Das Privateer 161 ist brandheiß und brachte unsere Server fast zum Schmelzen, als wir den ersten Test veröffentlichten. Wenn ihr nach einer Rennmaschine fürs Wochenende sucht, um in den Ranglisten ein paar Plätze nach oben zu klettern oder eure Freunde bergab abzuhängen, dann könnte das Privateer 161 genau nach eurem Geschmack sein. Aber liegt sein Fokus vielleicht zu sehr auf Racing?

Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste 2020er Enduro-Bike unter 3.500 € – 9 Bikes im Test

Privateer 161 | 170/161 mm (v/h) | 15,9 kg in Größe P3 | 3.199 € | Hersteller-Website

Das Privateer 161 im Detail

Das 15,9 kg schwere Privateer 161 besitzt am Heck 161 mm Federweg, einen Horst-Link-Hinterbau, 29”-Laufräder und eine Geometrie, die voll im Trend liegt. Zudem ist es ein Meister in puncto Zuverlässigkeit und schnörkellosen Performance. Das 3.299 € teure Bike hält sich bei seiner Ausstattung nicht zurück und die wichtigsten Parts (Bremsen, Fahrwerk und Reifen) sind echte Volltreffer. Um das Fahrwerk kümmert sich RockShox, mit der über jeden Zweifel erhabenen 170 mm RockShox Lyrik Ultimate-Federgabel inklusive RC2.1-Dämpfungskartusche und dem RockShox Super Deluxe Ultimate-Dämpfer. Bei den Bremsen handelt es sich um die MAGURA MT5-Stopper mit massiver Bremskraft. Racern dürfte auch die Zuverlässigkeit des 12-fach Shimano XT-Schalthebels und SLX-Antriebs gefallen. Das Bike rollt auf HUNT Enduro Wide-Laufrädern mit 33 mm Innenweite (HUNT ist die Schwestermarke von Privateer) und die Reifen kommen aus dem Hause Michelin, in Form der aggressiven Michelin Wild Enduro-Reifen. Auch der Rest der Ausstattung stammt von namhaften Herstellern: ein Race Face 35 mm Atlas-Lenker, ein 40 mm Aeffect-Vorbau und eine 170 mm OneUp Components V2-Teleskopsattelstütze runden das Paket ab.

Tiefergelegt
Das Bike bietet viel Platz für einen sehr aktiven Fahrstil. Auch in schnell aufeinanderfolgende Kurven kann man sich mit Leichtigkeit hineinlehnen.
Dämpfer-Tune
Privateer hat seit unserem letzten Test die Druckstufen-Einstellung am Dämpfer verringert – und das macht einen riesigen positiven Unterschied
Anker
MAGURAs MT5-Bremsen sind kraftvolle Bremsen und wir können nicht einmal die 180-mm-Scheiben am Bike kritisieren, so viel Power besitzen sie

Privateer 161

3.199 €

Specifications

Fork RockShox Lyrik Ultimate 170 mm
Rear Shock Rockshox Super Deluxe Ultimate 161 mm
Seatpost OneUp V2 Dropper 180 mm
Brakes MAGURA MT5 203/180 mm
Drivetrain Shimano XT/SLX 1x12
Stem Race Face Aeffect R 40 mm
Handlebar Race Face Atlas 820 mm
Wheelset HUNT Enduro Wide. 29"
Tires Michelin Wild Enduro Magi-X / Gum-X 2,4"/2,4"

Technical Data

Size P1 P2 P3 P4
Weight 15,9 kg

Specific Features


Gut für kleine Fahrer
Das überarbeitete Sitzrohr ist mittlerweile gerade geformt, ihr könnt also eine 170-mm-Teleskopstütze ganz darin versenken
Schwer, aber auch stabil
Die HUNT Enduro Wide 29-Laufräder erwiesen sich bei unserem Test als äußerst robust, beschleunigen allerdings langsam und brauchen einiges an Kraft, um vom Fleck zu kommen
Überragende Performance
Eine schlechte Federgabel kann ein Bike limitieren, doch das Limit der RockShox Lyrik Ultimate am Privateer 161 liegt weit jenseits von unserem eigenen

