Nachdem die Rennsaison nun in vollem Gange ist, wollten wir doch mal wieder hören, wie es Radon Werksteam-Fahrer James Shirley in dieser Saison bisher ergangen ist und ob sich sein Wintertraining in den jeweiligen Eröffnungsrunden der Enduro World Series und der European Enduro Series bezahlt gemacht hat. Nachdem er einmal ans andere Ende der Welt und wieder zurück geflogen ist, um sich im Wettkampf zu messen, teilt er hier seine Gedanken über das Leben auf der Jagd nach dem Siegertreppchen mit uns.

„Ich hatte ursprünglich eigentlich nicht vor, nach Neuseeland zu fliegen, aber es gab ein paar Dinge, die mich umstimmten. Der Hauptgrund war, dass wir mit einem Kameramann und einem Fotografen Aufnahmen für Promo – und Marketing unserer Sponsoren machen sollten. Außerdem dachte ich, Neuseeland sei doch eine gute Gelegenheit, meinen neuen Manager Joost besser kennenzulernen und mit ihm Zeit zu verbringen. Und schließlich habe ich eine Menge gute Freunde, die in Queenstown leben, daher war es eine super Gelegenheit, ein paar Leute zu besuchen. Ich richtete es so ein, dass ich eine Woche vor dem Rest des Teams flog, und damit kam ich gerade rechtzeitig zu Queenstowns einwöchigem Mountainbikefestival.

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Das erste Event auf meiner Liste war das sechsstündige Super-D-Rennen. Ziel ist es, in den sechs Stunden so viele Runden wie möglich zu fahren, wobei der Kurs neben einer Vielzahl an Trails auch die Nutzung der Skyline-Gondel beinhaltet. Der größte Teil der Trails ist entspannt und bikepark-mäßig, aber es gab auch ein paar spaßige natürliche Abschnitte und viele fiese Anstiege, sodass mein Radon 160 hier die ideale Waffe war. Ich fuhr im Team mit meinem irischen Kumpel Dan Wolfe, und ich freue mich, sagen zu können, dass wir das Rennen mit einem ordentlichen Vorsprung gewannen. Der Tag hat Spaß gemacht, und ich mag diese Art von Event wirklich sehr. Nach dem Rennen war es Zeit, zu relaxen und auch die anderen Trails zu genießen, die Queenstown bietet. Die haben dort so viel gutes Zeug. Viele der richtig großartigen Trails sind noch inoffiziell, aber wenn ihr in irgendeinen der Bikeshops geht und nach nem Tip fragt, wird man euch sagen, wo’s langgeht. Die lokale Bikeszene ist unglaublich, es gibt hier eine große Bandbreite an Wissen und unglaublich viele aktive Fahrer.

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Die Zeit bis zum Eintreffen der restlichen Crew verging schnell, und wir machten uns direkt an die Arbeit. Nachdem wir cooles Videomaterial und Fotos aus Queenstown und Umgebung im Kasten hatten, brachen wir auf Richtung Nelson – auch ein fantastisches Reiseziel, aber leider hatten wir nur ein paar Tage Zeit, bevor wir unsere Sachen packen mussten und uns auf den Weg auf die Nordinsel machen, um zum Start des Crankworx-Festival da zu sein. Es war sehr interessant, mit Joost zu fahren, weil unsere Stile so unterschiedlich sind. Er kommt aus dem olympischen BMX-Rennen und war 4X-Weltmeister, daher kann ist er bei großen Sprünge und Anliegern ganz in seinem Element. Obwohl seit einiger Zeit nicht mehr so intensiv trainiert, hat er so aus dem Stand immer noch unglaublich viel Kraft und Biss. Das ist etwas, wo ich bei mir definitiv noch Verbesserungspotential sehe. Ich habe ihn sehr genau darüber ausgefragt, wie er früher trainiert hat, um vielleicht etwas davon in meinen Trainingsplan einbauen zu können.

