Mit unterschiedlichen Zielen und Ausgangspositionen sind auch in diesem Jahr wieder zwei Redakteure von ENDURO beim TREK BIKE ATTACK in Lenzerheide an den Start gegangen. Hier berichten sie von Höhen und Tiefen, Leid und Freude, Schmerz und Ekstase, die sie auf den 2.000 Tiefenmetern vom Rothorn bis nach Churwalden erfahren haben.

Daniel hat sich in der Quali mit einem Platten am Hinterrad als 49. ins Ziel gerettet. Hier erfahrt ihr, wie es ihm und Aaron am Renntag ergangen ist.
Daniel hat sich in der Quali mit einem Platten am Hinterrad als 49. ins Ziel gerettet. Hier erfahrt ihr, wie es ihm und Aaron am Renntag ergangen ist.

07:00 Hotelzimmer – Aaron

Der Wecker klingelt wie zuvor eingestellt, aber dennoch viel zu früh. Mühsam schäle ich mich aus dem Bett. Knapp 800 Bikes und Biker wollen pünktlich bis zum Start am Gipfel sein und die Kapazitäten sind begrenzt – die ersten mussten bereits um 6:15 h die Liftfahrt antreten, sinniere ich beim Frühstück. Ein schwacher Trost bei starkem Kaffee.

07:00 Hotelzimmer – Daniel

Erst ein fernes Läuten, dann reißt mich Aarons anhaltendes Gerumpel kurz aus meinen
e̶̶r̶̶o̶̶t̶̶i̶̶s̶̶c̶̶h̶̶e̶̶n̶̶ ̶̶T̶̶r̶̶ä̶̶u̶̶m̶̶e̶̶n̶̶ Podiumsträumen. Umdrehen löst das Problem effektiv.

Kein schlechtes Panorama! Allerdings änderte sich dieser Anblick in den folgenden vier Stunden auch kaum ...
Kein schlechtes Panorama! Allerdings änderte sich dieser Anblick in den folgenden vier Stunden auch kaum …

09:00 Bergstation Rothornbahn – Aaron

Angekommen auf 2.820 m Höhe. Sonnenschein und ein spektakuläres Panorama erwarten die Biker, eine leichte Brise kühlt angenehm. Geordnet und ohne Stress kann man seine Bikes in dem in der Quali verdienten Startblock positionieren. Innerhalb des Blocks gilt „first come first serve“. Dann beginnt das Warten auf den Start.

09:00 Frühstücksraum – Daniel

Gemütlich starte ich mit einer Riesenschüssel Birchermüsli in den Raceday. Der Kaffee ist stärker, als ich ihn brauche, aufgeregt bin ich auch so. Ausschlafen war Gold wert, schon jetzt hat sich Platz 49 im Quali-Lauf am Vortag gelohnt!

10:00 Parkplatz – Daniel

Weniger gemütlich: Der wegen einem Platten in der Quali notwendige Reifenwechsel stellt sich als komplizierter heraus als gedacht, erst mithilfe der geliehenen Bontrager FlashCharger-Pumpe gelingt es mir, den Maxxis Ardent (Exo Karkasse) tubeless zu montieren. Ein Schlauch ist beim Untergrund des Rothorns keine Alternative! Den Maxxis Minion mit Downhill-Karkasse lasse ich links liegen, schließlich wird das Rennen heute auch bergauf entschieden. Runde 15–20 min veranschlage ich für das tretlastige Stück von der Talstation der Rothornbahn bis nach Churwalden. Die fehlende Traktion im oberen Teil der Strecke gleiche ich schon irgendwie aus.

11:00 Bergstation Rothornbahn – Aaron

Nur noch knapp zwei Stunden bis zum Start. Selbst am spektakulärsten Panorama hat man sich nach drei Stunden sattgesehen. Inzwischen sind fast alle Fahrer anwesend, die Hänge gefüllt mit Mensch und Metall. Überall wird gefachsimpelt und letzte Tipps werden ausgetauscht.

11:15 Talstation Bikepark Lenzerheide – Daniel

Die freundlichen Helfer sind in unsere Helmwechsel-Taktik eingeweiht – nun ist wirklich alles für die 200 Höhenmeter im Schlussteil des Rennens vorbereitet. Als einer der Letzten begebe auch ich mich nun auf den Weg zum Gipfel.

12:30 Uhr: Startschuss für die Frauen.
12:30 Uhr: Startschuss für die Frauen.

12:30 Es geht los, Start der Frauen!

Das 48 Starterinnen starke Feld setzt sich langsam in Bewegung. Während Steffi Marth (Trek Gravity Girls) die erste Kurve als Führende verlässt, schickt ein spektakulärer Sturz in eben dieser Kurve ein besorgtes Raunen durch die Zuschauerränge – verständlich, darf sich der Großteil der Anwesenden gleich ebenfalls dieser Kurve stellen. Zum Glück kann die Fahrerin das Rennen fortsetzen und die Verfolgung aufnehmen!

