Dicke 3.0”-Reifen, 120 mm Federweg an der Front und eine aggressive, vielversprechende Geometrie – mit dem neuen Fuse will Specialized ein Trailbike geschaffen haben, das neue Maßstäbe setzt. Das Comeback des Hardtails?

ENDURO - DJ Laurenz dreht nicht nur gern die Turntables bei unserer ENDURO Trail Party (https://enduro-mtb.com/photo-essay-die-highlights-der-ersten-enduro-trailparty/), sondern lässt die Räder auch mit Vollgas kreisen. Hier prügelt er das neue Fuse Expert den technisch anspruchsvollen 4G-Trail in Latsch hinab ...
ENDURO – DJ Laurenz dreht nicht nur gern die Turntables bei unserer ENDURO Trail Party, sondern lässt auch die Räder mit Vollgas kreisen. Hier prügelt er das neue Fuse Expert den technisch anspruchsvollen 4G-Trail in Latsch hinab …

Ohne Gnade testeten wir das Specialized Fuse Expert auf anspruchsvollen Trails in den Alpen und auf unseren Hometrails. Wer die Trails rund um Latsch in Südtirol kennt, der weiß, dass Vielfalt dort großgeschrieben wird. Von schnellen, flowigen Sektionen über Wurzelteppiche und verblockte Steilhänge bis hin zu knackigen Gegenanstiegen – Latsch bietet optimale Strecken, um Bike und Fahrer an die Grenzen zu bringen. Auch die teilweise etwas feuchteren Bedingungen taten dem Test keinen Abbruch, sondern ermöglichten einen weiteren Testaspekt.

Rahmen und Ausstattung

Die Eckdaten des aus Aluminium gefertigten Rahmens wurde sehr modern und abfahrtsorientiert konzipiert. Einen 67° flachen Lenkwinkel, 430 mm kurze Kettenstreben, 1.165 mm Radstand
(in Größe L) kombiniert mit der 120 mm Federweg bietenden Manitou Magnum-Gabel liest man im Hardtailbereich recht selten. Die Frage wo man das Fuse denn fahren soll, ist damit umso klarer: Trails, Trails und noch mal Trails!

Im Hinterbau findet mit der Specialized Stout XC Pro 148-Nabe der neue Boost-Standard Verwendung – um so Platz für den verbauten 3.0” breiten Plus-Reifen zu schaffen. Ein Highlight des Hinterbaus ist die geteilte Kettenstrebe, wodurch mehr Platz für das Kettenblatt gewonnen und ein kompakterer Hinterbau erreicht werden konnte. Das Resultat: 430 mm kurze Kettenstreben. Das Fuse Expert kommt für 2.099€ in die Läden, das Comp Modell für 1.699€.

Einziges Federelement an diesem Trailbike: Die Manitou Magnum Federgabel mit 120 mm Federweg. Die TranzX YSP03 Sattelstütze mit 120 mm Verstellweg sorgt dafür, dass der Sattel nicht im Weg ist wenn gehämmert wird.
Einziges Federelement an diesem Trailbike: Die Manitou Magnum-Federgabel mit 120 mm Federweg. Die TranzX YSP03-Sattelstütze mit 120 mm Verstellweg sorgt dafür, dass der Sattel nicht im Weg ist wenn gehämmert wird.
1x10 Setup: Specialized Stout Kurbel, SRAM GX Schaltwerk und Custom Sunrace Kassette mit extra weiter Bandbreite. Noch viel wichtiger ist hier allerdings: Die geteilte Kettenstrebe, um einen so kompakten Hinterbau zu ermöglichen.
1×10 Setup: Specialized Stout-Kurbel, SRAM GX-Schaltwerk und Custom Sunrace-Kassette mit extra weiter Bandbreite. Noch viel wichtiger ist hier allerdings: Die geteilte Kettenstrebe, um einen so kompakten Hinterbau zu ermöglichen.
Die 27,5 x 3,0” breiten Specialized 6Fattie Ground Control Reifen des Fuse …
Die 27,5 x 3,0” breiten Specialized 6Fattie Ground Control-Reifen des Fuse …
… sitzen auf WTB Scraper Felgen, die ihr Maul mit einer Innenweite von 45 mm ganz schön weit aufreißen. Ob die Kombination mit dem 3.0” breiten Specialized Ground Control Reifen aufgeht?
… sitzen auf WTB Scraper-Felgen, die ihr Maul mit einer Innenweite von 45 mm ganz schön weit aufreißen. Ob die Kombination mit dem 3.0” breiten Specialized Ground Control-Reifen aufgeht?
Für die nötige Verzögerung während der Abfahrt sorgen die neuen SRAM Guide Bremsen.
Für die nötige Verzögerung während der Abfahrt sorgen die neuen SRAM Guide-Bremsen.
… Einen Gang runter schalten für den Gegenanstieg kann man mit Hilfe der X9 Schaltung. Ansonsten heißt es Vollgas! Das aufgeräumte Cockpit mit 60 mm kurzem Vorbau und 740 mm breitem Lenker sorgt für Kontrolle!
Einen Gang runter schalten für den Gegenanstieg kann man mithilfe der X9-Schaltung. Ansonsten heißt es Vollgas! Das aufgeräumte Cockpit mit 60 mm kurzem Vorbau und 740 mm breitem Lenker sorgt für Kontrolle!

