Hello_America_final-11

In zwei verschiedenen Ländern, 6.600 km von ihrer Heimat entfernt – wir haben zwei Jungs gefunden, die sprichwörtlich ihr Leben getauscht haben: einer in Amerika, der andere in Deutschland. Wie fühlt sich Radfahren in der jeweils neuen Welt an? Wer findet die besten Trails? Wer das beste Bier? Nehmt teil an ihren Geschichten und folgt ihren Abenteuern auf den Trails der neuen Welten.

Kennt ihr den Film „Die schrillen Vier auf Achse“? Erinnert ihr euch an das Ende, als Clark Griswold letztlich auf den Parkplatz von Wally World auffährt, nur um festzustellen, dass es geschlossen hat? Falls ihr den Film nicht gesehen habt, solltet ihr das unbedingt tun – wichtiger ist, dass Clark völlig durchdreht. Genau so fühlten sich Alec und ich, als wir auf dem leeren Parkplatz vom Bikepark Lac Blanc standen.

We had just driven about 250 kilometers from Stuttgart, Germany and the entire park was shut down.
Wir waren etwa 250 km von Stuttgart aus gefahren, nur um den Park geschlossen vorzufinden – unsere Suche ging also weiter.
The airbag was deflated, the chairlift stood idle, the bike shop was locked up tight, and there was no beer to ease our disappointment at the closed restaurant.
Das Luftkissen war abgelassen, der Sessellift bewegte sich nicht, der Laden war abgeschlossen und es gab nicht mal Bier, um unsere Enttäuschung mildern zu können. Ein anderer Bikepark musste her

Jeder weiß, wie sich die letzten 15 Minuten Roadtrip anfühlen – die Musik wird lauter, die Fenster werden geöffnet, man fährt deutlich über der zugelassenen Höchstgeschwindigkeit und ist völlig aus dem Häuschen! So fuhren wir auf den Parkplatz. Wir heizten die enge, gewundene Straße entlang, während uns Jay Z aus den billigen Lautsprechern meines Mietwagens anschrie und wurden von nichts anderem als einem leeren Parkplatz begrüßt. Und warum war der Park geschlossen? Na, es war natürlich Dienstag! Anscheinend sind nicht alle europäischen Bikeparks die ganze Woche geöffnet. Ich kann zwar nicht mal annähernd begreifen, warum ein Park nicht jeden Tag geöffnet haben sollte, aber so scheint es ganz offensichtlich zu sein. Ich schätze, dass keiner meiner DH Dudes aus Stuttgart je an einem Wochentag im Park waren, sie konnten also gar nicht wissen, dass er geschlossen sein würde … oder, dass man sich vorher informieren musste. Ich wüsste sowieso nicht, wie ich es hätte herausfinden sollen, da ich weder Französisch noch Englisch spreche.

Alec und ich standen also neben unserem Auto, auf dessen Rücksitz sich unsere Räder drängelten und wägten unsere Optionen ab. Eigentlich hatten wir nicht viele. Mein Handy hatte nur in Deutschland Internetzugriff, wir konnten also nicht groß recherchieren. Es gab keine Geschäfte oder Wohnungen in der Nähe, deren WLAN man hätte entern und zur Suche nutzen können. Meine Mutter war aus Amerika eingeflogen, um uns zu besuchen und hatte sich einverstanden erklärt, für vier Tage bei meiner Frau und den Kindern zu bleiben, damit Alec und ich fahren gehen konnten. Nach Hause fahren kam also auf gar keinen Fall in Frage! Alles, was wir hatten, war das Navi im Mietauto und ich kann euch sagen, dass das Ziel „Bike Park“ anscheinend noch nicht wichtig genug ist, um dort einprogrammiert zu sein. Wir fanden allerdings raus, dass es dort immerhin eine Liste von Skigebieten gab. Alec hatte vor kurzem etwas zum BIkepark in Verbier gelesen und wir fanden, zu unserem großen Glück, Verbier auch im Navi. Unglücklicherweise ist Verbier in der Schweiz und war somit weitere 350 km von uns entfernt.