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Nach ein paar Wochen voller großartiger Trails auf der Südinsel war unsere Ankunft in Rotorua zugegeben ein klein wenig ernüchternd. Im Vergleich zu dem, was wir so gewohnt waren, war das hier doch eher flach. Ich stehe Mountainbiketrails, die nicht auf Bergen gebaut werden, immer etwas kritisch gegenüber. Die Leute versuchen, sie mit weniger Gefälle zu bauen, um das Maximum aus dem Hang rauszuholen, aber es ist schwer, auf diese Art einen spaßigen Trail hinzukriegen. Die EWS-Runde in Rotorua war allerdings dennoch keine einfache Pedalorgie. Das Rennen entpuppte sich als recht langsam und rutschig, mit ein paar steilen Passagen zwischendurch. Wer hätte denn auch gedacht, dass es im Regenwald regnen würde? Es schien, als ob auch die Organisatoren davon überrascht waren, Wir waren einen Tag und eine Nacht durchgefahren, um rechtzeitig zum „verpflichtenden Race-Briefing“ da zu sein, nur um dort zu erfahren, dass niemand so richtig wusste, was der Plan war, weil die Trails langsamer waren als erwartet und nun die Zeit nicht mehr reichte, um alles an einem Tag unterzubringen. Mein Frustration wurde noch dadurch verstärkt, dass die Hütte, in der ich wohnte, kilometerweit entfernt war und nur begrenzt Internetzugang hatte, was es schwierig war, auf dem Laufenden zu bleiben, als nach und nach neue Infos auf der Webseite erschienen oder in Form von E-Mails hereintröpfelten.

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Das Rennen selbst war ziemlich hart. Es war so flach und so anstrengend, dass ich schon ziemlich erschöpft war, als ich die schwierigen Stellen erreichte. Einmal ging ich einfach über den Lenker und saß ein paar Sekunden auf dem Boden. Angesichts der starken Fitnessorientierung des Rennens hatte ich beschlossen, es mit leichteren Reifen mit weniger Grip zu versuchen. Vielleicht war das auch ein Fehler, aber ich bin mir nicht sicher. Bin ich gestürzt, weil es rutschig war, oder weil ich zu sehr darauf verkrampft war, schnell zu sein? Sicher ist, dass man sehr fit sein muss und sehr viel Kraft braucht, um die Geschwindigkeit halten zu können, die man für die kurzen Anstiege und die Hindernisse hier braucht. Ich denke, der größte Unterschied zwischen vielen der Amateure und den professionellen Fahrern ist die Fitness: Profis haben einfach mehr Zeit zum Trainieren. Wenn Enduro wirklich für alle sein soll, dann glaube ich, die Nicht-Profis würden weniger Tretpassagen und größere Gefälle auch gut finden.

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Ich persönlich glaube, dass der Fokus auf steilerem, technischerem Fahren liegen sollte. Das ist das, was allen Mountainbikern Spaß macht. Ich finde das nicht so gut wenn bei Gravity-Sportarten Fitness und Ausdauer zu dominieren beginnen. Ich muss jetzt aufpassen, was ich hier sage, denn wenn Enrico Guala das liest, wird er mich vermutlich ordentlich auslachen – er hat gesehen, wie ich mich in Rotorua beim Training auf Stage 4 auf einem der wurzeligen Abschnitte ziemlich zugerichtet habe und am Ende im Gebüsch landete – oops.

Ich denke, viele Leute sprechen solche Probleme nicht gerne an, weil sie befürchten, als schwach oder irgendwie jämmerlich rüberkommen, aber versteht das nicht falsch – ich habe keine Angst davor, mich richtig anzustrengen. Es ist vielmehr so, dass einige der besten Stages, die ich kenne, aus zwei steilen technischen Trails bestehen, die durch einen kurzen Anstieg verbunden sind. In solchen Fällen gehen Anstiege völlig in Ordnung, ich mag es bloß nicht, wenn die Trails flach sind. Und was die Transfers angeht, klar, enge Zeiten sind schon ok, aber wenn man schon den ganzen weg hoch schnell pedalieren muss, dann sollte man nicht auch noch auf dem Weg runter hart treten müssen. Es könnte funktionieren, dass man für Pro-Klassen kürzere Zeiten vorsieht, aber es sollte immer noch ein bisschen Extrazeit eingeplant werden für mechanische Probleme oder um was zu essen.

