Das Cockpit einstellen, abgenutzte Bremsbeläge tauschen oder die Kette wechseln – alles Dinge die easy mit einem Multitool zu erledigen sind. Sobald man sich jedoch etwas intensiver mit seinem Bike auseinandersetzt und z.B. eine neue Kassette fällig wird, die Kurbel demontiert werden muss oder die Bremsscheibe einen Schlag wegbekommen hat wird spezielleres Werkzeug nötig. Warum dann also nicht direkt in einen Werkzeugkoffer investieren, der all das bietet und zudem noch die Qualität der schon bestehenden Tools toppen kann?

Worauf kommt es bei einem guten Werkzeugkoffer an?

Je nach Nutzer variieren die Auswahlfaktoren natürlich stark. Für den einen wird der Inhalt dieser Koffer alles an Werkzeug sein, dass er jemals benötigen wird – insofern kauft er potentiell ein Kit mit den meisten Tools die er für sein Budget bekommen kann. Der nächste nutzt solch einen Werkzeugkoffer eher als Grundlage um eine heimische Werkstatt aufzubauen und wird daher weniger und dafür qualitativ hochwertige Tools bevorzugen. Für den dritten soll es das perfekte Kit zum Immer-im-Auto-dabeihaben sein. Je nach Nutzer variieren die Kriterien also etwas. Mit diesem Test versuchen wir dennoch den optimalen Kompromiss zwischen guter Auswahl, Qualität und mobiler Nutzbarkeit zu finden.

  Welches Kit bietet die beste Balance aus Qualität und Vielfalt zum angemessenen Preis?

Die wenigsten werden direkt 1.000 € und mehr für einen Werkzeugkoffer in die Hand nehmen, weshalb wir das Limit für unseren Shootout auf 450 € festgesetzt haben. Hierfür darf man dann aber auch definitiv erwarten, ein Kit zu bekommen mit dem sich die allermeisten Probleme beheben lassen. Wir haben 9 bekannte Hersteller ausgewählt, bei denen man hochwertige Qualität erwarten darf und jeweils das größtmögliche Kit unterhalb dieser Preisschwelle gewählt. Finden wir heraus welches die beste Balance aus Qualität und Vielfalt bieten kann.

Die Werkzeugkoffer im Überblick

Hersteller Kit Preis Tools Gewicht
BBB Allroundkit BTL-91 199,95 € 15 4,25 kg
Birzman Studio Tool Box 349,00 € 37 8,30 kg
Feedback Sports Team Edition Tool Kit 299,00 € 18 3,58 kg
Lezyne Port-a-Shop Pro 299,95 € 16 5,30 kg
Park Tool AK-2 439,99 € 35 6,01 kg
Pedros Apprentice Tool Kit 299,00 € 15 3,71 kg
PRO Toolbox XL 349,95 € 36 7,92 kg
Topeak PrepBox 349,95 € 19 4,95 kg
Unior Pro Home Set 1600CN 404,00 € 19 3,41 kg

Wie man hier schon unschwer erkennen kann, variiert die Anzahl der enthaltenen Tools sehr stark. Diese ist jedoch weniger relevant als die spezifische Selektion der Tools, denn ein Mountainbiker wird wohl kaum Nutzen aus einem Campagnolo Tretlagerwerkzeug oder einer kompletten Palette an Maulschlüsseln ziehen können – sich dafür aber z.B. über ein Ventilkernwerkzeug oder eine Bremsscheibengabel freuen. Außerdem verfügt ein individuelles Tool oft über mehr als nur eine Funktion.

Die Kriterien

Der Koffer

Als erstes betrachten wir den Koffer selbst. Wie ist dessen Verarbeitungsqualität und Stabilität, bietet er Platz für zusätzliche Werkzeuge, verfügt er über spezielle Features, die ihn von der Konkurrenz abheben? Wie sind die Werkzeuge im Koffer verteilt und befestigt? Soll heißen: Muss man erst 5 Werkzeuge entnehmen bevor man das benötigte erreichen kann? Werden sie gut an Ort und Stelle gehalten und kommen einem nicht entgegen sobald man den Koffer öffnet oder sind sie so fest verankert, dass man sich jedes Mal fast die Finger bricht um ein Werkzeug zu entnehmen?