12:40 Startblock 5 – Aaron

Kaum sind die letzten Mädels am Horizont verschwunden, begeben sich die 704 verbleibenden Starter zu ihren Bikes. Offenbar bin ich im motiviertesten Startblock gelandet, die Bikes reichen so dicht aneinander, dass die dazugehörigen Fahrer keinen Platz finden. Nach etwas Hin und Her ist jeder zumindest in der Nähe seines Bikes.

12:40 Startblock 1 – Daniel

Mühsam quetsche ich mich an ca. 700 Leuten vor bis in meinen Startblock vorbei. Bis zur letzten Minute zu warten war vielleicht doch nicht die beste Idee, jetzt stehe ich in der letzten Reihe meines Startblocks.

Lenker an Lenker drängt sich das Fahrerfeld bis zum Startbogen.
Lenker an Lenker drängt sich das Fahrerfeld bis zum Startbogen.

12:55 – Aaron

Die Begrenzungen zwischen den Startblöcken werden aufgehoben, das Feld rückt weiter zusammen. Mein gewählter Platz – am Rand zum Berg hin – verhindert, dass ich mich allzu weit nach vorne schieben kann. Das soll sich wenige Minuten später jedoch als gute Wahl herausstellen.

12:55 – Daniel

Gerade mit der Feinjustage der Helmcam beschäftigt, werde ich vom plötzlichen Vorrücken der Fahrer überrascht. Schnell versuche auch ich noch die eine oder andere Startreihe gutzumachen, um nicht in der letzten Reihe meines Blocks starten zu müssen. Logischerweise bin ich aber nicht der einzige, der diesen Plan verfolgt.

13:00 Start! – Daniel

Päng – Racetime! Die Lawine beginnt zu rollen. Es gelingt mir, mich ganz nach links zu schieben und auf der schmalen Linie einige Plätze gutzumachen. Kurz vor der Kurve werde ich allerdings nach links gedrückt und kippe in die Falllinie, vorbei an einem der Tore, die die Rennstrecke begrenzen. Ich nutze eine Lücke, um mich wieder im Tross einzuordnen und hoffe, nicht disqualifiziert zu werden.

13:00 Start! – Aaron

Päng – Racetime! Nichts passiert. Erst nach einigen Sekunden kommt langsam Bewegung in die Fahrer um mich herum. Aufsteigen wäre zwecklos, also schnappe ich mir das GT Sanction und versuche, mich in jede sich auftuende Lücke zu drängen. Sobald sich die Gelegenheit ergibt, klettere ich nach rechts die Böschung hoch und stolpere über das lose Geröll an weiteren Fahrern vorbei. Die Luft füllt sich mit Staub und dem Geräusch von rutschenden Steinen. Hallo BIKE ATTACK, ich habe dich vermisst!

Läuft! Auch wenn einige Linien nur grob passen, kann Daniel weiter ein paar Plätze gutmachen.
Läuft! Auch wenn einige Linien nur grob passen, kann Daniel weiter ein paar Plätze gutmachen.

13:02 Daniel

Es läuft! Die Linien durch die Geröllebene sitzen zwar nur grob, trotzdem schiebe ich mich durch die verschiedenen Engstellen und an ein paar Startern vorbei. Direkt vor mir stürzt ein anderer Fahrer, nur um Haaresbreite kann ich seinem Bike ausweichen. Dank Dean Easy Doppelkammer-System und 1,3 Bar in beiden Laufrädern stürze ich mich selbstbewusst in die ruppigen Highspeed-Passagen.

13:02 Aaron

Der Start hat gepasst, die ersten Kurven sind überlebt und um mich rum ist die Hölle los. In den wenigen, ausgefahrenen Linien durch das Geröllfeld reiht sich Vorderrad an Hinterrad und umgekehrt. Ständig muss ich improvisieren. Nach dem Motto „im Zweifelsfall immer nach oben“ kann ich einige Plätze gutmachen, nur vereinzelt schießen deutlich schnellere Fahrer in Harakiri-Manier an mir vorbei – alter Schwede!

13:03 Daniel

Die Galerie, ein hölzerner Tunnel, ist erreicht. Gerade will ich mich freuen, die plattengefährlichste Sektion mit Luft in den Reifen hinter mich gebracht zu haben. Ich trete, was ich kann, und will gerade zum Überholen ansetzen – da wird der Abstand zum Vordermann wieder größer, bis ich nach wenigen Sekunden selbst überholt werde. Ein Zischen am Hinterrad lässt mich realisieren, dass doch passiert ist, was ich unter allen Umständen vermeiden wollte. Aber wie? Schließlich besteht der Untergrund hier aus Holzlatten und feinem Schotter, ein Durchschlag ist praktisch unmöglich! Ich entscheide mich, den Reifen nicht zu flicken und zur Mittelstation zu schieben. Ob DNF oder Platz Vierhundertirgendwas – unglücklich wäre ich eh.

13:16 Aaron, irgendwo in einer großen Staubwolke

Sichtweite 5 m, Geschwindigkeit 75 km/h. Den Lenker im Deathgrip (Kräfte sparen!) folge ich der unscharfen Kontur des Vordermanns über ruppige Wiesensegmente und grob geschotterte Wege. Steine fliegen und mit jedem Atemzug inhaliere ich mehrere Gramm Staub. Die Luft ist erfüllt vom Scheppern, Scharren und Schlagen der verschiedenen Bikes. Fühlt sich ziemlich nach BIKE ATTACK an, das alles.

