Das Portfolio von Pivot platzte schon Anfang des Jahres aus allen Nähten und als Trail- und Endurobiker stand man bereits damals vor der Qual der Wahl. Dann präsentierten die Amerikaner im Mai das Pivot Mach 5.5 und alle fragten sich: Wer zur Hölle soll sich jetzt dieses Bike kaufen? Wir liefern die Antwort.

Pivot Mach 5.5 Carbon Pro XTR/XT | 160/140 mm (v/h) | 13,20 kg | 7,399 €

Das Pivot Mach 5.5 ist ein Rebell. Bei einer Demo würde das Bike garantiert ganz vorne in erster Reihe stehen und lautstark „F*%& the System“ brüllen! Zwänge und Kategorien passen dem Mach 5.5 genauso wenig wie einem Teenager die schlauen Ratschläge seiner Eltern nach der vergeigten Mathe-Klausur. Das wird schon bei einem Blick auf seine Eckdaten klar: 140 mm Federweg am Heck, eine 160-mm-Federgabel, 2,6″ breite MAXXIS-Reifen. Wer gern in Kategorien denkt, bekommt schon jetzt Kopfschmerzen. Ist das noch ein Trailbike oder schon ein Enduro? Sind 2,6″-Reifen eigentlich noch klassische 27,5er oder sollten wir sie vielleicht besser Plus-Minus nennen?

Das Pivot Mach 5.5 im Detail

Versuchen wir daher besser, die Sache nach und nach zu analysieren und dem Bike so sein Geheimnis zu entlocken. Herzstück des Mach 5.5 ist ein Carbonrahmen, der – typisch für Pivot – über einen DW-Link-Hinterbau verfügt. DW steht dabei für Dave Weagle, den Erfinder des Systems. Es ist ein Viergelenk-Hinterbau mit virtuellem Drehpunkt, der dank der speziell angeordneten Umlenkhebel und Lagerpunkte besonders antriebsneutral ist und gleichzeitig auch beim Anbremsen aktiv bleibt. Dieser Hinterbau verfügt im Fall des Mach 5.5 über 140 mm Federweg, der wiederum von einem FOX FLOAT DPS-Dämpfer in Zaum gehalten wird.

Unserer Meinung nach ist sehr positiv, dass Pivot beim Mach 5.5 nicht auf den eigens vorgestellten Super Boost-Standard setzt, sondern ein klassisches 148-mm-Hinterrad verbaut. Um für die Zukunft der Fahrwerkstechnik gerüstet zu sein, bietet das Rad außerdem schon alle nötigen Schnittstellen zur Integration des FOX Live-Systems – auch wenn nach wie vor noch nicht bekannt ist, wann das System endlich auf den Markt kommt.

Geradlinig
Das neu gestaltete Mid-Travel Linkage-Design rückt den Rocker in das Rahmendreieck und macht die Dämpferverlängerung überflüssig. Obendrein verleiht das dem Rad eine cleanere, geradlinigere Optik.
Leise = gut!
Der softe Kettenstrebenschutz unterdrückt alle Geräusche der schlagenden Kette und macht das Pivot Mach 5.5 extrem leise.
Optimiert
Klar könnte man das Mach 5.5 auch mit schmaleren Reifen fahren, allerdings sollte man bei 35 mm breiten Felgen immer zu einem Reifen greifen, der für diese Breite optimiert wurde. Bei MAXXIS tragen geeignete Reifen den Zusatz WT (Wide Trail).
Thank God, no Super Boost!
Wenn die Bikeindustrie aktuell eines nicht braucht, dann sind das noch mehr neue Standards! Umso erfreulicher, dass Pivot auf die mittlerweile verbreitete 148-mm-Achse am Hinterbau setzt.

Auffällig beim Rahmen des Mach 5.5 ist vor allem die für Pivot total untypische geradlinige Linienführung. Das abfallende Oberrohr in Kombination mit dem nach vorn verlagerten Umlenkhebel machen es mit Abstand zum schönsten Rad im Portfolio der Amerikaner.
Eine solche optische Aufgeräumtheit passt eurer Meinung nach gar nicht zu einem Rebellen? Blödsinn, das Mach 5.5 ist so sehr Punk im Herzen, dass es sogar gegen den Rebellen-Look rebelliert!

