Mit Sponsoren bedeckt, das Wunschmaterial unterm Hintern und am Monatsende winkt der dicke Lohnscheck. Deckt sich diese eingefahrene Wahrnehmung eines Racing-Teams noch mit der Realität? Unser Chefredakteur Robin hat Steffen Thum und Simon Gegenheimer vom ROSE Vaujany fueled by ultraSPORTS-Team einen Besuch abgestattet und sich mit den beiden ausführlichst über den Rennsport, die Rolle der Teams, ihre Haltung und den Rennalltag unterhalten. Und war natürlich mit den Jungs auf deren Hometrails biken!

Steffen Thum: Sehr sympathischer Marathon-Woldcup-Sieger und Kopf hinter dem ROSE Vaujany-Team.
Steffen Thum: Sehr sympathischer Marathon-Woldcup-Sieger und Kopf hinter dem ROSE Vaujany-Team.

Steffen, du hast das Team vor 4 Jahren ins Leben gerufen und nach deinen Vorstellungen aufgebaut. Wie bist du dieses Projekt angegangen?

Steffen:
Es ging nicht darum, nur den Sponsor glücklich zu machen und ein Team auf die Beine zu stellen, das einen starken DH-Fahrer, einen starken XC-Fahrer und einen starken Enduro-Fahrer hat und jeder macht sein eigenes Ding und kriegt alles gestellt, sondern es ging darum, lauter komplexe Mountainbiker im Team zu haben, die Spaß am Mountainbiken haben. Das beinhaltet nach unserer Philosophie nicht nur hoch- und wieder runterfahren. Um ein guter Mountainbiker zu sein, muss man heute einfach alles können, als Enduro-Fahrer auch mal einen Marathon fahren oder als Marathon-Spezialist mal in den Bikepark gehen. Natürlich hat jeder im Team bestimmte Fähigkeiten, in denen er Weltklasse ist – die anderen Disziplinen kann er zwar auch, aber halt nicht auf dem Niveau. Das ist auch richtig so.

Steffen und Simon am Start des Marathons beim Roc d’Azur.
Steffen und Simon am Start des Marathons beim Roc d’Azur.

Rémi (Laffont) kann man auch mal mit dem Enduro losschicken und er wird den Berg schnell runterkommen, aber er wird immer ein Kletterer bleiben und mit seinen 53 kg bergauf alle abziehen. Simon ist ein saustarker Techniker und gut im Antritt. Das sind seine Fähigkeiten und da gehört er zu den Besten der Welt, aber trotzdem kann ich mit ihm die Brasil Ride fahren und das sind Etappen von acht Stunden. Da plagt er sich halt manchmal, aber er kommt da auch in die Top 10. So etwas berücksichtigen wir bei der Auswahl unserer Sportler – nicht einen Spezialisten, der nur eine Sache kann und sonst nichts. Man muss einfach Interesse am Biken haben. Wenn wir bei Worldcups sind, bleiben wir manchmal einen Tag länger und gehen am Montag alle gemeinsam biken. Jeder nimmt ein Fully und wir fahren gemeinsam eine lockere Runde. Alle haben Spaß, wir filmen uns gegenseitig und das sind Momente, die kannst du in anderen Teams vielleicht nicht so umsetzen. Denn da schaut jeder stur auf sein Ding und zieht das durch. Da geht einfach der Spaß verloren.

Beste Verpflegung im Hause Thum: Noch einen Espresso, Robin? Gerne … oder vielleicht einen Martini?
Beste Verpflegung im Hause Thum: Noch einen Espresso, Robin? Gerne … oder vielleicht einen Martini?

Ihr seid ja sehr viel unterwegs. Wie ist der Tagesablauf mit Simon und den anderen?

Steffen:
Also oft sehe ich meine Frau nicht … Ich war dieses Jahr bisher vielleicht 14 Tage zu Hause. Deswegen wohne ich auch in einer Wohnung und nicht in einem großen Haus. Im Winter wohne ich fast komplett auf Mallorca und der Hausmeister kümmert sich hier um alles. Das war die letzten Jahre super.

Zahlreiche Startnummern und Trinkflaschen in Steffens Werkstatt.
Zahlreiche Startnummern und Trinkflaschen in Steffens Werkstatt.