Aaron war laut Strava mit rund 75 km/h Spitze in Richtung Tal unterwegs.
Aaron war laut Strava mit rund 75 km/h Spitze in Richtung Tal unterwegs.

13:18 Aaron

Die Strecke verlässt die Falllinie und zieht sich recht eben auf einem engen, teils verblockten Singletrail den Hang entlang. Die ersten Meter kann ich mein Tempo noch halten, dann gerate ich in einen Stau. Absteigen, das Bike schultern und links an der Kolonne vorbei. Warum bin ich eigentlich so außer Atem? Ging bis jetzt doch nur bergab.

Die Hände schmerzen, die Länge der Stecke macht sich so langsam bemerkbar.
Die Hände schmerzen, die Länge der Stecke macht sich so langsam bemerkbar.

13:23 Mittelstation – Aaron

So langsam macht sich die Länge der Strecke bemerkbar, vor allem die Hände sind müde und wollen den Lenker nur noch mit Müh und Not halten. In den ausgewaschenen Anliegern verliere ich Zeit und muss eine Handvoll Fahrer passieren lassen.

13:29 Talstation Rothornbahn – Aaron

Geschafft! Zumindest die Hände können sich jetzt erstmal ein bisschen erholen, dafür sind jetzt die Beine gefragt. Die fühlen sich noch erstaunlich gut an. Die von Schlicke rekrutierten Helfer reichen mir die Halbschale – Idee des Jahres! Zumindest, wenn ich nicht 20 s gebraucht hätte, mit den erschöpften Händen den Doppel-D-Verschluss am Fullface zu lösen. Egal, geschafft und weiter!

Von Fotografen belächelt bleibt Daniel nichts anderes übrig, als zur Mittelstation zu schieben.
Von Fotografen belächelt bleibt Daniel nichts anderes übrig, als zur Mittelstation zu schieben.

13:30 Mittelstation Rothornbahn – Daniel

Das Fahrerfeld ist lang an mir vorbeigezogen, von einigen Fotografen wurde ich noch belächelt. Endlich erreiche auch ich die Mittelstation der Rothornbahn und kann mich entspannen – oder doch eher über den Verlauf des Rennens ärgern?!

13:35 Aaron

Ein metallisches Geräusch mischt sich, gefolgt von einem Klimpern, unter die gewohnte Geräuschkulisse, die das GT Sanction bei hohen Geschwindigkeiten von sich gibt – nicht gut, ich verliere Material. Genauer gesagt: den Ringeinsatz rund um die Hauptlagerachse. Von den 20 gesparten Gramm merke ich nichts, vom erhöhten Flex umso mehr. Anhalten ist keine Option, also weiter und hoffen, dass die Kollateralschäden sich in Grenzen halten.

Mit angeschlagenem Bike, Lunge voller Staub und leeren Beinen kämpft sich Aaron den letzten Hügel hinauf.
Mit angeschlagenem Bike, Lunge voller Staub und leeren Beinen kämpft sich Aaron den letzten Hügel hinauf.

13:47 Letzter Anstieg – Aaron

Puls 9.000, alles brennt, statt Blut fließt nur noch Lactat in meinen Adern. Mein Gesichtsfeld zieht sich mehr und mehr zusammen, der Kopf ist leer. Ich habe keine Ahnung, wie ich mich schlage, werde überholt und überhole. Endlich: letztes Schussstück, Zielgerade, Schlussdrop und Finish! Blick auf die Zeit: 10 min schneller als letztes Jahr, check! Platz 184.

Da ist er! Der Grund, weshalb Daniel das BIKE ATTACK unfreiwillig früher beenden musste.
Da ist er! Der Grund, weshalb Daniel das BIKE ATTACK unfreiwillig früher beenden musste.

13:47 Parkplatz – Daniel

Wieder befinde ich mich auf dem Parkplatz und wieder halte ich mein hinteres Laufrad in den Händen. Verärgert will ich unbedingt wissen, weshalb ich aufgeben musste. Als ich den Mantel von der Felge ziehe, finde ich einen knapp 10 cm langen Nagel. Ich weiß nicht, ob ich schreien oder lachen soll, schieße stattdessen ein Beweisfoto und mache mich auf den Weg zu Aaron, der sich mittlerweile im Ziel befinden müsste. Vielleicht ja nächstes Jahr!

Ob Höhen oder Tiefen, Schmerz und Leid oder Freude – das TREK BIKE ATTACK bietet Spaß, egal von welcher Ausgangslage man das Wochenende startet. Rückblickend könnten wir uns kaum ein besseres Wochenende vorstellen. Wir freuen uns schon auf nächstes Jahr!

Hier noch einmal das Rennen aus Daniels Sicht in Bildern:

Text: Aaron Steinke / Daniel Schlicke Bilder: Sportograf / Daniel Schlicke


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