Enduro Racing hat das Potential, einen an Orte zu bringen, an die man sonst nicht gehen würde. Man geht wieder raus, in die Wildnis, und findet dort ungewöhnlichere Trails, alte, steile, nicht mehr benutzte Trampelpfade mit Stufen, losen Brocken und einer Menge natürlicher Hindernisse. Diese Trails wurden nicht für Räder gemacht, aber es sind eben die, die mir am meisten Spaß machen. Natürlich gibt es immer Dinge, die man ein bisschen optimieren muss, aber ich finde, je natürlicher, desto besser.

First day at Punta Ala (Italy) for the EES round 1, people is coming and picking up theirs number plate. DCIM100GOPRO

Es muss ganz schön schwierig sein, so ein Event zu organisieren und es allen recht zu machen, besonders wenn es sich in dieser Größenordnung bewegt. Als Fahrer versuche ich, mich nicht allzu viel zu beklagen, denn schlussendlich ist es einfach ein Rennen, und es sollte für alle das gleiche sein. Ziemlich oft habe ich das Gefühl, dass ein eher durchschnittlicher Veranstaltungsort oder Trail durch den intensiven Wettkampf in etwas weit interessanteres verwandelt wird – die Fahrer versuchen einfach, an die Grenzen dessen zu gelangen, was dort möglich ist. Es liegt in meiner Verantwortung, in dem, was ich sage und tue, professionell zu sein, und ein Stück weit fühle ich mich auch dem Konzept des Entertainer-Seins verpflichtet. Spitzensportler können durchaus mit den römischen Gladiatoren verglichen werden, sie führen ihre Kämpfe eben auf eine modernere, weniger gewalttätige Art. Das ist etwas, was die EWS wirklich sehr gut macht: Sie präsentiert unsere Arena und bietet der Mountainbike-Welt Entertainment auf vielen medialen Kanälen. Sie machen sehr gute Marketingarbeit, in eigener Sache und für die Top-Fahrer und das Image des Sports. Ohne die EWS wäre der Enduro-Sport nicht das geworden, was er jetzt ist, man sollte ihnen also wirklich zugutehalten, dass sie mitgeholfen haben, unseren geliebten Sport so weit zu entwickeln.

Races down the stage 4 during the first stop of the European Enduro Series in Punta Ala, Italy, on April 26, 2015. Free image for editorial usage only: Photo by Antonio López Ordóñez.

Die EES sieht sich eine Ebene unterhalb der EWS. Die Serie ist erst im zweiten Jahr, aber nachdem ich letztes Jahr alle Rennen gefahren bin, glaube ich, dass 2015 eine fantastische Saison wird. Die Veranstaltungsorte, die auf dem Plan stehen, sehen großartig aus, und sie haben alle einen guten Ruf, was technisches Fahren angeht. Die EES ist ganz klar eine günstigere und einfachere Alternative dazu, die komplette EWS zu fahren, aber davon abgesehen macht sie mir ehrlich gesagt auch mehr Spaß. Die Atmosphäre ist viel entspannter, es gibt weniger Absperrband und weniger Verwirrung. Das Format ist auch gut, konsistent und verlässlich. Ich würde die Serie jedem empfehlen, der einfach racen und neue Orte kennenlernen will. Aus all diesen Gründen liegt mein Hauptfokus in diesem Jahr hier.