Vor vier Jahren haben wir schon gesagt, dass unser Ziel nicht die Bundesliga ist. Wenn wir hier ein Team auf die Beine stellen, wollen wir die besten Rennen der Welt fahren und uns mit den Besten messen. Um den Worldcup zu fahren, musst du einfach reisen. Da bist du immer unterwegs und musst es gut koordinieren, damit du dein Training mit den Wettkämpfen und dem Rest noch unter einen Hut kriegst. Am Anfang war es schwerer. Das größere Team hilft uns jetzt. Wir sind sechs Leute, jeder ist vielleicht auch überall dabei und es gibt Rennen, da muss z. B. mein Resultat stimmen, aber es gibt auch Rennen, die kann ich als Training nutzen und das Resultat muss hier jemand anders bringen. So geht es jedem im Team und das nimmt ein bisschen Druck weg und hilft.

Bei Steffen stehen nicht nur modernste Bikes in der Garage, sondern auch diverse Oldtimer.
Bei Steffen stehen nicht nur modernste Bikes in der Garage, sondern auch diverse Oldtimer.

Wenn du so viel unterwegs bist, merkst du dann im Laufe der Saison, dass dich das Reisen auch stresst oder eine gewisse Müdigkeit eintritt?

Steffen:
Ich versuche nicht, das so zu sehen, dass ich 10 Monate Saison habe und mich zwei Monate davon erholen muss, sondern ich probiere, meinen Alltag während der Saison so zu gestalten, dass ich die Pause gar nicht nötig habe. Wir versuchen durchs Jahr zu kommen, dass es immer okay ist und wir nie in einen Bereich kommen, dass wir die Schnauze voll haben vom Team und vom Rennenfahren. Ich freue mich wirklich jedes Wochenende schon aufs nächste und auf die Jungs und Mädels.
Hier muss ich auch meiner Frau danken. Die übernimmt die Organisation und Strukturierung des Teams und hat auch immer wieder Überraschungen für uns. Letztes Jahr z. B. bei einem 20-Stunden-Flug von Südafrika nach Australien mit Zwischenstopp in Dubai. So etwas ist trotz Business Lounge echt anstrengend und dass der Stopp 12 h dauern würde, wussten wir auch nicht. Meine Frau überraschte uns allerdings mit einem geilen Hotel samt Aquapark und wir waren alle super drauf, als wir in Australien ankamen. Das sind Sachen, die halten die Stimmung oben.

Glückliche Ehe: Kerstin und Steffen Thum sind viel gemeinsam unterwegs. Kerstin unterstützt Steffen, wo sie kann, und ist zudem für die Pressearbeit zuständig.
Glückliche Ehe: Kerstin und Steffen Thum sind viel gemeinsam unterwegs. Kerstin unterstützt Steffen, wo sie kann, und ist zudem für die Pressearbeit zuständig.


Wie viele Leute seid ihr, wenn ihr unterwegs seid?

Steffen:
Unterschiedlich – es gibt Rennen, da sind es nur ein Mechaniker und 2–3 Sportler, aber manchmal gibt es auch welche, wie jetzt in Riva, da sind wir 12 Personen mit 3 Mechanikern, wenn 5–6 Fahrer da sind mit verschiedenem Material. Wir sind da im Sprint, Marathon und Enduro gestartet und hatten noch ein Fotoshooting. Da braucht man einfach ein gewisses Personal.

Sechs Chilischoten täglich. Ingwer, Kurkuma-Extrakt und Pfeffer … alles Teil des Ernährungsplans.
Sechs Chilischoten täglich. Ingwer, Kurkuma-Extrakt und Pfeffer … alles Teil des Ernährungsplans.

Ist eure Ernährung beim Rennen individuell oder regelt ihr das gemeinsam?

Steffen:
Wir haben einen gemeinsamen Ernährungsberater, dem ich vertraue. Jeder aus dem Team hat die Möglichkeit, da mal hinzugehen und alle waren recht begeistert von ihm und haben sein System übernommen. Das ist freiwillig, aber die Qualität überzeugt. Alle Sportler haben also das gleiche Ernährungssystem, was es einfach macht, was das Kochen angeht. Manchmal wohnen wir auch im Hotel, aber bei wichtigen Rennen haben wir ein Apartment mit eigener Küche, sodass wir uns selbst versorgen können.

Wenn schon, denn schon. Wer Steffen über seine Ernährung ausfragt, muss auch selbst ran. Diese Mischung in den Espresso-Tassen nennt Steffen ehrfürchtig „Medizin“.
Wenn schon, denn schon. Wer Steffen über seine Ernährung ausfragt, muss auch selbst ran. Diese Mischung in den Espresso-Tassen nennt Steffen ehrfürchtig „Medizin“.
Robin und Steffen schlucken die entzündungshemmende Geheimwaffe aus Kurkuma, Milch und Zimt …
Robin und Steffen schlucken die entzündungshemmende Geheimwaffe aus Kurkuma, Milch und Zimt …
… wie man sieht – ein wahrer Genuss!
… wie man sieht – ein wahrer Genuss!