Die Geometrie des Pivot Mach 5.5

Größe XS S M L XL
Sattelrohr 356 mm 394 mm 425 mm 457 mm 495 mm
Oberrohr 558 mm 584 mm 617 mm 639 mm 667 mm
Steuerrohr 90 mm 105 mm 115 mm 125 mm 135 mm
Lenkwinkel 66,5° 66,5° 66,5° 66,5° 66,5°
Sitzwinkel 73,8° 73,8° 73,8° 73,8° 73,8°
Kettenstrebe 430 mm 430 mm 430 mm 430 mm 430 mm
Tretlager Höhe 340 mm 340 mm 340 mm 340 mm 340 mm
Radstand 1116 mm 1142 mm 1176 mm 1200 mm 1229 mm
Reach 390 mm 410 mm 440 mm 460 mm 485 mm
Stack 582 mm 596 mm 606 mm 615 mm 624 mm

Die Ausstattung des Pivot Mach 5.5

Federgabel FOX 36 Factory 160 mm – Boost
Dämpfer Fox Float Factory DPS EVOL 140 mm
Schaltung Shimano XTR/XT
Bremsen Shimano XT
Lenker Phoenix Team Carbon 35 mm 760 mm
Vorbau Phoenix Team Enduro 35 45/55 mm
Sattelstütze Fox Transfer 125/150 mm
Reifen Maxxis Minion DHF WT 2,6/Maxxis Rekon WT 2,6 (v/h)
Laufräder DT Swiss M1700 35 mm
Gewicht 13,20 kg
Preis 7,399 €

Wie von Pivot gewohnt, gibt es auch das Mach 5.5 in etlichen Ausstattungsvarianten, bei denen sich obendrein die Laufräder oder der Dämpfer noch einzeln upgraden lassen. Das von uns getestete Modell schlägt mit saftigen 7.399 € zu Buche und markiert dabei noch lange nicht das Ende der preislichen Fahnenstange. Bis zu 11.999 € können geneigte Kunden für das edle Bike ausgeben. Doch zugegeben: Schon die Ausstattung unseres Testbikes lässt eigentlich keine Wünsche offen. Die FOX 36 Factory EVOL-Federgabel ist aktuell die Benchmark und begeistert mit ihrem super sensiblen Ansprechverhalten und der sehr definierten Dämpfung. Der Shimano XTR/XT-Antrieb ist bewährt und absolut zuverlässig. Das einzige, was hier nervt, ist der große letzte Gangsprung der 11–46-Kassette.

Das Pivot Mach 5.5 auf dem Trail

Doch genug der Theorie, wie fährt sich das Bike? Schon beim Aufsteigen herrscht Couch-Atmosphäre, also nichts wie Jogginghose an und Netflix starten. Aber halt, darum geht es ja gar nicht! Die Sitzposition ist jedenfalls super komfortabel, als Fahrer sitzt man eher aufrecht und mit wenig Sattelüberhöhung. Die breiten Reifen, gepaart mit dem sensiblen Fahrwerk, sorgen noch für eine Extraportion Komfort. Obwohl der Hinterbau seidenweich anspricht, neigt er auch in offener Stellung kaum zum Wippen und sackt bei steilen Anstiegen nicht weg. Sein volles Uphill-Potenzial offenbart das Pivot, sobald es technischer bergauf geht. Hindernisse überrollt man mit diesem Bike eher, als dass man mit ihm daran hängen bleibt, und bei kniffligen Sektionen ist es sehr gut kontrollierbar und beschleunigt dann bei Druck auf das Pedal direkt nach vorn. Wenn wir uns eine Sache wünschen dürften, wäre es ein minimal steilerer Sitzwinkel, um noch zentraler im Bike zu sitzen – speziell bei langem Sattelauszug. Dennoch: Bergauf ist das Pivot ganz klar mehr ein spritziges Trailbike als ein behäbiges Enduro.

  Bei verwinkelten, technischen Uphills zeigt das Mach 5.5 seine wahre Stärke.

In den letzten Monaten haben wir das Mach 5.5 auf verschiedensten Trails getestet. Von entspannten Touren auf flowigen Trails bis hin zu langen Tagen im Bikepark war alles dabei. Jeder der Tester beschrieb bergab das Gleiche: Auf diesem Bike heißt es „aufsteigen und wohlfühlen“! Eine Eingewöhnungsphase ist nicht nötig. Das Pivot fährt sich sehr ausgewogen und vermittelt Fahrspaß ab dem ersten Meter. Das Mach 5.5 ist nicht das laufruhigste Bike am Markt und gerät bei verrückten Linien durch harte Steinfeld klar an seine Grenzen, es ist dabei aber immer gut kontrollierbar und überrascht den Fahrer nicht mit plötzlichem Gripverlust. Vielmehr hebt es rechtzeitig den Finger und mahnt: Schalt mal einen Gang zurück! Im direkten Vergleich mit dem Switchblade ist das Mach 5.5 aufgrund der kleineren Laufräder einen Tick agiler, das Switchblade dagegen ist bei Highspeed etwas souveräner.

  Die 2,6″ breiten Reifen sind sicher nichts für Racer auf KOM-Jagd, doch die will Pivot mit dem Mach 5.5 auch nicht ansprechen.

Das Konzept der 2,6″ breiten Reifen hinterließ generell einen positiven Eindruck. Die Reifen begeistern durch ihr Plus an Luftvolumen mit spürbar mehr Komfort (auch auf flowigen Trails), einer verbesserten Dämpfung und mehr Grip in den meisten Fahrsituationen. Allerdings haben sie nicht nur Vorteile. Um nicht ständig Platten flicken zu müssen, fuhren wir etwa identische Reifendrücke wie bei klassischen, 2,4″ breiten Reifen (min. 1,5 bar vorn/1,7 bar hinten). Außerdem sind sie etwas weniger direkt im Handling und schwimmen im Matsch schneller auf. Der MAXXIS Rekon mag zwar schnell rollen, bietet aber leider wenig Seitenführung und nur mäßigen Grip. Wir würden auch am Hinterrad auf einen Minion DHF setzen. Sehr aktive Fahrer tauschen die 2,6″-Reifen gegen die minimal schmalere 2,5″-WT-Variante.

Helm Specialized Ambush |
Brille Oakley Jawbreaker PRIZM Trail |Jersey Mons Royale Redwood ¾ | Shorts Alpinestars Pathfinder

Trotz 20 mm Federweg mehr an der Federgabel wirkt das Heck des Mach 5.5 nie überfordert und kann problemlos mit der Performance in Front mithalten. Der satte Hinterbau generiert viel Grip und trägt damit einiges zum souveränen Handling des Bikes bei. Dennoch wirkt er sehr lebendig und gibt ausreichend Feedback. Bei Anliegern und bei Wellen sackt er nicht weg, wodurch sich das Rad angenehm direkt fährt. Manuals und andere verspielte Fahreinlagen gelingen ohne echten Kraftaufwand.

Fazit


Das Pivot Mach 5.5 wehrt sich gegen jede Kategorisierung und ist gleichzeitig doch das Sinnbild einer bestimmten Kategorie. Es ist ein Mountainbike – und zwar ein verdammt gutes! Es klettert sehr souverän bergauf und fährt sich spaßig, sicher und komfortabel bergab. Es ist der wahr gewordene Traum aller, die den perfekten Begleiter für jede Situation des Bikealltags suchen. Leider wird es mit seinem hohen Preis für die meisten aber auch ein Traum bleiben müssen.

Stärken

– das Synonym für Ausgewogenheit
– speziell bei technischen Uphills eine Macht
– extrem edler Look und hochwertige Verarbeitung
– geniales Fahrwerk

Schwächen

– Preis
– Hinterreifen fehlt es an Grip

Uphill
Downhill
Laufruhe
Agilität
Preis-Leistung

Mehr Infos findet ihr unter: pivotcycles.com


Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als ENDURO-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, das die Mountainbike-Welt auch weiter ein kostenloses und unabhängiges Leitmedium hat. Jetzt Supporter werden!

Text: Fotos: Boris Beyer