Direkt nach dem Rennen in Rotorua flog ich zurück nach Italien – ich lebe immer noch in Finale, nur in einem anderen Haus. Ich konnte mietfrei wohnen, der Haken war aber, dass ich beim Einbau einer neuen Küche ordentlich anpacken und auch andere Heimwerkeraufgaben in und ums Haus erledigen musste. Das passte aber gut zu meinen Trainingsplänen. Ich versuche seit einiger Zeit, mehr auf Qualität statt auf Quantität zu setzen, und mein Leistungsoutput zu verbessern. Ein großer Teil meines Trainings besteht aus 30-Sekunden-Sprints (im Sattel) mit langen Ruhepausen dazwischen. Ich mache außerdem noch ziemlich viele plyometrische Übungen, zum Beispiel Kastensprünge, Ausfallsprünge, Squat-Jumps und solche Dinge. Diese Art von Workout nimmt nicht viel Zeit in Anspruch, erfordert aber längere Erholungsphasen, was gut ist, denn ich habe festgestellt dass ich ziemlich beschäftigt bin. Neben den Arbeiten am Haus musste ich meinen Van vorbereiten (Teile auswechseln, neue Decals anbringen, Papierkram erledigen und ihn allgemein einfach in Ordnung bringen) für sein erstes richtiges Rennen des Jahres, die EES-Runde in Punta Ala.

James Shirley from UK races down the stage 1 during the first stop of the European Enduro Series in Punta Ala, Italy, on April 26, 2015. Free image for editorial usage only: Photo by Antonio López Ordóñez. Finish line of the stage 3 during the first stop of the European Enduro Series in Punta Ala, Italy, on April 26, 2015. Free image for editorial usage only: Photo by Antonio López Ordóñez.

Punta Ala ist ein wunderbarer Ort. Es ist zwar als Bike-Resort bekannt, aber kein Bikepark im eigentlichen Sinne. Ein paar Firmen bieten Offroad-Shuttles zu den Startpunkten einiger Trailklassiker an, den Rest erreicht man per Pedalkraft. Die Trails werden von Touristen und der recht aktiven lokalen Szene genutzt, aber ein kleines Trailteam kümmert sich darum, die alten Pfade in Schuss zu halten, die ursprünglich zum Kohleabbau genutzt wurden. Das Rennen findet in der Nähe eines Campingplatzes statt, der am Strand liegt, und guten Zugang zu den Hügeln bietet. Man beachte das Wort „Hügel“ – das ist Punta Alas einziger Schwachpunkt, denn die Trails sind nicht so steil, aber sie haben ein paar wirklich ruppige, anspruchsvolle felsige Abschnitte und andere die schön flowig sind. Trotz der mangelnden Höhe ist das wegen der langen Transfers und einer Gesamtfahrzeit von fünf oder sechs Stunden wohl die sportlich anspruchsvollste Runde der Serie.

Ich denke, beim Rennen hab ich mich ganz gut geschlagen. Ein paar Mal entschied ich mich für die falsche Linie, aber jeder macht Fehler, und im Großen und Ganzen glaube ich nicht, dass mich das viel Zeit gekostet hat. Ich war an manchen Stellen wohl ein bisschen zu vorsichtig aber an anderen hab ich ziemlich aufgedreht und mich selbst (und das Publikum) damit überrascht wie schnell ich gefahren bin. Das ist das großartigste Gefühl – wenn man am Limit ist und sich so richtig reinhängt. Am Ende erreichte ich einen soliden 8. Platz. Das macht mich zwar nicht euphorisch, aber ich bin zufrieden.

Für die nächsten Rennen muss ich weiterhin hart trainieren. Obwohl man in Punta Ala viel Können und ein gutes Bike-Setup braucht, um schnell zu sein, kann man auf den kurzen Anstiegen in den Stages immer noch viel rausholen. Aber auch ein eigener Mechaniker wäre eine große Hilfe. Ein paar von den Cube-Fahrern haben mich ausgelacht, weil ich so lange fürs Fine-Tuning gebraucht hab (was stimmt – es dauerte ein Ewigkeit), aber die haben auch leicht reden, sie können jederzeit auf Unterstützung zurückgreifen. Das würde mir ein bisschen Zeit verschaffen, in der ich mir das Material von meiner Helmkamera anschauen kann und mir die Lines fürs nächste Mal besser merken. Glücklicherweise ist Joost bereits an der Sache dran, und wenn es gut läuft, kann ich euch im nächsten Artikel meinen neuen Komplizen vorstellen.

Hier gehts zu den bisherigen Teilen der Serie:

Text: James Shirley Bilder: Assorted


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