Im Grunde ist die Basis ähnlich. Da geht es darum, den Körper gesund zu halten, das funktioniert bei allen gleich. Dann ist es für jeden einzeln abgestimmt, da ist jeder anders. Rémi, unser Marathonfahrer, wiegt 53 kg. Bei dem geht es nur darum, Muskeln zu halten. Sobald der in die Unterernährung beim Training kommt, baut er Muskeln ab. Da muss man echt aufpassen. Ich oder Nathalie (Schneitter) sind muskulöser und bauen die Muskeln auch sehr leicht auf. Wir müssen aufpassen, dass es nicht zu viele Muskeln werden und wir nicht zu schwer werden. Man kann im Prinzip schon ein gleiches Essen kochen, das setzt sich dann für die Sportler nur anders zusammen vom Verhältnis Kohlenhydrate/Proteine/Gemüse. Rémi wird abends beim Rennen dann schon seine 400 g Rindfleisch essen, während Nathalie und ich da eher nur 200 g essen werden und dann mehr Gemüse nehmen. Die Endurofahrer müssen dagegen nicht so extrem auf das Gewicht achten, da geht es um eine starke Muskulatur und stabile Bänder/Sehnen, um Verletzungen zu vermeiden.

DER GERÄT! Jumbo-Döner in Aalen.

Posted by Robin Schmitt on Tuesday, May 19, 2015

Während unserer Tour machen wir einen Stopp beim Dönerladen und dessen Gerät – ab und zu sind auch die XC-Racer dort anzutreffen.

Hardtails kommen nur noch selten zum Einsatz. Das von Steffen und Simon mitentwickelte Teambike – ROSE THRILL HILL.
Hardtails kommen nur noch selten zum Einsatz. Das von Steffen und Simon mitentwickelte Teambike – ROSE THRILL HILL.

Seit wann fährst du Fully?

Steffen:
Seit 10 Jahren bin ich Profi in diversen Teams, aber im Wettkampf fahre ich das erst seit 2 Jahren. Ich hatte früher einmal eins, war davon nicht überzeugt, fand es vielleicht für die Montagstour nett, aber das war’s dann auch. Das aktuelle Fully haben wir vor 4 Jahren mitentwickelt, denn Simon und ich haben gesagt: Wenn wir ein Fully im Worldcup fahren wollen, müssen ein paar Kriterien erfüllt werden. Es muss unter 10 kg wiegen in meiner Größe, blockierbar sein und das Setup an sich muss auch passen. Dazu muss der ganze Rest passen, was bei anderen Fullys so nicht gegeben war.

Blockierbare Federelemente sind essenziell für Marathon und XC.
Blockierbare Federelemente sind essenziell für Marathon und XC.
Sieht definitiv schon im Stand aggressiv aus.
Sieht definitiv schon im Stand aggressiv aus.

Findest du das Gewicht und die Effizienz an einem Racebike am wichtigsten? Oder anders ausgedrückt: Wie wichtig sind dir 100 g Gewichtsersparnis an deinem Bike im Vergleich zu 100 g am Körper oder in der Trinkflasche?

Steffen:
Ich bin kein Mega-Tuner. Oft kommen die Mechaniker zu uns und sagen: Hier und da könnte man noch an der Gewichtsschraube drehen. Ich bin da eher der, der da bremst. Gerade in den letzten 2 Jahren mit dem Gesamt-Worldcup, wo man einfach jedes Rennen ins Ziel bringen muss. Ich weiß, wie es ist, wenn du dann bei Kilometer 80 dastehst und keinen Schlauch dabeihast. Und da ärgerst du dich. Aber alles, was unnötig ist, lassen wir auch weg und unsere Bikes sind leicht, gut und schnell. Generell würde ich aber sagen, dass das Gewicht nicht das entscheidenste ist. Ich finde es wichtiger, dass das Gewicht auf dem Rad stimmt.

Thema Effizienz: Auf dem 29er hatte ich kein gutes Gefühl. Ich bin lange Zeit noch 26″ gefahren und fahre jetzt nur noch 27,5″, aber ich bin ja auch klein. Wenn ich so gestreckt auf einem Rad sitze, hat das keinen Sinn. Da kann ich mich nicht richtig drauf bewegen, das hat nie richtig funktioniert. Mir ist es wichtig, dass ich gut auf dem Rad sitze und es kompakt ist und sich klein anfühlt.