Die Geometrie des Privateer 161

Zweifellos ist es ein großes Bike, mit einem Reach von 490 mm (in Größe P3, der dritten von vier Größen), einem 64°-Lenkwinkel und größenspezifischen, langen 446-mm-Kettenstreben. Doch es ist sein 80°-Sitzwinkel, der in den Foren am heißesten diskutiert wird. Die drei größten Rahmengrößen des Privateer 161 – P2, P3 und P4 – besitzen 29”-Laufräder, wohingegen die kleinste Größe P1 über die kleineren 27,5”-Laufräder verfügt. Eine Tretlagerabsenkung von 30 mm sorgt für eine gelungene Integration in das Bike und die großzügigen Abmessungen und flachen Winkel resultieren in einem langen Radstand von 1.278 mm bei Größe P3.

Größe P1 P2 P3 P4
Sattelrohr 400 mm 420 mm 450 mm 480 mm
Oberrohr 553 mm 582 mm 603 mm 630 mm
Steuerrohr 120 mm 110 mm 120 mm 130 mm
Lenkwinkel 64,0° 64,0° 64,0° 64,0°
Sitzwinkel 75,3° 75,4° 75,5° 75,5°
Kettenstrebe 434 mm 440 mm 446 mm 452 mm
BB Drop 15 mm 30 mm 30 mm 30 mm
Radstand 1.222 mm 1.250 mm 1.279 mm 1.316 mm
Reach 445 mm 470 mm 490 mm 515 mm
Stack 613 mm 634 mm 643 mm 652 mm

Wie auch bei den anderen Vertretern radikaler Geometrien, schlägt sich das Privateer 161 gegenüber seiner Konkurrenz am besten bei Vollgas in grobem Terrain. Es ist verdammt schnell, und der Versuch, sein Limit auszutesten, brachte uns lediglich an unser eigenes.

Helm MET Roam | Brille Oakley Race Jacket | Jersey Fast House Speed Shop L1
Hose Levi 511 Stretch | Schuhe ION Rascal

Das Privateer 161 auf dem Trail

In Erwartung eines radikalen Erstkontakt waren wir davon überrascht, wie zentral und komfortabel die Sitzposition des Privateer 161 bergauf in Wirklichkeit ausfällt. Das steile Sitzrohr bringt euch näher an den Lenker und lässt den langen 490-mm-Reach dadurch weniger extrem erscheinen. Im Vergleich zu den anderen Bikes im Test spürt man direkt, dass man weiter vor dem Tretlager sitzt, und auf wirklich steilen Anstiegen ist dies eine äußerst effiziente Position. Auch wenn das Privateer 161 steile Forstwege nicht erheblich schneller hinaufklettert als seine Kontrahenten, versetzt einen die weit vorn befindliche Position direkt ins Zentrum des Bikes und erfordert weniger Energie vom Oberkörper, um das Vorderrad am Steigen zu hindern. Doch als Paradebeispiel für das kritische Gleichgewicht bei Bike-Geometrien ist es auch genau diese Position, die auf flachen Trails sehr anstrengend für die Arme ist. Der Hinterbau ist äußerst antriebsneutral und wippt nur minimal, wenn man sich bergauf ins Zeug legt. Daher hatten wir nie das Bedürfnis, den Climb Switch am Dämpfer zu benutzen. Mit 15,9 kg ist das Rad aber natürlich keine Bergziege.

Geht es bergab, werden – sobald man den Sattel verlässt – der 490 mm lange Reach und die extrem niedrige Überstandshöhe spürbar. Das Privateer hat einen super niedrigen Schwerpunkt und ist mit seinem langen 1.278 mm-Radstand enorm laufruhig. Mit seinem langen Front Center (dem längsten in diesem Vergleichstest) erfordert es eine aktivere Fahrposition über dem Lenker, um dem Vorderrad ausreichend Grip zu verleihen. Daher ist es nicht das beste Bike für gemütliche oder unerfahrene Piloten. In Kurven liegen die Stärken des Privateer 161 in offenen Vollgas-Sektionen, wo seine enorme Laufruhe und die überragende Kombi aus Federgabel und Dämpfer gewaltigen Grip generieren. Die Performance des Hinterbaus ist ebenfalls perfekt geeignet für harte Strecken, wo die hohe Progression für viel Feedback sorgt, ohne dabei Stabilität oder Support zu beeinträchtigen. In engen Sektionen braucht es mehr Kraft, um das Bike durch die Kurve zu bringen, und es ist nicht ganz so agil, wie einige andere Bikes im Test – aber das ist eben der Preis der Laufruhe. Insgesamt lässt die Ausstattung keine Wünsche offen, am Rahmen knarzt nichts und auch kein nerviges Klappern ist zu hören. Selbst die günstigen HUNT Enduro Wide 29-Laufräder passen super zum Bike und überlebten in unserem Test einige größere Missgeschicke, allerdings sind sie träge im Antritt. Die einzige Sache, die wir am Privateer 161 wirklich bemängeln, ist der billig wirkende Rahmenschutz. Aber wenn wir ehrlich sind, würden wir die überragende Federgabel natürlich jederzeit einem aufwändig und damit teuer produzierten Rahmenschutz vorziehen.

