Was machen zwei Reggae liebende, Rad fahrende Liftboys aus Österreich mit ihrer Freizeit? Sie betreiben ein Internetradio. Und was machen sie, wenn sie damit etwas verdienen? Sie spenden es natürlich für einen guten Zweck. Hier erfahrt ihr mehr über die Betreiber von Mountain Reggae Radio im Bikepark Brandnertal!

Bikepark Brandnertal is located above the Austrian city of Bludenz
Der Bikepark Brandnertal liegt über Bludenz in Österreich

Egal ob zu Fuß, per Rad oder mit dem Sessellift – während man sich langsam von der Talsohle erhebt, nehmen Einsamkeit und Schönheit der Berge zu. Man lässt das quirlige Bludenz hinter sich, blickt über die immergrünen Bäume und Farne und lässt den Geist schweifen. Dann erreicht das Fragment eines Geräusches das Ohr. Ziemlich schnell ist klar: Das ist kein natürliches Geräusch, es beginnt als hüpfender Beat. Man merkt, dass es Musik ist, aber nicht der Gummibärchen-Pop, den man in europäischen Radios hört. Es ist auch kein Hip-Hop, Rap, Metal oder sonst eine Musik, die man im Club oder beim Après-Ski zu hören bekommt. Sie passt deutlich besser zur Umgebung. Man ist auf 1.420 m Höhe und lauscht den fröhlichen Klängen von Mountain Reggae Radio!

Marc and Manuel seem to have always a great attitude.
Marc und Manuel scheinen immer bester Laune zu sein.

Das Brandnertal liegt in Vorarlberg im westlichen Österreich, etwa zweieinhalb Autostunden von Stuttgart entfernt und ist deshalb perfekt für einen Tagesausflug. Hier wurden letztes Jahr einige neue Freeride- und Downhilltrails eröffnet. Das wirkliche Highlight ist aber der Bikepark in den Alpen, der einen die Umgebung auf die bestmögliche Art genießen lässt und dessen Sessellift einen direkt auf den Gipfel und zu Marc, Manuel und ihren Reggaeklängen bringt. Auch wenn die Jungs als Liftboys wie die Brunnenputzer arbeiten und Bike nach Bike vom Lift wuchten, begrüßen sie jeden Fahrer mit einem freundlichen Winken. Irgendwie lassen sie ihren Job nach Spaß aussehen und ihre Energie steckt an. Die Reaktion der Fahrer ist fast immer gleich – glücklich und positiv.

Reggae beats get louder as you climb higher on the chairlift
Der Reggae wird lauter, je höher man kommt.

Dabei bin ich keine Ausnahme: Nach einem Tag auf den Trails war ich so begeistert, dass ich mir die Mountain Reggae Radio-Seite auf Facebook anschaute und sah, dass die Jungs sogar einen Internetradio-Stream haben. Reggae liebende Liftboys schienen mir zwar nicht unbedingt die vielversprechendsten Unternehmer zu sein, trotzdem klickte ich mich bis zu ihrem Stream durch und bald darauf pumpten die Beats durch meine Lautsprecher. Wow, ziemlich coole Setlist. Aber wie? Wer? Wo? Warum?

Axel puts down some style on the Tschack Norris trail
Axel heizt mit Style über den Tschack Norris Trail

Marc Bachmann und Manuel Tschann sind Jungs aus der Gegend, sie kommen aus dem Tal unter dem Bikepark und sind stolz darauf, in der Nähe von Bludenz zu wohnen. Seine tiefe Liebe zum Reggae hält Marc zu Hause auf Trab, wo er bis spät in die Nacht Tracks abmischt und zu Playlists zusammenbaut, die dann am nächsten Tag an der Liftstation den perfekten Soundtrack für einen Urlaubstag auf dem Bike liefern. Als er und Manuel anfingen, am Lift des Bikeparks Brandnertal zu arbeiten, spielten sie die Musik nur zu ihrer eigenen Unterhaltung. Schon bald reagierten allerdings die Gipfelgäste sehr wohlwollend auf die Beats aus der kleinen Hütte am Berg und die positiven Vibes, die damit kamen – und baten die beiden deshalb, aufzudrehen! Die Liftbetreiber unterstützten die Bewegung, die Marc und Manuel begründet hatten und schnell war das kleine musikalische Mekka als „Magic Mountain“ bekannt. Regen oder Sonne, heiß oder kalt, die Beats blieben und die Jungs begannen, ihre gut gelaunten Gäste zu fotografieren.