Wo ist die versenkbare Sattelstütze?
Wo ist die versenkbare Sattelstütze?

Stichwort Teleskopsattelstütze: Die sieht man ja sehr selten im XC-Worldcup. Liegt das am Gewicht, braucht ihr das einfach nicht oder hast du dich einfach daran gewöhnt, den Sattel so hoch zu haben, dass du die Beinfreiheit nicht mehr brauchst?

Steffen:
Am Gewicht liegt es schon mal nicht. Ich glaube, es hat einfach nicht viele Vorteile für uns. Beim CrossCountry kennst du die Strecke genau und weißt, dass es meinetwegen 3 Stellen gibt, wo du sie vielleicht nutzen würdest. Und an höchstens einer hast du dann wirklich einen Vorteil, bei den anderen musst du nur wissen, wie du die Stelle fährst, wenn du den Sattel oben hast. Bei einem Endurorennen ist das viel wichtiger, da hast du mal eine unvorhergesehene Situation, auf die du reagieren musst und viel steileres, gröberes Gelände. Dazu wird der XC-Worldcup immer schneller und du musst jede Möglichkeit zu treten nutzen. Sonst verlierst du Zeit. Da würdest du mit dem Hoch- und Runterstellen gar nicht hinterherkommen.

Macht Leichtbau und Tuning alle schneller?
Macht Leichtbau und Tuning alle schneller?

Viele Hobbyfahrer fühlen sich vom XC inspiriert und tunen ihre Bikes recht viel – vor allem in Sachen Gewicht –, damit es schneller wird. Ist das übertriebener Eifer?

Steffen:
Das kommt darauf an, was das Ziel ist. Tunt der Fahrer wirklich, um schneller zu werden oder um ein geiles Bike zu haben? Das erstere ist wahrscheinlich der falsche Ansatz. Wenn er schneller werden will, ist es sogar besser, wenn er z. B. einen breiteren, schwereren Reifen fährt. Mit einem Race King im Schlamm eiert er nur um die Kurven. Mit einem Trail King vorne wäre er auf einer XC-Runde viel schneller, weil er viel sicherer ist und mal eine gute Kurve fahren kann.

Aber wenn er tunt, weil er ein geiles Bike haben will und er das feiert, dann ist es ja auch voll in Ordnung. Aber klar, den Ansatz von vielen Amateuren müsste man da vielleicht auch mal hinterfragen und ob z. B. die Teleskopsattelstütze, der fette Reifen oder die Gabel mit ein bisschen mehr Federweg hilfreicher wären, den Transalp ein bisschen schneller zu fahren als anders herum. Vielleicht auch nicht nur auf den Ersten schauen, denn einer wie der Schurter kann es sich mit seiner Fahrtechnik auch mal erlauben, den Trockenreifen im Nassen zu fahren.

Tuning? Leichtbau? Allround ist das Zauberwort.
Tuning? Leichtbau? Allround ist das Zauberwort.

Mit einem modernen Mountainbike solltest du jede Tour machen können. Deswegen ist ein Hardtail nicht mehr wirklich ein modernes Mountainbike. Nur noch ein absoluter Worldcup-Profi kann mit dem Hardtail alles fahren und kommt auch auf einer Worldcup-Strecke damit klar. Aber ein normaler Biker, der nicht 24 h am Tag trainiert, tut sich schwer. Ein optimales Mountainbike für mich ist irgendwo in der Range zwischen XC- und Enduro-Fully. Es gibt inzwischen Bikes, die können alles und das ist dann die richtige Wahl fürs Erstbike. Alles andere ist Zweit-, Dritt- oder Viert-Bike.

Wie siehst du die Vorbildfunktion von Worldcup-Fahrern gegenüber einem normalen Biker? Beispiel Kleidung – vom Lycra weg zur Bikeshort. Findet ihr das bequemer, cooler oder ist das wegen der Vorbildfunktion?