Wie schlägt sich das Privateer 161 im Vergleich zu den anderen Bikes in diesem Test?

So kompromisslos, wie es sich schon auf dem Papier präsentiert, ist das Privateer 161 auch in Realität ein Bike, das sich schwer in eine Schublade stecken lässt. Andere Bikes in diesem Test, wie etwa das Propain Tyee CF oder Nukeproof Mega, liefern zwar auf steilen Abfahrten eine fast genauso gute Performance ab und lassen sich leichter handeln. Im Gegensatz dazu aber blüht das Privateer 161 in den Händen eines versierten Fahrers auf rauen Strecken erst so richtig auf und ist dann auch extrem schnell. Sein engster Rivale in diesem Vergleichstest ist das YT CAPRA. Beide sind bergab echte Monster, erreichen mühelos wahnwitzigen Speed bei zugleich enormer Laufruhe und unterscheiden sich kaum. Doch wenn man nach erfolgtem Downhill zurück nach oben pedalieren muss, würden all unsere Tester das Privateer bevorzugen.

Tuning-Tipps: Sattel mittig oder nach hinten geschoben montieren, außer es ist sehr steil | Racer montieren einen leichteren und steiferen Laufradsatz

Riding Characteristics

12

Uphill

1
  1. sluggish
  2. efficient

Agility

2
  1. cumbersome
  2. playful

Stability

3
  1. nervous
  2. confident

Handling

4
  1. demanding
  2. balanced

Suspension

5
  1. harsh
  2. plush

Fun Factor

6
  1. planted
  2. poppy

Value for money

7
  1. terrible
  2. very good

Intended Use

XC

8

Trail

9

Enduro

10

Downhill

11

Fazit

Das Debüt des Privateer 161 ist ein echter Erfolg. Das Privateer 161 klettert mit Freude die steilsten Anstiege hinauf und ist dabei zwar nicht immer das schnellste Bike, aber dafür ziemlich komfortabel. Der lange Reach und große Radstand benötigen einen aktiven Fahrer, der die lange und laufruhige Geometrie voll ausnutzen kann. Wenn ihr ohne Zweifel auf der Suche nach einem Bike seid, um damit KOMs zu erobern, Ergebnislisten nach oben zu klettern und dafür gern etwas Vielseitigkeit opfert, dann solltet ihr euch das Privateer holen.

Tops

  • laufruhig und extrem schnell
  • RockShox Lyrik Ultimate bietet enorme Kontrolle
  • sehr gutes, ausgewogenes Fahrwerk

Flops

  • erfordert einen aktiven Fahrstil und fühlt sich auf moderaten Trails schnell gelangweilt an
  • flache Anstiege gehen auf die Arme

Mehr Informationen findet ihr unter privateerbikes.com

Das Testfeld

Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste 2020er Enduro-Bike unter 3.500 € – 9 Bikes im Test

Alle Bikes im Test: Canyon Torque AL 6.0 (Zum Test) | GIANT Reign SX 29 (Zum Test) | Ibis Ripmo AF Coil (Zum Test) | MERIDA ONE-SIXTY 700 (Zum Test) | Nukeproof Mega 290 Expert (Zum Test) | Privateer 161 | Propain Tyee CF (Zum Test) | Trek Slash 8 29 (Zum Test) | YT Capra Comp 29 (Zum Test)


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Text: Fotos: Trev Worsey, Finlay Anderson