Der Inhalt

Als zweites natürlich die Werkzeuge selbst. Erster Eindruck, Ergonomie, Materialqualität und die Auswahl an spezifischen Tools. Wir haben eine Liste festgelegt, die ein Werkzeugkit für moderne Mountainbikes enthalten sollte um vor allem im mobilen Einsatz die gängigsten Reparaturen durchführen zu können. Außerdem eine Auswahl an weiteren, weniger oft benutzten Tools, die aber durchaus nützlich sein können.

Pflichtwerkzeuge:
– Sechskant L-Schlüssel (2 2,5 3 4 5 6 8 10)
– Torx Schlüssel (min. T10, T25, T30)
– Kassettenabzieher (für Centerlock innen verwendbar)
– Tretlagerschlüssel (für Centerlock außen verwendbar)
– Kettenpeitsche o. Ä.
– Kettennietdrücker
– Kettenlinköffner
– Kabel-/Leitungsschneider
– Nippeldreher
– Reifenheber
– Schraubenzieher

Nice-to-have:
– Spitzzange
– Parallelzange/Engländer
– 8/10 mm Schraubenschlüssel
– Shimano Kurbelkappen-Werkzeug
– Maßband
– Bremscheibengabel
– Belags-/Kolbenrücksteller
– Kettenverschleißlehre
– Gummihammer
– Kurbelabzieher (nur für E-Mountainbikes relevant)

Sternstunden

Einige Hersteller rüsten ihren Koffer ausschließlich mit Sternschlüsseln für Sechskant und/oder Torx aus. Leider ist diese Wahl ein zweischneidiges Schwert, denn so gut sie auch für generelle Einstellung am Cockpit und dergleichen funktionieren, gibt es Stellen am Bike die sich nur mit einfachen L-Schlüsseln erreichen lassen (Flaschenhaltermontage, innenliegende Bremssättel hinten).

Ritzelhalter

Auch beim Thema Kassettenmontage/-demontage gehen die Hersteller verschiedene Wege. Während die meisten auf die bewährte, universelle Kettenpeitsche setzen, inkludiert Feedback eine sehr komfortable, selbsteinstellende Zange und Pedros sowie Unior setzten auf einen 3-Pin-Halter für 11 Zähne auf der einen und 12 Zähne auf der anderen Seite. So gut wie alle 11-fach-Kassetten auf SRAM XD-Freiläufen haben als kleinstes Ritzel jedoch eins mit 10 Zähnen. Unior umgeht dies geschickt indem die Pins für das 12er Ritzel verlängert wurden und man somit das zweitkleinste greifen kann. Das Werkzeug von Pedros kann damit leider nicht aufwarten und es lässt sich somit auf keiner derartigen Kassette greifen.

Tretlagerwerkzeug

Unterschiede fanden sich auch beim Tretlagerwerkzeug. Die Hälfte der Hersteller setzt auf den klassischen Ringschlüssel, während die andere Hälfte ihren Koffer mit einem Aufsatz versieht. Im Tretlagerbereich funktionieren alle tadellos, bei der Nutzung am Centerlock-Konterring offenbaren sich jedoch Probleme mit den Aufsätzen. Im Gegensatz zu Topeak sind bei Birzman und PRO sind die Kontaktflächen des Tools leider nicht lang genug, sodass sie vor allem an Hinterrädern nicht über die Achshülle reichen und den Lockring greifen können. Lezyne löst dieses Problem sehr geschickt: Da der Aufsatz von außen gehalten wird und dementsprechend im Inneren genug Platz ist, kann er einfach über die Achshülle gesteckt werden.

Zusätzliche Tools

Zusätzliche Werkzeuge wie ein Kettenblattschrauben-Gegenhalter oder ein 15-mm-Maulschlüssel sind zwar generell gut zu haben, an modernen Mountainbikes aber eher selten bis gar nicht benötigt und fließen somit nicht in die Bewertung ein – ebenso wie Reinigungsgeräte (Kettenreinigungsgerät, Bürste, Kassettenreiniger). Diese sollte man besser separat haben bzw. aufbewahren. So nehmen sie keinen wertvollen Platz im Koffer weg bzw. machen diesen dreckiger als unbedingt nötig. Ein klassischer Kurbelabzieher ist heutzutage auch nur noch für E-Mountainbikes (außer Shimano) relevant.