Eines Abends traf Manuel einen Mountainbiker in einer Kneipe im Dorf, der ein Bild haben wollte, das Manuel am Tag gemacht hatte. Weil ihm auf die Schnelle nichts Besseres einfiel, verwies Manuel ihn für die Kontaktaufnahme auf die Facebookseite vom Mountain Reggae Radio – einziges Problem war, dass es die noch gar nicht gab und er nach Hause rennen und sie erst einmal basteln musste. Immerhin war damit aber schon einmal der erste Schritt gemacht und kurz darauf setzten sich Marc und Manuel mit einem Internetradio-Betreiber zusammen, um einen weltweiten Stream zu starten. Mountain Reggae Radio war geboren!

Mountain-Reggae-scenery2

Auf dem Magic Mountain gibt es zwar Internet, Marc und Manuel streamen aber nicht von dort, weil ihr eigentlicher Job und die Sicherheit der Liftgäste natürlich oberste Priorität haben. Marc stellt die Playlists zusammen und spielt die aufgezeichnete Show dann ab, während sie arbeiten. Sie lächeln, tanzen und machen den Tag über Bilder. Die zeigen keine DH-Gladiatoren, die über Trails surfen oder dicke Jumps senden, sondern einfach Leute auf dem Berg, die eine gute Zeit haben. Mit einem warmen Lächeln sagt Manuel: „Wir wollen den Leuten mehr geben als nur ein Bikepark-Ticket.“

Mountain-Reggae-Brandnertal-panorama

Wer zahlt dafür? „Wir. Weil wir es lieben“, sagen Manuel und Marc ganz einfach. Das Betreiben des Radios fordert ganz offensichtlich Investitionen, die über die reine Arbeitszeit hinausgehen. Um einen Teil dieser Kosten zu decken, fingen die Jungs an, T-Shirts zu drucken und an ihre Fans aus der Umgebung und am Berg zu verkaufen. Aber gerade, als etwas Geld beisammen war, kam es im Ort zu einem tragischen Unfall, bei dem ein Junge gelähmt wurde. Seine Familie musste Krankenhausrechnungen bezahlen und das Haus behindertengerecht umbauen. Marc und Manuel entschieden sich, das gesammelte Geld durch die Organisation „Stunde des Herzens“ an die Familie zu spenden. Ihre Großmütigkeit beeindruckte mich und ich fragte sie nach dem Grund, ihr eigenes Projekt hintenanzustellen und ihre Gewinne abzugeben. „Wir sind keine wilden Biker aus dem Wald, Mann. Wir haben alles, was wir brauchen“, antwortet Marc mit einem milden Lächeln.

Reggae, DH, and a killer view on the snowy mountains

Aber was passiert eigentlich mit Mountain Reggae Radio, wenn der Bikepark jeden Herbst seine Pforten schließt? Die beiden arbeiten das ganze Jahr in den Bergen, tauschen ihre T-Shirts also einfach gegen Hoodies und lassen den Reggae weiter pumpen. Sie betreiben den Radiosender mit der Zustimmung des Parks, sind aber völlig eigenständig und bestrebt, ihre Hörerschaft zu erweitern. Ihre Zuhörer sind dabei schon lange nicht mehr nur Bergbegeisterte. Mittlerweile haben schon Musiker aus Jamaika und den USA Marc und Manuel angeschrieben, damit sie ihre Songs spielen. Man sieht die Begeisterung im Gesicht der beiden, wenn sie von diesen Mails erzählen: „Mann, wir sind nur ein paar Jungs aus Österreich, die Musik in den Bergen spielen und jetzt finden uns irgendwelche Musiker und wollen, dass wir ihre Lieder spielen! Das ist verrückt!“

Mountain-Reggae-Brandnertal-scenery

Ich finde es gar nicht so verrückt. Marc und Manuel sind zwei der nettesten Kerle, die ich je getroffen habe und sie tun etwas, das sie lieben. Und sie würden es auch dann machen, wenn niemand zuhören würde. Ich wünsche ihnen das Beste und freue mich darauf, sie in der nächsten Saison wiederzusehen. Ihre Einstellung und Energie machen den außergewöhnlichen Bikepark noch besser. Denn die Jungs haben völlig Recht, wenn sie sagen: Im Brandnertal bekommt man mehr als nur ein Bikeparkticket.

Mehr Informationen findet auf auf den folgenden Websides:
Mountain Reggae Radio | Bikepark Brandnertal | Stunde des Herzen

Text und Bilder: Evan Phillips


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