Es scheint wie Liebe auf den ersten Blick und zugegeben, das RADON JAB 10.0 sieht auch einfach verdammt gut aus! Doch für eine glückliche Beziehung braucht es mehr als eine geile Optik. Taugt das RADON JAB für mehr als nur eine kurze Affäre oder stößt man es am nächsten Morgen lieber von der Bettkante?

Radon JAB 10.0 | 160/160 mm (v/h) | 12,81 kg | 4,999 €

Der erste Kontakt mit dem RADON JAB ähnelt dem vorsichtigen Abtasten in einer Bar. Schon beim ersten Blickkontakt ist man überwältigt. Beim näheren Hinsehen wird klar, dass der erste Eindruck nicht getrübt war. Soweit das Auge reicht, finden sich technische Raffinessen im und edelste Komponenten am Rahmen. Eines der wichtigsten Elemente ist der Carbonrahmen selbst, der nicht nur gut aussieht, sondern darüber hinaus auch leicht ist (2350 g). Was schön ist, will auch schön bleiben. Daher schützen die integrierten Protektoren an der Kettenstrebe, an der Schwinge kurz hinter dem Tretlager und am Unterrohr den Rahmen vor Fremdkontakt. Das ist auch nötig, denn beim Pedalieren bleibt man hin und wieder am breiten Hinterbau hängen – nervig. Mit dem Flip-Chip am Umlenkhebel kann man entscheiden, ob das Rad entweder leichter bergauf geht mit einem höheren Tretlager und einem steileren Sitz-/Lenkwinkel oder ob es abfahrtsorientierter agiert.

Um den cleanen Stealth-Look des Rahmens nicht zu verschandeln, verlaufen die Züge in seinem Inneren und dank der Spannschrauben an den Eingängen klappert auch nichts. Versteckt sind nicht nur die Züge, auch die Lager wurden so in das Rahmendesign integriert, dass sie kaum auffallen. Aufgrund der Aussparung am Unterrohr passt auch ganz entspannt der Dämpfer mit Ausgleichsbehälter in das JAB.

Genau so modern wie das Design des RADON JAB ist auch die Rahmengeometrie: lang, flach, kurz, steil. Dieser Reihenfolge nach verfügt das JAB über einen langen Reach von 466 mm. Die Federgabel trifft in einem flachen 65,2°-Lenkwinkel auf die Horizontale zwischen den beiden Laufradachsen, in der flachen Flip-Chip-Position. Die Laufradachsen liegen bei einem L-Rahmen 1.215 mm auseinander, wovon gerade mal 427 mm zu den Kettenstreben gehören. Das einzig Steile am RADON JAB ist der Sitzwinkel, der mit 74,6° zumindest auf dem Papier eine angenehme Sitzposition verspricht.

Das Radon JAB 10.0 im Detail

Federgabel FOX 36 Float Factory 160 mm
Dämpfer FOX X2 Float Factory 160 mm
Bremsen SRAM Code RSC
Schaltung SRAM X01 Eagle
Sattelstütze FOX Transfer Factory
Vorbau Race Face Turbine R 40 mm
Lenker Race Face Turbine Next R 800 mm
Reifen Schwalbe Magic Mary / Schwalbe Hans Dampf
Laufräder E*Thirteen TRS+
Gewicht 12,81 kg
Preis 4.999 €

Versteckt
Um den Stealth-Look des Bikes weiter zu unterstützen, hat RADON die Lagerpunkte geschickt versteckt. Nice!
Prellbock
Die SRAM Code RSC-Bremsen packen ordentlich zu, wenn man es von ihnen verlangt
Mucksmäuschenstill
Die Spannschrauben an den Eingängen der innenverlegten Züge lassen keinen Raum für Bewegung und machen das Rad dadurch angenehm leise
Flip it …
… oder lieber nicht. Der Flip-Chip lässt das Rad noch freudiger klettern, bergab verliert es in der steilen Position aber deutlich an Fahrspaß.

Das RADON JAB ist nur als Carbon-Variante zu haben und startet bei 3.599 €. Das Ende der Fahnenstange bildet das RADON JAB 10.0 für faire 4.999 €. Bei unserem Testrad handelte es sich um das Top-Modell mit einem edlen FOX Factory-Fahrwerk, bestehend aus der 36 FLOAT EVOL-Federgabel und dem X2 FLOAT-Dämpfer. Die FOX Transfer Factory-Sattelstütze komplettiert den Kashima-/Stealth-Look des RADON und funktioniert wie das Fahrwerk tadellos. Tadellos schalten sich auch die 12 Gänge der SRAM X01 Eagle-Schaltung. Etwas zwiespältig verhält es sich mit den neuen Schwalbe Addix-Reifen: Mit dem Magic Mary vorne und dem Hans Dampf hinten laufen sie zwar geschmeidig und mit viel Grip. Aber sobald scharfe und kantige Steine den Weg säumen, sind sie ständig platt.