Der Elefant im Raum

Adressieren wir vorab noch den Elefant im Raum: Warum sollte man ein fertiges Kit kaufen, wenn man sich easy selbst eins zusammenstellen kann? Nun, zum einen sind fertige Werkzeugkits für die meisten Käufer preislich deutlich attraktiver, selbst wenn man ein oder zwei Tools mehr bezahlt die man nur einmal im Jahr benutzen wird. So zahlt man für einige der ausgewählten Werkzeugkits im Schnitt nur knappe 10 € pro Werkzeug – inklusive dem Koffer selbst. Zum anderen sind (fast) alle Koffer der Toolkits übersichtlich, platzsparend und maßgenau auf das enthaltene Werkzeug abgestimmt. Es kann also theoretisch nichts umherfliegen, beschädigt werden oder gar verloren gehen. Gerade im mobilen Einsatz oder bei Nutzung durch mehrere Personen ein nicht zu unterschätzender Faktor.

Der beste Werkzeugkoffer

Letztlich sind die Werkzeugauswahl gefolgt von der Qualität der Tools zwar die schwerwiegendsten Faktoren dieses Tests, jedoch spielen Optik, Haptik, Finish, die Qualität des Koffers und letztlich auch der Preis für das gebotene Gesamtpaket eine nicht zu vernachlässigende Rolle. So kann der Park Tool AK-2 zwar mit hervorragender Metallqualität und guter Werkzeugauswahl punkten, wird jedoch durch den miserablen Koffer sowie das schlechte Finish und den dafür hohen Preis heruntergezogen. Der Pedros Apprentice Tool Kit verfügt ebenfalls über qualitativ gute Werkzeuge – deren kleine Selektion und teilweise eingeschränkte Funktion wiegen jedoch schwer. Lezynes ebenfalls 300 € teurer Port-a-Shop Pro kann hingegen beim Thema Funktion und vor allem auch Optik & Finish glänzen, dafür ist die Werkzeugauswahl ähnlich gering. Der BBB Allroundkit BTL-91 kämpft ebenfalls mit einem zu kleinen Sortiment, kostet dafür aber auch deutlich weniger als der Rest der Konkurrenz.

Zwar schlank gehalten, deckt die Selektion des Feedback Sports Team Edition Tool Kit dennoch die wichtigsten Funktionen ab und verfügt außerdem über clevere Features wie einer selbsteinstellenden Ritzelzange statt einer Kettenpeitsche. Dank seiner kompakten Abmessungen und dem praktischen Aufhängesystem ist er unser Tipp für maximale Mobilität. Die Topeak PrepBox und das Unior Pro Home Set 1600CN sind beides sehr gute, solide Allrounder, verfügen jedoch ebenfalls über ein eher schlankes Sortiment. Während der Koffer des Topeak einem Tresor ähnelt, zeigt der Unior hier seine größte Schwäche – das Plastik des Koffers ist dünn und flexibel und das Insert nicht gut verklebt. Dafür wartet er aber mit den nochmals hochwertigeren Werkzeugen auf – eine sehr gute Grundlage für die Heimwerkstatt. Die PRO Toolbox XL verfügt über das größte Portfolio an Funktionen, lässt erstaunlicherweise aber dennoch einen 8/10-mm-Maulschlüssel sowie eine Kettenmesslehre vermissen. Die Werkzeuge sowie der Koffer selber sind solide jedoch etwas günstiger gehalten als die der Konkurrenz.

Das Beste zum Schluss: Mit der Birzman Studio Tool Box bekommt man die maximale Bandbreite an Werkzeugen wie sie die PRO Toolbox bietet, jedoch mit der guten Qualität des Topeak-Pakets – zum identischen Preis beider. Dazu gibt es einen robusten Koffer und als cleveres Feature eine gut nutzbare Schaumstoffmatte. Funktion, Auswahl, Qualität und alles zu einem angemessenen Preis – der Birzman macht einfach alles richtig und sichert sich so nicht nur den Testsieg sondern auch den Kauftipp.