Steffen:
Man kann nicht sagen, dass man das aus Vorbildfunktion oder für die Sponsoren macht. Wenn man das so macht und dem Sportler aufdrängt, funktioniert das nicht. Das ist nicht authentisch, das glaubt dir niemand. Wenn das jemand wie der Simon (Gegenheimer) macht, der in Riva den Sprint mitfährt und am Tag darauf das Enduro-Rennen und jetzt den XC-Worldcup und der fährt da mit der Baggy und seinem weiten T-Shirt, dann glaubt man ihm das. Der sagt: Yeah, das ist meine geile Hose und so fühle ich mich einfach wohl und das sieht gut aus und da verliere ich null Zeit. Und wenn schon: Wenn ich nach 3 Runden auf Platz 70 liege, dann denke ich nicht daran, dass ich gerade wegen der Klamotten 0,5 s verliere. Dann denke ich: Geil, ich bin gerade auf 70 und seh dabei cool aus. Und freu mich noch mehr, weil ich mich gut fühle.

Lockere Klamotten und Worldcup-Racing schließen sich nicht aus.
Lockere Klamotten und Worldcup-Racing schließen sich nicht aus.

Ich finde, zu uns passt es, weil wir das auch nach außen hin repräsentieren wollen und nach innen leben, also Mountainbike in all seinen Facetten und da ist einfach die Baggy die Hose, die man dafür braucht. Und auch das Trikot will man da nicht so, dass man jede Rippe sieht, sondern das soll halt passen, aber muss mir nicht die Luft abschnüren. Das passt zu uns, so fühlen wir uns wohl. Das kann ich jeden Tag anziehen, beim Fotoshooting, auf der Etappe in Brasilien, egal. Und wenn wir dadurch ein Vorbild für andere sind, dann ist das eine tolle Sache. Das freut mich, wenn es mehr gibt wie uns, die denken, dass das moderner MTB-Sport ist. Aber ich trage das nicht, um zu sagen: Nur weil ich Marathon-Worldcup-Sieger bin, setze ich die Trends und ihr müsst das jetzt nachmachen. Für uns passt es und wenn andere so wie wir darüber denken, finden wir das cool und das bestärkt uns.

Simon Gegenheimer. Mehrfacher XC-Eliminator-Worldcup-Sieger
Simon Gegenheimer. Mehrfacher XC-Eliminator-Worldcup-Sieger

In der Zwischenzeit ist Simon Gegenheimer, XC-Eliminator-Spezialist, dazugekommen und leistet uns unterhaltsame Gesellschaft.

Rein aus Neugier – wieviel Watt schaffst du im Antritt?

Steffen:
Da musst du den Simon fragen.

Simon:
Knapp 2.000. Aber das ist gar nicht so entscheidend. Klar brauchst du gerade am Start einen guten Antritt, aber da musst du nicht zwingend Erster sein, da musst du eine gute Position erreichen. Und im Finale ist es entscheidend, über einen längeren Zeitraum immer wieder eine hohe Wattzahl zu erreichen.

Steffen:
Es gibt viele, die den Simon auf dem Ergometer toppen, aber es gibt wenige, die es schaffen, seinen Speed zu erreichen. Also irgendwo zwischen Muskel und Schotter geht dann was verloren. Und beim Simon geht da dank Fahrtechnik, Sitzposition und Gefühl, wann wieviel Power rauszutreten ist, weniger verloren. Das war wahrscheinlich mit ein Grund, warum Simon zwei Worldcups gewonnen hat.

Simon:
Das war auch, weil ich den Steffen an der Seite hatte. Viele hatten halt auch einen Sprinter im Team, den sie halt machen haben lassen. Aber der Steffen stand mir da immer zur Seite und wusste, was meine Stärken sind und hat mir geholfen, die auch einzusetzen. Weil ich den Überblick im Rennen einfach nicht hatte. Und er konnte mir nach dem Heat immer sagen: Da bist du der stärkste, die anderen haben da und da ihre Stärken, da musst du aufpassen – das war eine große Hilfe.

Steffen:
Das ist wahrscheinlich auch das Harte für manche Gegner. Der Toni, unser Mechaniker, ist wirklich ein Fuchs. Es gibt keinen Menschen, der so viele Radrennen guckt wie er und dadurch nimmt er alles auf. Der steht am Streckenrand und schaut die Fahrer einmal an und kann dir sagen: „Der ist kaputt“, „Der tritt nochmal im Halbfinale, aber im Finale ist der schon am Start fertig“. Und diese Tipps waren wichtig für den Simon und der Grund, warum der Simon im Zeitlauf oft 10. oder 15. ist und ihm im Viertelfinale viele noch gegenhalten oder ihn sogar schlagen konnten, aber dann im Halbfinale oder Finale keine Chance mehr hatten, weil sie einfach nicht mehr mithalten konnten. Und weil der Simon halt cool bleibt und das auch perfekt umsetzt, denn das muss man mental auch schaffen. Das ist schon ein Erfolgsrezept für den Simon und das ganze Team. Das hat uns auch geholfen, die Erfolge in den letzten 4 Jahren gemeinsam so zu erreichen. Jeder hat sich für den anderen voll eingesetzt.