Wir krochen zurück ins Auto, drehten „Big Pimpin‘“ auf, wühlten uns aus dem Kies des Parkplatzes und richteten unser Auto gen Süden aus. Nach dem kleinen Umweg nach Frankreich und einigen Stops zum Tanken und Pinkeln kamen wir nach neun Stunden Roadtrip in Verbier an. Dieses Mal fuhren wir etwas zurückhaltender und weniger selbstsicher in das Örtchen ein. Alec war, bevor er zu mir kam, mit dem Rucksack durch Europa gereist und wäre wahrscheinlich völlig zufrieden gewesen, wenn wir uns unter eine Brücke einquartiert hätten, aber ich bin wirklich zu alt für sowas. Wir fanden ein kleines Hotel und eine Packung Bier mit winzigen Flaschen und machten es uns in Nachbarschaft des Flusses gemütlich. Ein anständiges Abendmahl und eine ordentliche Mütze Schlaf verhalfen uns zu einen perfekten Morgen zum Shredden.

"Verbier was our introduction to riding in the Alps. We were totally blown away. The trails are fun, the views are gorgeous, and the lifts were empty."
„Verbier war unser Auftakt in den Alpen. Wir waren völlig begeistert. Die Trails machen Laune, die Aussicht ist grandios und die Lifts waren leer.“
We found a little hotel and a case of beer in really small bottles and began to unwind next to the river.
„Wir fanden ein kleines Hotel und eine Packung Bier mit winzigen Flaschen und machten es uns in Nachbarschaft des Flusses gemütlich.“

Verbier war unser Auftakt in den Alpen. Wir waren völlig begeistert. Die Trails machen Laune, die Aussicht ist grandios und die Lifte waren leer. Nach der Hälfte der ersten Abfahrt musste ich anhalten und mein Bike checken, da ich seltsame Geräusche gehört hatte. Ich fuhr von der Strecke und die Geräusche gingen weiter. Ich blickte zu meiner Rechten und sah, keine zwanzig Meter entfernt, wie sechs Kühe am Gras nagten und die riesigen Glocken um ihren Hals läuteten. Das war definitiv nicht Amerika. Normalerweise bin ich zu beschäftigt damit, zu fahren, als dass ich groß in der Gegend herum schauen würde, aber die Alpen sind einfach spektakulär und verdienen die Aufmerksamkeit.

Am nächsten Morgen entschlossen wir uns, einen kurzen Abstecher in den Bike Park Châtel zu machen, der auf der anderen Seite der französischen Grenze liegt. Als wir in Châtel einfuhren, waren wir geschockt, überall Mountainbiker zu sehen.

"The next morning we decided to make the short drive to Chatel Bike Park which is just across the border in France."
„Am nächsten Morgen entschlossen wir uns, einen kurzen Abstecher in den Bike Park Châtel zu machen, der auf der anderen Seite der französischen Grenze liegt. “

Wir waren ausgerechnet zum Pass’portes Du Soleil MTB Festival hier, das einfach unglaublich ist. An einem Wochenende im Jahr öffnen sich in der Region 15 Sessellifte, wodurch 80 km Streckennetz erschlossen werden, die hauptsächlich aus Downhill bestehen. Eine Abfahrt im Park und wir entschlossen uns, mit unseren Downhillbikes hier zu bleiben. Die 80 km Runde sah großartig aus, nach unserem langen Trip wollten wir aber lieber die perfekt gebauten, bisher kaum befahrenen DH Trails fahren. Ich kann wirklich nicht genug gute Dinge über Châtel sagen. Die Trails sind schnell, flowig und endlos. Die Sprünge sind perfekt gebaut und die Anlieger sind riesig! Wir verbrachten dort zwei Tage und es waren die besten zwei Tage in einem Bikepark, die ich je hatte.

Ich glaube, es war Yvon Chouinard, der Gründer von Patagonia, der sagte: „Ich denke, wenn alles schief geht – dann beginnt das Abenteuer.“ Unser Abenteuer war weder so dramatisch noch verhängnisvoll, lief aber definitiv nicht wie geplant. Es lief tatsächlich besser, als wir es geplant hatten.

"During one weekend a year, the region opens up 15 chairlifts to create an 80 km circuit which is essentially downhill"
„Ich kann wirklich nicht genug gute Dinge über Châtel sagen. Die Trails sind schnell, flowig und endlos. Die Jumps sind perfekt gebaut und die Steilkurven sind riesig!“
"During one weekend a year, the region opens up 15 chairlifts to create an 80 km circuit which is essentially downhill."
„An einem Wochenende im Jahr öffnen sich in der Region 15 Sessellifte, wodurch 80 km Streckennetz erschlossen werden, die hauptsächlich aus Downhill bestehen.“

Hat euch der Artikel gefallen? Dann werft doch einen Blick auf den Rest der Serie: Einführung | Freiburg | Goodbye Germany | Stromberg | Wie klein die Welt doch ist

Text & Bilder: Evan Phillips


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