XC-Racebikes waren schon immer etwas für eine sehr spezielle Zielgruppe. Durch ihre Geometrie mit den steilen Winkeln sind sie kompromisslos auf Effizienz ausgelegt und lassen jeglichen Ansatz von Spaß und Komfort vermissen. Ebenso kompromisslos gehen auch deren Fahrer zu Werke, die mit eisernen Lungen das letzte Watt aus ihren muskelbepackten, glatt rasierten Beinen quetschen. Doch umso erstaunter waren wir, als wir uns kürzlich auf den Weg in die Niederlande machten, wo Trek die neuen Modelle der XC-Renner Top Fuel und Procaliber vorstellte. Was wir dort zu sehen bekamen, war eine Mischung aus XC- und Trailbikes, die uns vor allem eines vermittelten: jede Menge Fahrspaß.

Für das kommende Modelljahr hat man bei Trek das Line-up der XC-Racebikes komplett überarbeitet und in diesem Zuge zwei neue Versionen der allseits beliebten Modelle Top Fuel und Procaliber veröffentlicht. DasTop Fuel wurde von Grund auf überarbeitet und unter anderem mit einer neuen Dämpferplattform versehen. Damit soll es künftig das Superfly FS als Flaggschiff der XC-Fullys ablösen. Das neue Procaliber ist ein superleichtes Hardtail, das ebenso mit zahlreichen Neuerungen aufwarten kann, welche ein deutliches Plus an Effizienz, aber auch an Komfort versprechen.

The new Top Fuel 9.8 SL, weighing just 11.06kg (size 19.5) is a featherweight trail missile
Das neue Top Fuel 9.8 SL wiegt bei einer Rahmenhöhe von 19,5″ nur 11,06 kg.

Trek liefert die Bikes abhängig von ihrer Rahmenhöhe mit unterschiedlichen Laufradgrößen aus. Das sogenannte Smart Wheel Sizing betrifft aber nur die kleinsten Rahmen mit einer Rahmenhöhe von 15,5″. Sie kommen mit 27,5″- anstatt der bei allen anderen Größen verbauten 29″-Räder in den Handel. An allen Laufrädern kommen aber die neuen Nabenstandards Boost 110 (vorne) und Boost 148 (hinten) zum Einsatz. Durch diese wird laut Trek die Stabilität deutlich erhöht und der Einsatz extrem kurzer Kettenstreben (433 mm am Top Fuel bzw. 435 mm am Procaliber) bei dennoch guter Reifenfreiheit ermöglicht. Neu ist auch die Geometrie, kurz G2 genannt, die in Kombination mit einem Gabeloffset von 51 mm das Handling der Bikes entscheidend verbessern soll.

Gut durchdacht wirkt auch das neue Prinzip der Zuginnenverlegung, das den lustigen Namen Control Freak trägt. Es verspricht eine saubere, getrennte und vor allem leise Führung der Züge und Leitungen an Ein- und Auslass und ist auch für Remotesattelstützen geeignet.

Top Fuel

Das neue Top Fuel ist ein XC-Geschoss mit 100 mm Federweg, das nun den Spagat zwischen reinrassigem Race-Fully und schnellem Trailbike versucht. Mit zahlreichen Neuerungen versehen soll es künftig das Superfly FS ablösen. So erhält es nun den aus anderen Modellen bereits bekannten Evo Link-Hinterbau, der nicht nur eine erhöhte Steifigkeit bringt, sondern auch eine schwimmende Lagerung des Dämpfers ermöglicht. Dadurch wird das Losbrechmoment auf ein Minimum reduziert und der verbaute Dämpfer kann nun noch feiner auf die Kinematik des Hinterbaus abgestimmt werden. Mit dem Evo-Link hält zudem auch das ebenfalls bekannte ABP-Prinzip im Fahrwerk des Fuel EX Einzug, das die Federung selbst bei harschen Bremsmanövern wirkungsvoll aktiv hält.

The suspension platform utilises Trek's excellent ABP pivot to provide suspension under braking
TUm den Hinterbau auch während des Bremsens agil und feinfühlig zu halten, kommt die bewährte ABP-Konstruktion zum Einsatz.
The full floating shock is driven from both ends
Der schwimmend gelagerte Dämpfer wird von beiden Seiten angelenkt.
A remote lock out, stiffens out the fork and shock in unison, providing maximum acceleration
Über einen Remotehebel können sowohl Gabel als auch Dämpfer gleichzeitig blockiert werden. Dadurch verbessert sich der Vortrieb spürbar.