Interview_ROSE_Vaujany_Steffen_Thum-12

Jetzt zum Beispiel in Zypern: Nathalie ist neu im Team, der Rémi hat sie kaum gekannt und sieht sie vielleicht zum dritten Mal und sie gewinnt das Rennen. Jeder realisiert, dass das für sie nach den drei letzten schweren Jahren phänomenal war, ein Profirennen zu gewinnen. Da war es gar keine Überlegung, dass zwischen ihrem Zieleinlauf und unserem Start nur noch 20 Minuten Zeit sind und man eigentlich mit sich selbst beschäftigt ist. Das war dann egal, unsere Räder sind dagelegen und wir waren alle bei ihr, weil einfach jemand aus unserem Team etwas erreicht hat, auf das sie 3 Jahre hingefiebert hat. Und das war ein toller Moment, dass sich jeder für sie gefreut hat und erst sekundär mit seinem Rennen beschäftigt hat. Dass wir Teamerfolge gemeinsam genießen und feiern, das gibt jedem einfach auch wieder Kraft.

Seid ihr vor dem Start eher ruhig und konzentriert oder aufgeregt? Irgendwelche Rituale?

Steffen:
Es ist recht schwer, sich da selbst einzuschätzen. Ich denke, dass ich dabei recht strukturiert zur Sache gehe und nicht so aufgeregt bin. Das geht auch noch, wenn mal was dazwischen kommt. Bei anderen wie dem Rémi ist das ein bisschen mehr straight. Der hat 1,5 h vor dem Start schon seinen Helm auf und fährt damit schon auf der Rolle. Nathalie hat immer ihre Musik drin. Da hat jeder schon ein bisschen sein eigenes Ritual und das ist dann auch bekannt. Die Mechaniker wissen da auch Bescheid, wer was braucht und wie das laufen muss. Bei mir muss z. B. die Bremse laufen. Ich krieg ’nen Koller, wenn ich vor dem Start die Bremse höre, das macht mich irre und ist so ein bisschen mein Tick. Ansonsten ist das alles superprofessionell. Wir müssen uns da um nichts kümmern, unsere Flaschen sind gerichtet.

Am Abend zuvor gibt’s ein kleines Meeting, wo der Tag durchgeplant wird. Die Betreuer fragen immer, was man so haben will, die Mechaniker checken, ob die richtigen Reifen und die richtige Übersetzung auf dem Ersatzlaufrad sind, aber da funktioniert alles super.

Da braucht es schon eine gewisse Fitness … 34er-Blatt als Standard.
Da braucht es schon eine gewisse Fitness … 34er-Blatt als Standard.

Fahrt ihr 1×11?

Steffen:
Ja. Die Kettenblattgröße ist strecken- und fahrerabhängig. Rémi fährt z. B. einen fetten Gang, Nathalie einen leichten und kurbelt mehr. Wenn wir in einem Teamrennen wie der Transalp fahren kann es sein, dass wir verschiedene Kettenblätter draufhaben, weil der eine einfach stärker tritt und der andere aber eher auf Frequenz. Aber bei den Männern kann man schon sagen: 32 fährt man eher selten. 34 als Standard und wenn’s flach ist und im Marathon brauchst du auch mal einen richtig harten Gang, wenn du jemanden vor der Kuppe noch schnappen willst.

Fahrt ihr auch viel mit anderen Teams?

Steffen:
Wir sind da schon offen und unterhalten uns auch viel mit den anderen, wenn wir die auf einem Rennen treffen oder gehen mal eine Runde mit Manuel Fumic fahren. Gerade mit den Cannondale-Jungs kommen wir gut aus oder auch mit dem Marcus (Schulte-Lünzum). Den haben wir auf Zypern getroffen und der ist auch ein cooler Typ, klar fährt man mit denen auch mal eine Runde. Da ist man ja auch froh, denn man sieht, was die für einen Reifen fahren oder wie sie sich entwickeln. Da sieht man echt Unterschiede. Wenn Manni jetzt mal eine Runde mit seinem Fully fährt, sieht er bergab gleich ganz anders aus als mit dem Hardtail. Aber ansonsten ist unser Team so gut aufgestellt und wir haben so viel Spaß, dass wir da jetzt nicht speziell danach suchen, uns mit anderen Sportlern abzusprechen und das regelmäßig zu machen oder so.

