Gesehen haben wir von unserer Wahlheimat Flims in der vergangenen Mountainbikesaison leider wenig, derart viel sind wir von Rennen zu Rennen gereist. Leider deswegen, weil wir nach acht Jahren in diesem Paradies für Mountainbiker, Alpinisten und Wintersportlern noch längst nicht alle Perlen abgehakt haben.

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Nun ist es Herbst in Flims und wir schneiden die Startnummern unseres letzten Rennens von unseren Lenkern. Wir sind glücklich, aber müde von der langen Enduro-Saison. Die anstrengenden Rennen der Enduro World Series haben an unseren Körpern ihren Tribut gefordert. Alles was wir nun wollen, ist Zuhause sein und hier auch mal länger bleiben. Unsere Lust auf Rennen zu fahren ist bis auf weiteres gestillt! Hungrig ist jedoch nach wie vor unser Abenteuergeist und so sind wir bald auf der Suche nach einer neuen Herausforderung. Es dauert nicht lange, hören wir von der Berghütte Camona Vorab und plötzlich haben wir ein neues Ziel. Da müssen wir hin – eine Nacht in dieser Hütte inmitten der schönen Flimser Bergen zu verbringen, klingt verlockend.

An die Schlüssel dieses Juwels zu kommen ist jedoch gar nicht so einfach. Man muss jemanden kennen, der jemanden kennt der im Verein ist, der die Hütte unterhält. Über sieben Ecken schaffen wir es an die Schlüssel zu gelangen und machen uns auf in Richtung Abenteuer. Unser erstes Ziel ist der Vorabgletscher, den wir nur vom Snowboarden kennen, nicht aber vom Mountainbiken. Der Gletscher liegt auf 3.000 m wo wir nur mit purer Muskelkraft hingelangen, da im späten Oktober bereits alle Bergbahnen und Shuttles geschlossen haben.

  

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Oben am Gletscher angekommen, erwartet uns eine raue aber eindrücklich schöne Steinlandschaft, voll von eis- und wassergeschliffenen Felsen, auch Flimser Slick Rocks genannt. Das Wetter passt zur Landschaft und ein eisiger Wind pfeift uns um die Ohren während wir uns mit unseren Bikes auf den Felsen und den Trails vergnügen. Die Linien sucht man sich hier selbst und nicht selten enden sie in Sackgassen, gefüllt mit eisigem Gletscherwasser.

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Auf diesem Gletscherspielplatz könnte man sich ewig verweilen. Die Dämmerung setzt jedoch bald ein und uns erwartet noch eine Singletrail-Abfahrt zur Berghütte. Wir folgen den rot-weissen angestrichenen Steinen, die in der Schweiz die Wanderwege markieren, durch Geröllfelder, vom Gletscher ausgeschliffene Felspartien und flowige Bergwiesen. Von weitem können wir nun endlich unser Nachtlager sehen – die roten Fensterläden leuchten schon von weit her.

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Check-in auf eine Berghütte bedeutet erst einmal Wasser holen, den Stromgenerator anwerfen und den Ofen einfeuern. Im Gegenzug bekommt man bei einer Tasse selbstgemachtem Willkommenstee die schönste Aussicht überhaupt.

 

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Mit der eintretenden Dämmerung wird es schnell kalt draussen und uns ist nach einem heissen und stimmigen Getränk – einem Flämmli. So heisst diese Spezialität aus Graubünden, die an keinem Hüttenabend fehlen darf. Dafür zerstossen wir zwei Würfelzucker in etwas Kaffee. Diesen trinken wir, ohne den Zuckersatz mitzuschlürfen und füllen die Tasse grosszügig mit Williamsschnaps auf. Das Zucker-Schnappsgemisch wird nun mit einem Löffel rausgeholt und angezündet. Wir spielen mit der Flamme bis der Zucker karamelisiert, daraufhin die Flamme löschen und das heisse Flämmli trinken – Viva!

 

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Wir sitzen noch ein wenig zusammen und lassen den eindrucksreichen Tag Revue passieren. Das Flämmli kumuliert jedoch unsere Müdigkeit. Wir begeben uns in die Betten und bald schlafen wie die Murmeltiere im Winterschlaf. Kein nerviger Wecker stört die Ruhe. Die ersten Sonnenstrahlen sind es, die uns wachkitzeln und uns aus den Federn holen. Als wollten sie uns auf die Pracht der aufgehenden Bergsonne hinweisen.

 

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Nach einem Bergfrühstück machen wir uns bald Talwärts. Noch ein letzter Gruss an die Hütte und weiter geht es mit unserem Trail-Abenteuer. Dieser windet sich anspruchsvoll durch über Jahrhunderte vom Eis geschliffene Felsen. Oft ist der Pfad nur wage vorgegeben und wir suchen uns wiederum unsere eigene Linie durch das Felsenmeer. Als wir unten im Tal angelangen, haben wir weitere 1.000 Höhenmeter Trail vernichtet und die verschiedensten Vegetationsstufen durchfahren.

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Die Strapazen des Aufstiegs sind vergessen und sogar die Hände sind nach der Abfahrt noch locker. Verkrampft hat sich lediglich das dicke Grinsen in unseren Gesichtern. Ein gegenseitiger Blick genügt, um zu wissen, die Ruhe der «Camona Vorab» Hütte haben wir nicht zum letzten Mal genossen.

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Text: Anita Gehrig

Bilder: Philipp Ruggli


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