Die Geometrie ist das, was man auf Neudeutsch race-ready nennt. Das wird von den Verstellmöglichkeiten über das so genannte Mino-Link nur noch weiter unterstützt.. Um ganze 0,9°, nämlich von kurvenfreundlichen 70,9° auf 70° und von 69,4° auf 68,5° ändern sich Lenk- bzw. Sitzwinkel, wenn man von “high“ auf „low“ umstellt. Die Sitzposition ist dank des langen Oberrohrs gestreckt, aber komfortabel, wobei der Schwerpunkt stets zentral über dem Tretlager bleibt und so maßgeblich zu den hervorragenden Klettereigenschaften des Top Fuel beiträgt. Bergab gibt sich das Trek laufruhig und spurtreu.

The Top Fuel is Trek's new top of the line XC race bike with a price to match
Das Top Fuel soll das bisherige Spitzenmodell der XC Race-Fullys aus dem Hause Trek ablösen. Dabei ist der Preis durchaus konkurrenzfähig.

TTrek bietet das Top Fuel in vier Ausstattungs- bzw. Preisvarianten an. Das Top Fuel 8 kommt mit Alurahmen und wird zum Preis von 2.999 € auch als Damenversion erhältlich sein. Ebenfalls aus Alu besteht der Rahmen des Top Fuel 9, das mit 3.999 € zu Buche schlägt. Die Carbonrahmenmodelle Top Fuel 9.8SL (hier im Test) sowie das Topmodell Top Fuel 9.9 SL kommen für 4.999 € bzw. 8.999 € in den Handel. Die genaue Spezifikation kann hier nachgelesen werden.

Procaliber

Auf den ersten Blick sieht das neue Procaliber nicht anders aus als ein gewöhnliches Hardtail. Bei näherem Hinsehen aber fällt dem aufmerksamen Betrachter im Bereich der Verbindung zwischen Ober- und Sitzrohr ein ungewöhnliches Bauteil ins Auge, das schon jetzt für allerhand Gesprächsstoff sorgt.

The new Procaliber is a 9.96 KG featherweight race hardtail with a unique surprise
Das neu Procaliber wiegt fahrfertig 9,96 kg und verfügt über eine interessante technische Neuerung.

Am Procaliber setzt Trek erstmalig die sogenannte IsoSpeed-Technik an einem Hardtail ein, wobei Ober- und Sitzrohr flexibel miteinander verbunden werden. Bislang fand man diese Entkopplungseinheit lediglich im Straßenbike Domane, wo sie aber viel positive Resonanz für sich verbuchen konnte. Da der Flex von ca. 11 mm einzig und allein im Sitzrohr stattfindet und nicht in den Kettenstreben, geht das Procaliber aber nach wie vor als reinrassiges Hardtail durch. Das Gute an diesem System ist, dass durch die 70 % höhere Flexibilität deutlich weniger Schläge zum Fahrer durchkommen, die Effizienz des Bikes dabei aber komplett erhalten bleibt.

The Isospeed Decoupler improved huge seat tube compliance for a more comfortable ride
Durch die IsoSpeed-Entkopplung von Sitz- und Oberrohr wirkt das Procaliber für ein Race-Hardtail fast schon komfortabel.
Both bikes feature the new Boost110m front axle
An beiden Modellen kommt der neue Boost-Nabenstandard zum Einsatz.
A Boost148 mm rear allows for a stiffer wheel and improved mud clearance while keeping the chainstays short
Der Boost 148-Standard hinten sorgt für extreme Laufradstabilität und erlaubt das Design sehr kurzer Kettenstreben mit großer Reifenfreiheit.
The cockpit is all XC
Das Cockpit ist sehr raceorientiert.

Das neue Procaliber ist ein High-End-XC-Racebike aus feinstem OCLV-Carbon. Dies schlägt sich leider auch im Kaufpreis nieder und so werden für die Modelle 9.7 SL, 9.8 SL und 9.9 SL entsprechend 2.999 €, 4.499 € bzw. 7.999 € fällig. Die genaue Spezifikation der einzelnen Ausstattungsvarianten kann hier nachgelesen werden.

Das Top Fuel 9.8 SL im Fahrtest

Unmittelbar nach dem Aufsitzen wird einem klar, dass man es hier mit einer reinrassigen Racemaschine zu tun hat. Mit seinen 100 mm Federweg und der sportlichen Geometrie ist das Top Fuel aber nicht nur unheimlich schnell und antriebsstark, sondern eignet sich auch als äußerst spaßiges Trailbike, wenn das Gelände nicht zu anspruchsvoll ist.