Gibt es im XC-Fahrerlager auf Rennen ein großes Konkurrenzdenken?

Steffen:
Ich glaube, das gibt es, und am ehesten auch im Worldcup. Im Marathon wahrscheinlich auch. So ein gewisses Neiddenken. Ich versuche, das von meiner Herangehensweise gar nicht zu haben. Ich denke jetzt nicht, dass mir irgendein Team etwas wegnimmt, wenn es einen neuen Sponsor hat, sondern sage dann eher: „Ist ja voll gut, wenn eine Firma in unsere Sportart investiert.“ Das ist ein gutes Zeichen und bringt vielleicht auch eine andere Firma dazu, zu investieren. Ich finde es wichtig, dass man anderen etwas gönnt und jeder überleben kann und wir uns nichts gegenseitig wegnehmen. Im Gegenteil, wir sollten noch viel besser miteinander arbeiten.

Interview_ROSE_Vaujany_Steffen_Thum-19

Die Sportart gibt es her, es gibt einen internationalen Markt und wenn wir jetzt mit einer guten Atmosphäre auftreten und sagen „Da, das ist unser Sport, der ist professionell aufgebaut, da haben wir Spaß dran, da kann man gut zugucken und wir kommen alle fair miteinander aus“, dann ist das ein gutes Signal nach außen hin. Und dann hat man auch Potenzial, Geld in dem Sport zu generieren. Das ist besser als zu sagen: „Da gibt es einen Reifensponsor und wenn wir den nicht kriegen, soll ihn keiner kriegen!“ Diese Denkweise hilft uns da nicht weiter und das finde ich den falschen Ansatz. Auch wenn das manche so verfolgen …

Was ist dein Hauptantrieb fürs Rennenfahren?

Steffen:
Da brauche ich keinen wirklichen Hauptantrieb, weil mein Job mein Hobby ist. Ich habe schon immer gerne Sport gemacht und Biken macht mir an sich Spaß, weil’s ein geiler Sport ist. Dazu macht es mir Spaß, meine körperlichen Grenzen auszureizen. Wenn ich jetzt irgendwo in Norwegen leben würde, würde ich wahrscheinlich langlaufen. Beim Biken hat man noch den coolen Nebeneffekt, dass da noch das Technische dazukommt, das gefällt mir auch. Der nächste Schritt, nachdem ich meinen Körper ausreize, indem ich mich im Training fordere, ist dann die Teilnahme am Wettkampf. Dieser Reiz wird mit der Zeit auch immer geringer und irgendwann ist nächste Schritt der bessere Wettkampf. Das geht so lang, bis du im Worldcup bist und dann denkst du dir, da geht nicht mehr viel, außer noch den Worldcup wechseln, was wir ja auch schon machen, mit Marathon und großen Etappenrennen. Dann ist das schon genug, um immer wieder seine eigenen Grenzen herauszufinden und das macht einfach mega Spaß.

Steffen rast über seine Hometrails.
Steffen rast über seine Hometrails.

Ich muss mich also nicht jeden Tag auf mein Rad zwingen und das versteht wahrscheinlich auch jeder. Wir haben einfach die geilste Arbeit der Welt, sind jede Woche woanders, da macht es einfach Bock. Ich war in einem Jahr in Südafrika, Brasilien, Kanada, New York, Malaysia und Australien, um Rad zu fahren. Dazu kommen noch so kleine Sachen wie Riva, was einfach ein geiler Spot ist. Da muss man sich eher bremsen, um seinen Plan einzuhalten, damit die Ergebnisse stimmen. Aber das Radfahren an sich ist doch das Beste. Wir haben das beste Leben, die besten Klamotten, die besten Räder mit den neuesten Teilen, sind an den geilsten Spots, was willst du denn mehr? Das macht einfach nur Bock. Dass es beim Rennen dann wehtut, das gehört halt einfach dazu und wenn 40.000 Zuschauer laut schreien, da merkst du die Schmerzen gar nicht. Und wenn doch, schreist du einfach mit, das merkt dann keiner.

Findet ihr, dass Profisport wehtun muss und man sagen kann: Okay, die sind auf einer professionellen Ebene, die verdienen richtig viel Geld – die sollen sich verdammt noch mal quälen, die Strecken müssen härter werden und dergleichen?