Schwarz und kantig…
das Radon erinnert stark an einen Stealth-Bomber!

Die Geometrie des Radon JAB 10.0

Größ 16″ 18″ 20″ 22″
Sattelrohr 395 mm 425 mm 455 mm 490 mm
Oberrohr 576 mm 598 mm 620 mm 642 mm
Steuerrohr 100 mm 110 mm 120 mm 135 mm
Lenkwinkel 65,2/65,8° 65,2/65,8° 65,2/65,8° 65,2/65,8°
Sitzwinkel 74,6/75,2° 74,6/75,2° 74,6/75,2° 74,6/75,2°
Kettenstrebe 427 mm 427 mm 427 mm 427 mm
Tretlagerabsenkung 14/8 mm 14/8 mm 14/8 mm 14/8 mm
Radstand 1.170 mm 1.193 mm 1.215 mm 1.238 mm
Reach 429 mm 448 mm 466 mm 482 mm
Stack 587 mm 597 mm 606 mm 619 mm

Das Radon JAB 10.0 auf dem Trail

Ein Enduro muss sowohl bergauf als auch bergab eine gute Figur machen! Bergauf gibt es beim RADON JAB auch wenig auszusetzen, sofern man von der Plattformdämpfung des FOX X2 FLOAT-Dämpfers Gebraucht macht. Andernfalls wippt der Hinterbau spürbar und in steilen Sektionen sackt man spürbar in den Federweg. Sobald man jedoch den blauen Drehregler auf „firm“ stellt, klettert das JAB 10.0 bereitwillig auf jeden Berg. Dank des 74,6°-Sitzwinkels sitzt man aufrecht und zentral über dem Tretlager. Wer maximale Performance sucht, kann den Flip-Chip in die steilere Position stellen. Wir empfehlen jedoch, den Flip-Chip in der flachen Einstellung zu lassen, da sich das JAB auch damit noch gut pedalieren lässt, die Downhill-Performance aber sonst deutlich schlechter wird. Nicht zu vernachlässigen beim Klettern: das geringe Gewicht von 12,81 kg und die riesige Bandbreit der SRAM X01 Eagle.

Helm Troy Lee A1 | Brille Oakley Jawbreaker | Jersey ION TEE LS SCRUB AMP | Shorts ION BIKESHORTS SCRUB

RADON positioniert das JAB als Abfahrtsmaschine, die den Fahrer regelmäßig dazu antreibt, noch schneller zu fahren. Das können wir so leider nicht unterschreiben. Vielmehr zeigt sich das Bike super verspielt und sehr agil. In Kurven fühlt man sich dank der zentralen Position und dem tiefen Tretlager sehr wohl. Richtungswechsel werden durch den kurzen Vorbau und die kurzen Kettenstreben direkt umgesetzt; je enger und technischer der Trail wird, desto wohler fühlt sich das JAB und lädt ständig zum Spielen und Abziehen ein. Sobald der Trail jedoch schnell wird und der Untergrund von Wurzeln überwuchert oder von Steinen zersetzt ist, wird das Rad unruhig und nervös. Zum einen liefert der Hinterbau hier nicht die gewünschte Traktion, zum anderen kosten die kurzen Kettenstreben an Fahrstabilität. Auf flowigen und sprunglastigen Trails macht das JAB dagegen richtig Laune. Es lässt sich spielerisch in Anlieger werfen und hebt schon bei den kleinsten Wellen bereitwillig ab.

  Mehr Trailbike als Baller-Enduro! Das RADON JAB fährt sich super agil und verspielt.

Fazit

Am Ende bleibt die Frage: Taugt das RADON JAB für eine glückliche Beziehung? Jein! Letztlich kommt es auf die eigenen Erwartungen an. Wer ein Tourenrad sucht, das mit einer überragenden Ausstattung punktet, gut klettert und auf engen, technischen sowie flowigen Trails zu Hause ist, findet im RADON JAB 10.0 einen treuen Begleiter. Wer jedoch ein potentes Enduro erwartet, wird vom ersten Eindruck geblendet.


Stärken

– verspieltes und agiles Handling
– geringes Gewicht
– top Preis-Leistung

Schwächen

– auf schnellen und ruppigen Trails nervös

Uphill
Downhill

Laufruhe
Agilität
Preis-Leistung

Mehr Info unter: radon-bikes.de


Dieser Artikel ist aus ENDURO Ausgabe #031

Das ENDURO Mountainbike Magazin erscheint auf Deutsch und Englisch im digitalen App-Format. Ladet euch jetzt die App für iOS oder Android und lest alle Artikel auf eurem Tablet oder Smartphone. Kostenlos!


Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als ENDURO-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, das die Mountainbike-Welt auch weiter ein kostenloses und unabhängiges Leitmedium hat. Jetzt Supporter werden!

Text & Fotos: