Kannst du dir etwas Besseres als Mountainbiken vorstellen? Aktuell vermutlich nicht. Millionen von Menschen (insbesondere in den USA) jedoch schon. Einst glückliche Mountainbiker verbringen mittlerweile zwar noch mehr Zeit an der frischen Luft, allerdings bekommen sie davon nicht viel mit. Wir sind dem seltsamen Phänomen auf den Grund gegangen – und wären beinahe überfahren worden.

Verfolgt man die GPS-Daten dieser Ex-Mountainbiker über ihre Strava-Accounts, lassen sich mehrere Vermutungen anstellen:

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  • Sie haben irgendetwas im Wald oder in der Stadt verloren und suchen kreisförmig danach.
  • Sie haben ein neues Strava-Segment entdeckt und fahren unzählige Runden, um den KOM zu knacken (in der Stadt?).
  • Sie sind betrunken (aber so lange kann man eigentlich gar nicht betrunken sein).
  • Sie sind verrückt (warum zur Hölle finden die meisten Bewegungen um 3.00 Uhr morgens statt, wenn alle normalen Menschen schlafen?).
  • Sie sind jetzt alle Trailrunner und Parkour-Athleten (oder warum nehmen sie Wege, die gar nicht existieren?).
Was unser Praktikant in unserem Fahrradkeller sucht?
Was unser Praktikant in unserem Fahrradkeller sucht?
Links die leere Werkbank, rechts der Blick durch die App …
Links die leere Werkbank, rechts der Blick durch die App …

Die Erleuchtung kam, als unser Praktikant Valentin für mehrere Stunden grundlos in der Werkstatt verschwand und plötzlich verschwitzt und völlig aufgelöst wieder im Büro auftauchte. Es ginge einfach nicht, sagte er. 50 Pokémonbälle habe er verschwendet und Pikachu immer noch nicht gefangen.

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Auf einmal ergab es alles Sinn: Diese armen Menschen waren Geiseln ihres eigenen Ehrgeizes. Wenn diese Menschen die gleiche Hingabe ihrem Training widmen würden, hätten wir in Kürze mehr Straßen-, XC-, Enduro- und Downhill-Weltmeister als jede andere Nation.

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Stattdessen jagen sie mit ihrem Handy einer Augmented Reality hinterher – stur auf ihre Displays starrend, während sie diese über Ersatzakkus in ihrer umfunktionierten SWAT-Bib-Short laden, in der zudem Energiergel und eine Wasserflasche für mehrere Stunden Pokémon-Safari stecken.

Die Natur ist in Gefahr! Wo gestern noch vereinzelte Reifenspuren auf Mountainbiker hinwiesen, finden sich heute nur noch plattgetrampelte Pfade von Pokemonjagenden Ex-Mountainbikern. Im Vergleich zu Pokemonjagenden Nicht-Mountainbikern haben sie jedoch den Vorteil, dass sie mit der Stealth-Sohle ihrer FiveTens in noch entlegenere Gebiete vordringen und dort noch seltenere Pokemons fangen können.
Die Natur ist in Gefahr! Wo gestern noch vereinzelte Reifenspuren auf Mountainbiker hinwiesen, finden sich heute nur noch plattgetrampelte Pfade von Pokemonjagenden Ex-Mountainbikern. Im Vergleich zu Pokemonjagenden Nicht-Mountainbikern haben sie jedoch den Vorteil, dass sie mit der Stealth-Sohle ihrer FiveTens in noch entlegenere Gebiete vordringen und dort noch seltenere Pokemons fangen können.

Die Weltuntergangsfilme mit Aliens und Monster-Tsunamis aus Hollywood haben alle die wirkliche Gefahr nicht erkannt. Es sind auch nicht die Donald Drumpfs und Waffengesetze dieser Welt. Sondern es ist die Menschheit selbst, die sich an den Rand der Apokalypse begibt, wie jüngste Meldungen aus den USA bestätigen: Leichenfunde, von Pokémon-Jägern überlaufene Polizei-Stationen, von Gangstern in Hinterhalte gelockte (und ausgeraubte) Pokémon-Spieler, Massenkarambolagen, Drohnen-Cheating, Hausfriedensbruch und vieles mehr. Experten erwarten in Kürze die ersten Toten, wenn Ex-Mountainbiker – blind auf Displays starrend – über Bahnschienen laufenden Pokémons hinterherjagen. Oder noch schlimmer: Menschen, die jahrelang keinen Wald gesehen haben (weil man mit einer PS4 oder damals mit Nintendo 64 im Wohnzimmer gefangen war), rennen auf Pokémon-Jagd Mountainbike-Trails hinauf und verursachen Massenkarambolagen mit vollkommen überraschten Mountainbikern. Höchste Zeit also, dass sich Mountainbiker und Jäger zusammentun, um die Ruhe und Balance im Wald zu schützen!

This is insanity. #PokemonGO #Pokemon

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Okay, vielleicht entspricht (noch nicht) jede dieser Meldungen aus den USA der Wahrheit oder hat den Weltuntergang zur Folge, aber die Wahrscheinlichkeit, dass noch mehr passieren wird, ist hoch. Hoffen wir, dass unsere Sucht nach Mountainbikes stärker ist als die nach der schlimmsten (aber auch faszinierendsten App) dieses Jahres: Pokémon Go.

In den USA wurde Pokémon Go zwei Tage nach dem Erscheinen bereits auf mehr als 5 % aller Android-Geräte installiert. Innerhalb von 13 h wurde es zur beliebtesten iOS-App in den USA bereits das Datingportal Tinder hinter sich gelassen. Mehr als 60 % der Nutzer geben an, das Spiel täglich zu nutzen.

https://s14761.pcdn.co/wp-content/uploads/2016/03/AB_20160307_FocusTrailTeamFinale_403-785-2280x1520.jpg Fabian Scholz im entfernten Finale Ligure. Hier sollen auch seltene Pokemons wie Lavados zu finden sein.
Fabian Scholz im entfernten Finale Ligure. Hier sollen auch seltene Pokemons wie Lavados zu finden sein. Foto: Axel Brunst

Gerüchten zufolge wurde sogar der amtierende deutsche Enduro-Meister, Fabian Scholz auf Pokemon-Jagd gesichtet. Ganz das Rennenfahren verlassen will er aktuell noch nicht. Denn durch die internationalen Rennen komme er viel in der Welt herum, was ihm einen extremen Vorteil verschaffe: In diesen Regionen gibt es häufig seltene Pokemons wie Mewtu, Arktos, Zapdos oder Lavados an die kaum ein Spieler herankommt.

Die Geschichte wiederholt sich: Bereits im Jahr 2000 wurden vor dem “massiven Aufruf zu gewalttätigem Verhalten” gewarnt!

Reaktionen zu Pokemon Go auf den Trails:

E-Mountainbiker rüsten um:

Quelle: Facebook, H Besel
Quelle: Facebook, H Besel

Aus Sicherheitsgründen posten wir hier keinen Link zur App. Und bitte bleibt dem Mountainbiken treu! Save our jobs … ansonsten müssen wir noch ein Pokémon Go-Magazin machen. Mmmh, gar keine so schlechte Idee! Na ja, eigentlich schon. In diesem Sinne, Augen auf, wenn ihr auf dem Bike unterwegs seid! Wer weiß, vielleicht laufen rücksichtslos aufs Handy starrende Zombies hinter der nächsten Kurve über den Trail.


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Text: Robin Schmitt Fotos: Robin Schmitt, Valentin Rühl

Über den Autor

Robin Schmitt

Robin ist einer der zwei Verlagsgründer und Visionär mit Macher-Genen. Während er jetzt – im strammen Arbeitsalltag – jede freie Sekunde auf dem Bike genießt, war er früher bei Enduro-Rennen und ein paar Downhill-Weltcups erfolgreich auf Sekundenjagd. Nebenbei praktiziert er Kung-Fu und Zen-Meditation, spielt Cello oder mit seinem Hund (der eigentlich seiner Freundin gehört!), bereist fremde Länder und testet noch immer zahlreiche Bikes selbst. Progressive Ideen, neue Projekte und große Herausforderungen – Robin liebt es, Potenziale zu entdecken und Trends auf den Grund zu gehen.