We were expecting a nervous and harsh race bike, what we found was a super fast fun machine
Wider Erwarten entpuppte sich das Top Fuel als superschnelles Spaßbike.

Fast schon brutal beschleunigt das Top Fuel aus den Kurven heraus und ehe man sich versieht, ist es auch schon wieder bereit, sich schwungvoll in die nächste zu werfen. Kurve – Sprint – Bremsen … Kurve – Sprint – Bremsen … Dazwischen den ein oder anderen Sprung – es könnte endlos so weitergehen. Schließlich macht dieses Bike mit seinen schlanken 11,06 kg auch in der Luft stets eine gute Figur. Mit ihm eröffnen sich ungeahnte Möglichkeiten und man hat das Gefühl, dass sich der Horizont mit jedem gefahrenen Meter spürbar erweitert.

The Top Fuel 9.8 carves corners like a true champ, just sit into the turn and enjoy the G-forces
Das Top Fuel 9.8 wirft sich in die Kurven, dass es eine wahre Freude ist. „Aufsitzen und genießen“ lautet die Devise!

Die kompakten Kettenstreben mit einer Länge von 433 mm geben dem Bike einen verspielten Charakter. Bleibt man zentral über dem Tretlager, fährt es mit chirurgischer Präzision die vorgegebene Linie. Wer es aber etwas spaßiger angehen will, muss lediglich das Hinterrad etwas entlasten und kann dann herrlich kontrolliert durch die Kurven driften. Besonders auf engen und verwinkelten Trails kann das Top Fuel jede Menge Spaß vermitteln. Dazu sorgt der relativ steile Lenkwinkel von 70° (70,9° in der steilen Einstellung) für ein messerscharfes Handling.

Das Fahrwerk wurde tendenziell eher raceorientiert straff als komfortabel abgestimmt, ist aber dennoch effizient genug, um grobe Schläge wirkungsvoll dämpfen und in Kurven viel Grip aufbauen zu können. Bei einer härteren Gangart durch verwurzeltes Gelände wird der Spaß etwas durch den langen 90-mm-Vorbau und dem 720 mm breiten Lenker aus OCLV-Carbon eingeschränkt, aber im Großen und Ganzen waren wir von den Fähigkeiten des Bikes doch sehr angetan.

Das Top Fuel 9.8 SL ist kompromisslos für maximale Performance auf Rennstrecken ausgelegt, doch auf den sanft gewellten niederländischen Trails lernten wir diese Rakete auch von ihrer spaßigen Seite kennen. Mit einem breiteren Lenker und einer Remotesattelstütze ist das Trek ein prima Bike für alle, deren Hometrails nicht gerade in schwierigstem Gelände liegen.

Das Procaliber 9.8 SL im Fahrtest

Das Procaliber ist noch deutlich raceorientierter als sein vollgefedertes Pendant. Federleicht und megasteif ist es einzig und allein darauf ausgelegt, jede kleinste Kurbelbewegung in Vortrieb umzusetzen. Dabei ist das Handling des nur 9,96 kg schweren Bikes messerscharf, extrem wendig, aber dennoch spurstabil.

The Procaliber still has the same uncompromising hardtail feel but has been refined
Das Procaliber wurde komplett überarbeitet. Aber noch immer ist es ein kompromissloses XC-Hardtail.
The Procaliber dives into turns and accelerates out like a startled cat
Handling und Beschleunigung des Procaliber sind überragend.

Über die Funktionsweise des IsoSpeed-Systems wurde im Vorfeld viel gerätselt. Dabei handelt es sich nicht, wie fälschlicherweise oft vermutet, um eine Federung, das System gestattet dem Sitzrohr jedoch ein gewisses Maß an Flexibilität. Richtig komfortabel wird das Procaliber dadurch nicht, aber gröbere Schläge beispielsweise von Bremswellen oder Wurzeln werden dadurch deutlich abgemildert. Besonders auf langen Touren hilft dieses System, der Ermüdung des Fahrers wirkungsvoll vorzubeugen.

Sowohl das Procaliber als auch das Top Fuel sollen in erster Linie XC-Racer ansprechen, können aber auf technisch weniger anspruchsvollem Gelände auch jede Menge Fahrspaß vermitteln. Mit einem etwas traillastigeren Cockpit und einer Remotesattelstütze geben die beiden Modelle zwei durchaus brauchbare und vor allem spaßige Trailbikes ab.

Text: Trev Worsey Bilder: Trev Worsey & Danny Milner


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