nahezu identisch. Das „normale“ Bike hatte allerdings einen Turm aus Spacern unterm Vorbau, der mit 60 mm Länge den kürzeren Reach ausgleichen musste.

Chris talks us through his thoughts on stem setup
Chris erläutert uns seine Ansichten zum Vorbau-Setup.
Many top riders value Chris's insight
Viele Topfahrer schätzen Chris’ einzigartige Erkenntnisse.
Loaded and ready to go
Beladen und bereit zum Aufbruch.

Das GeoMetron wird in einem Pro Setup-Package angeboten, bei dem Chris das Bike an die individuellen Bedürfnisse des Fahrers anpasst. Lenkwinkel, Tretlagerhöhe und sogar der Federweg können angepasst werden. Wenn der Fahrer hauptsächlich in felsigem Terrain fährt, empfiehlt Chris, das Tretlager anzuheben und kürzere Kurbeln verbauen, um den Freiraum zu vergrößern, bei schnellen Downhillstrecken würde er das Tretlager absenken und einen Dämpfer mit mehr Hub verbauen, der den Federweg erhöht. Bei nassen Bedingungen empfiehlt er, das Heck leicht zu erhöhen, umso mehr Gewicht in Richtung Lenker zu bekommen und gleichzeitig den Lenkwinkel minimal steiler zu machen. Chris betont, dass die Geometrie „das Zünglein an der Waage ist“, das beim Kampf gegen die Stoppuhr ständig getestet und überdacht werden muss.

Der SAG wurde nach einem kurzen Parkplatz-Setup auf 33 % am Heck und 25 % an der Front eingestellt. Dabei beobachtete Chris während ein paar Sprüngen die Balance des Bikes und passte die Kompression einige Male an, bis er mit der Haltung von Bike und Biker zufrieden war.

How would the long back end and huge wheelbase perform on the trails
Wie werden sich das lange Heck und der enorme Radstand auf den Trails anfühlen?

Die ersten Eindrücke des Bikes waren überraschend. „Sind das wirklich 63° Lenkwinkel?“, „Bist du sicher, dass der Reach so lang ist?“, „Die Gabel hat doch niemals 180 mm?“ Unsere Vorurteile waren schnell über Bord. Wir hatten ein riesen Kahn von Bike erwartet, aber das steile, nach vorn gerichtete Sitzrohr sorgte für eine angenehme Position auf dem Bike, das sich dadurch weder übermäßig lang oder schwerfällig in Kurven anfühlte. Auch die 180-mm-Gabel fühlte sich nicht wackelig oder extrem hoch an. Durch das tiefe Tretlager war es etwas schwerer, in einen Manual zu kommen, was aber mit etwas mehr Anstrengung gut kompensiert werden konnte.

Uphill

Wir fuhren nach Machen im südlichen Wales, nur einen Steinwurf vom Mojo-Hauptquartier entfernt, es regnete und wir wurden von einem langen, steilen, steinigen und schlüpfrigen Anstieg begrüßt. Wir erwarteten, schnell den Grip zu verlieren oder auf den kurzen, intensiven Anstiegen aufs Hinterrad zu kommen, doch das GeoMetron tat nichts davon. Der steile Sitzwinkel hielt das Gewicht des Fahrers weiter vorne als konventionelle Designs, was die Front daran hinderte, sich zu heben. Das gesamte Gewicht des Fahrers drückte auf das Hinterrad und sorgte so für die wichtige Traktion.

Climbing on the Geometron was a revelation
Der Uphill auf dem Geometron war eine Offenbarung.

Es war eine seltsame Erfahrung, die eine Umstellung des Fahrstils erforderte: Statt Geschwindigkeit mitzunehmen und hart auf den Pedalen zu hängen, musste man eher etwas langsamer machen und dabei langsam und stetig in die Pedale treten, wie ein Traktor.

Abfahrt

Mit der langen Geometrie war dieses Bike für die Abfahrt prädestiniert und enttäuschte uns dabei auch nicht. Auf Highspeed-Passagen lag es satt am Boden und war dank des langen Radstands immer unter Kontrolle. Das Fahrwerk ist progressiv und bot im rauen Terrain genug Reserven und ein exzellentes Ansprechen bei kleineren Hindernissen. Als der Trail langsamer und enger wurde, blieb das GeoMetron so beeindruckend wie zuvor, man saß gefühlt im Bike statt nur oben drauf und traf gewünschte Linien mit großer Präzision. Auch hier war eine leichte Änderung des Fahrstils vonnöten: etwas langsamer in die Kurven hinein, dafür schneller hinaus, eben eher so, wie man einen Downhiller fahren würde. Die Trails waren rutschig und trotz eines suboptimalen Hinterreifens fand das Bike ausreichend Grip.

Our short tester certainly not looking outstretched on the longer frame size.
Unser kleiner Tester sieht auf dem längeren Rahmen in keiner Weise gestreckt aus.
Hopping out of the corners with ease.
Aus Kurven herausspringen? Kein Problem.
Sending the rail tracks
Die Bahnschienen werden übersprungen.
The Geometron was incredibly playful
Das Geometron vermittelte ein unglaublich verspieltes Fahrgefühl.

Das GeoMetron hat 155 mm Federweg am Heck, die sich dank des progressiven Hinterbaus und dem FOX FLOAT X endlos anfühlten. Der Hinterbau wirkte mit den 180 mm der FOX 36 fantastisch ausbalanciert, dies sorgt für gutes Feedback und ständige Kontrolle. Das Bike fühlte sich verspielt an und es war eine Freude, es zu fahren. Unsere Tester nahmen jede Gelegenheit zum Abheben war, etwas, das sie nicht von einem solch langen Bike erwartet hätten. Das GeoMetron wird nicht so leicht wie andere High-End-Carbonbikes werden: Chris ist der Überzeugung, dass das zusätzliche Gewicht eine Unterstützung auf raueren Trails sein und zum satten Gefühl auf der Strecke beitragen wird. Wir müssten allerdings auch mehrere Tagestouren machen, um sagen zu können, ob das Bike letztlich zu schwer sein könnte. Da wir nur begrenzt Zeit auf dem Bike hatten, und das auf uns unbekannten Trails bei schlüpfrigen Bedingungen, können wir keine richtig deutlichen Schlüsse ziehen. Ist es schneller als ein konventionelles Endurobike? Die Jury ist sich da noch etwas uneinig, wir hoffen allerdings darauf, das GeoMetron noch einmal auf unseren Hometrails fahren zu dürfen, um eine Antwort auf diese Frage zu finden.

Fazit

Das GeoMetron ist wie der Schwergewichtsboxer Muhammad Ali: Es ist groß, schwer und einschüchternd – aber höllisch flink. Schaut man nur aufs Papier, sagt die „Erfahrung“, dass es nicht funktionieren dürfte, weil es zu lang, zu flach ist – aber das GeoMetron gleitet wie ein Schmetterling. Hier steckt weitaus mehr drin als nur ein flacher Lenkwinkel und unsere Tester waren von der Gewandtheit des Bikes überrascht. Dies ist eins der aufregendsten Bikes zur Zeit und wenn Chris Porter es richtig macht, machen alle anderen es anscheinend falsch!

Mehr Infos zum GeoMetron gibt es auf mojo.co.uk.

Text: Andrew Cooper Bilder: Trev Worsey


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