Geometrie

Geo Fuse
... auch auf rutschigen Wurzeln und Steinen macht sich die wesentlich bessere Traktion durch die enorm breite Auflagefläche der 6Fattie Reifen bemerkbar.
Laurenz hämmert das Fuse durch nasse Steinfelder in Latsch. Feuchte Untergründe, rutschige, lose Böden? Kein Problem mit den 6Fattie Reifen.

Fahreigenschaften

Bereits beim Aufsitzen merkt man: Dieses Hardtail ist anders. Großvolumige 3.0” breite Reifen warten hungrig auf anspruchsvolles Gelände. Doch dazu müssen die 6Fatties erst einmal den Berg hinauf bugsiert werden. Bei einem Gewicht von 13,9 kg (Testrad Größe L, Körpergröße 1,85 m) ist das Fuse sicherlich keine Bergziege, schlägt sich aber tapfer. Der vermutete höhere Rollwiderstand fiel geringer aus als erwartet. Das relativ niedrige Profil der Reifen und der, an 29”-Verhältnisse heranreichende, Außenradius sorgten für ausreichend Kompensation. Somit ließen sich auch Tretstücke und Gegenanstiege gut bewältigen. Besonders in steilen Anstiegen mit losen Untergründen begeistert das Fuse mit Monster-Traktion.

Die ohnehin schon langhubige Manitou Magnum Federgabel vermittelte das Gefühl von mehr Federweg. Über anfängliche Probleme mit der, gelinde ausgedrückt, komplexen Steckachse, lässt sich dabei hinwegsehen.
Die ohnehin schon langhubige Manitou Magnum Federgabel vermittelte das Gefühl von mehr Federweg. Über anfängliche Probleme mit der, gelinde ausgedrückt, komplexen Steckachse, lässt sich dabei hinwegsehen.

Oben angekommen, heißt es: geschafft! Per Remote versenkt man die Teleskop-Sattelstütze und ist bereit für die Abfahrt.
Bei langsamen und verblockten Sektionen im Trail zeigt sich das Bike manövrierfreudig, nicht zuletzt aufgrund des kompakten Hinterbaus mit 430 mm kurzen Kettenstreben. Nach der ersten Abfahrt mussten wir nochmal gegenchecken, ob dieses Bike tatsächlich nur 120 mm Federweg an der Front besitzt. Verdammt! Wir konnten es kaum glauben wie viel Komfort und Traktion ein Hardtail (!) bieten kann. Hier spielen die 3.0” breiten Specialized 6Fattie Ground Control-Reifen ihre Stärken ganz klar aus (gefahrener Luftdruck: 1,2 bar bei 83 kg Kampfgewicht). Die augenscheinlich größere Auflagefläche und die vergrößerte Knautschzone sorgen für ein sehr deutliches Plus an Komfort und Traktion.

Der flache Lenkwinkel und die zentrale Position auf dem Bike freuen sich über eine aggressive Fahrweise und fordern den Fahrer geradezu heraus, mit dem Gelände zu spielen.

Das Fuse kommt sehr gut mit weichen oder feuchten Untergründen klar ...
Die große Auflagefläche der Reifen bietet enorme Traktion! Wir sind begeistert!