Steffen:
Nein. Man kann nicht sagen, nur weil die viel Geld verdienen, müssen die ein höheres körperliches Risiko eingehen. Man kommt ja nicht an die Grenzen, weil es technisch schwerer oder riskanter wird. Das Risiko für einen Marathonläufer ist z. B. eher gering, dass er hinfällt, aber trotzdem erbringt er eine riesige Leistung. Man verlangt den Athleten viel ab und es ist spannend. Man muss das aber nicht durch mehr Risiko erzeugen und erzwingen, dass jemand stürzt oder die Leute an die Sturzgrenze bringen.

Spezifisch beim Enduro: Man kann den Fahrer auch fordern, ohne ihn an die Risikogrenze zu bringen. Enduro ist kein Downhill, sondern komplexes Mountainbiken, da kann ich die Fahrer z. B. durch mehr Tretpassagen dazu zwingen, weniger Federweg zu fahren oder technische Passagen ins Flache einbauen. Da mal im Flachen ein zweiminütiges Tretstück einzubauen, das wäre eine Richtung, in die man Enduro auch entwickeln könnte. Das fordert die Fahrer wieder ganz anders und eröffnet anderen Fahrern die Möglichkeit, vorne mitzufahren, was es auch wieder spannend macht. So muss man die Sprünge nicht erhöhen, sondern zwingt die Fahrer, den gleichen Sprung mit 140 mm statt 160 mm Federweg zu springen, weil er sonst die 160 mm über das Tretstück ziehen muss. Das wäre für mich eine Möglichkeit ohne Risiko.

Im XC hat man das gut hingebracht. Die Entwicklung der letzten 5 Jahre war da echt gut. Am Anfang gab’s da auch kritische Stimmen, warum wir denn da jetzt springen müssen, dann haben sich Lenkerhersteller über einen Drop in Südafrika beschwert, da ihre Carbonlenker dabei brechen würden, aber die Entwicklung war gut. Sprünge und Absätze und schwere Rockgarden gehören inzwischen dazu. Das war kontrolliert, man konnte sich das vorher alles angucken.

Ich denke nicht, dass man, nur weil man im Enduro jetzt viel Geld verdienen kann und es professioneller und besser wird, die Strecke gefährlicher machen muss. Im Gegenteil, man muss eher hinterfragen, was ein Endurofahrer können sollte. Soll das einfach ein Downhill-Fahrer mit neuer Karriere sein oder einer, der eine Transalp packt und es dabei bergab trotzdem richtig krachen lassen kann? Deswegen finde ich Enduro-Etappenrennen eine gute Entwicklung.

Interview_ROSE_Vaujany_Steffen_Thum-20

Du hast es angesprochen, die EWS entwickelt sich gerade etwas von den Normalfahrern weg, weil sie zu extrem wird. Es wird so ähnlich wie im Downhill, nur im Kleinen. Der Normalfahrer will eben Spaß auf dem Trail haben und hat mit dem Profi, der die ganze Zeit Vollgas unterwegs ist, wenig gemein.

Steffen:
Das fordert vor allem auch die Teams. Für uns als großes Team ist es nicht schwer, unseren Endurofahrern drei Bikes mit verschiedenen Federwegen und Setups zu geben und sie zu einem Rennen, wo sie nicht wissen, was sie erwartet, mit diesen drei Bikes anreisen zu lassen, alle zu testen und das zu nehmen, das am besten ist. Aber auch wenn wir das können, finanziell und organisatorisch ist das nicht richtig. Ich sollte eigentlich mit einem Bike alle Rennen der EWS mitfahren können. Natürlich, das Setup und die Reifen passe ich an, aber die Gabel und der Rahmen sollten gleich bleiben. Das fände ich cool, das wäre der richtige Ansatz.

Ein guter Fahrer unterscheidet sich in einer flachen, technischen Kurve eher von einem mittelguten als im Todessteilstück, wo ich einfach nur die Augen zumachen muss und draufhalten. Oder wie in Riva, wo der Simon mir nach zwei Stages sagte: „Das ist hier alles saurutschig, es wird noch schlammig. Ich kann hier voll draufhalten, aber dann gibt es eine 50/50-Chance, dass ich über den Lenker gehe.“ Dann haben wir gesagt: „Mach easy und sicher, wir haben noch viel vor dieses Jahr.“ Und dann gewinnt einer, der zwar auch gut ist, aber auch einfach viel Risiko eingeht. Und das finde ich nicht gut. Beim Enduro sollte jemand, der sich gut auf dem Trail bewegen kann und mit einer guten Technik und guter Kondition überzeugt, gewinnen.

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In diesem Sinne: Vielen Dank, Steffen und Simon, für den klasse Tag!


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