Das Plus an Grip wurde vor allem in offenen, teils schottrigen Kurven spürbar. Driften oder drohender Gripverlust? Fehlanzeige! Wir konnten es kaum glauben (und ihr vermutlich auch nicht), aber hier hatten wir das Gefühl durch einen sauberen Anlieger zu fahren. Nur, dass es statt eines Anliegers eine offene Kurve mit losem Schotter war!

Gut zu erkennen: Die großvolumigen 6Fattie Reifen überollen kleinere Kanten einfach, während Traktion und Kontrolle weiterhin vorhanden bleiben.
Gut zu erkennen: Die großvolumigen 6Fattie-Reifen überollen kleinere Kanten einfach, während Traktion und Kontrolle weiterhin vorhanden bleiben.

Selbst bei Highspeed in technischem Terrain begeistert das Fuse mit überraschend viel Souveränität und Kontrolle. Ok – dass die Reifen viel Grip bieten und das Gelände in Monstertruck-Manier überrollen haben wir bereits festgestellt. Doch ein Problem, mit dem wir uns in unserem ersten ausführlichen Plus-Reifen Test in Südfrankreich bereits auseinander gesetzt hatten, wurde spürbar verbessert: Das Walkverhalten.

Specialized liefert das Fuse mit 45 mm breiten WTB Scraper-Felgen aus, auf denen die 3.0” breiten 6Fatties sitzen. Im Vergleich zum damaligen Test des selben Reifens auf Specialized Roval Traverse SL Fattie-Laufrädern (Felgen-Innenbreite 30 mm) macht dies einen gewaltigen Unterschied. Die Reifen weisen so gut wie kein Walkverhalten auf und sitzen super stabil auf der Felge. Die breiten Felgen stützen die Seitenwände der breiten Plus-Reifen gut ab, was sich besonders in Schräglage oder bei starker Kompression spürbar macht. Dies steigert das Vertrauen in die breiten Reifen und deren positiven Eigenschaften ungemein. Das Resultat: mehr Komfort und mehr Fahrspaß!

to fuse [fju:z] - verschmelzen, fusionieren, vereinigen …
to fuse [fju:z] – verschmelzen, fusionieren, vereinigen …

Außerdem bemerkbar machte sich die hohe Absorptionsfreudigkeit der großvolumigen Reifen. Vibrationen, leichte Schläge und kleine Kanten sind weniger spürbar. Wenn es allerdings härter wird und die Schläge in sehr schneller Abfolge passieren, kommt die Eigendämpfung an ihre Grenzen. So war ein leicht Flummi-haftes Verhalten bei Highspeed zu verzeichnen, dem man entweder mit Fahrkönnen oder eben der Anpassung der Geschwindigkeit entgegen wirkt. Im Verlaufe unserer Testfahrten hatten wir außerdem mit zwei Durchschlägen und daraus resultierenden Plattfüßen zu kämpfen. Diese ließen sich glücklicherweise flicken, da die mitgeführten 29”-Schläuche entgegen unserer Annahme den Reifen nicht richtig in die Felgenhörner zurückdrücken konnten. Ob die Durchschlagsproblematik nur eine Sache des richtigen Luftdrucks ist oder schlichtweg etwas womit man zum jetzigen Zeitpunkt noch leben muss, wird sich in Zukunft zeigen.

… Mit der neuen Plus-Größe rücken Spaß und Komfort von fetten Reifen und die Performance von normal breiten Reifen näher zusammen.
Mit der neuen Plus-Größe rücken Spaß und Komfort von fetten Reifen und die Performance von normal breiten Reifen näher zusammen.

Fazit

Wer auf der Suche nach einem effizienten Hardtail für Bergauf-Qualen ist, wird hier enttäuscht. Das Fuse richtet sich mit seiner aggressiven Geometrie und den Plus-Reifen an Trailbiker, die ein simples wie spaßiges Hardtail für alle Fälle suchen. Hier steht nicht die Effizienz oder das Gewicht im Vordergrund, sondern Traktion, Sicherheit und Abfahrtsqualitäten. Absolute Kaufempfehlung für alle, die ein simples aber potentes Bike suchen!

Text: Laurenz Utech Bilder: Christoph Bayer & Sebastian Hermann


Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als ENDURO-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, das die Mountainbike-Welt auch weiter ein kostenloses und unabhängiges Leitmedium hat. Jetzt Supporter werden!