„Es heißt, Trails shredden ist, als würde man den Kopf unter einen Adrenalinhahn halten. Wenn das stimmt, dann ist surfen so, als würde dir jemand einen Eimer davon ins Gesicht schütten.“ Wir waren im Südwesten Englands unterwegs mit denen, die beides tun. Diese Story stammt aus Ausgabe #015 des ENDURO Mountainbike Magazines.

Ich stand an einer Ampel auf der A38 und meine kalten, weißen Finger begannen zu kribbeln, weil das warme Blut langsam zurückkehrte. Vor gerade mal einer Stunde war ich noch auf einem Surfbrett im Atlantik getrieben, die Augen zusammengekniffen wegen des beißenden Windes, und hatte Ausschau gehalten nach dieser kaum sichtbaren Erhebung am Horizont, die das nächste Wellenset ankündigt. Wir hatten unsere Boards einen Feldweg hinuntergetragen und sind dabei den Kuhfladen und Brombeersträuchern ausgewichen, bevor wir den steilen Abhang zum Meer gefährlich heruntergeschliddert waren. Das hier war ein Spot mit höchster Geheimhaltungsstufe und so wurden wir belohnt mit einem glasklaren, schulterhohen Swell und der Anwesenheit nur eines einzigen anderen Menschen. Früher war Surfen in Großbritannien eine sehr territoriale Angelegenheit und solche versteckten Plätze wurden bis aufs Blut verteidigt. Hätte man hier vor 10 Jahren eine Profi-Spiegelreflex ausgepackt, man hätte durchaus kampfbereit sein müssen! Die Zeiten haben sich zwar geändert, aber ich verzichte trotzdem lieber darauf, hier den genauen Ort zu nennen …

“If shredding trails is like holding your head under a tap of adrenalin, then riding a wave is like being smacked in the face with a full bucket.”
„Es heißt, Trails shredden ist, als würde man den Kopf unter einen Adrenalinhahn halten. Wenn das stimmt, dann ist surfen so, als würde dir jemand einen Eimer davon ins Gesicht schütten.“
"The wave opened up and adrenalin surged as I carved down nature's most elusive race track"
„Die Welle öffnete sich und das Adrenalin schoss durch meinen Körper, als ich die vergänglichste aller Rennstrecken hinabschoss.“

Was ich sagen kann ist, dass wir in Devon waren, der Heimat des Surfens, der Tea Cakes und fantastischer Singletrails. Von jeglichem Sommeridyll waren wir allerdings weit entfernt: Es war Januar, das Wasser hatte 8°C und nirgends waren Sonnenanbeterinnen im Bikini zu sehen, nur ein einsamer alter Mann, der seinen vom Wetter zerzausten Hund spazieren führte. Die salzige Gischt peitschte meinen in Neopren gekleideten Freunden entgegen. Diese Jungs sind Sturmjäger, sie studieren Wetterkarten, beobachten, wie sich die Isobaren über die Meere hinwegkrümmen und sagen voraus, wann die Wellen, die ein Tiefdruckgebiet ablädt, an der zerklüfteten Küste Devons ankommen. Der Horizont hob sich und die nächste Welle begann Form anzunehmen – perfekt, es war einfach perfekt! Ich verlagerte das Gewicht nach hinten und drehte das Board herum, begann zu paddeln, erst gemächlich, dann stärker, als die Welle langsam begann mich anzuheben. „Noch ein Versuch“, dachte ich, sprang auf die Füße und drehte mich, die tosende Wasserwand zu meiner Rechten. Die Welle öffnete sich und das Adrenalin schoss durch meinen Körper, als ich die vergänglichste aller Rennstrecken hinabschoss.

Nur einen Tag zuvor hatte ich mich auf einer anderen Art Rennstrecke in der Wildnis von Devon vergnügt. Wir waren zu dritt auf den ruppigen Trails. Lehm, Moos und Flechten flogen uns um die Ohren, als wir zwischen den Felsen durchschnitten und uns auf den fiesen Granitplatten austobten, die tief in diesen urtümlichen Wäldern liegen. Das hier war nicht Finale Ligure, aber das machte gar nichts – Biken in Lustleigh Cleave kann mit allem mithalten, was ich anderswo erlebt hatte. Große Steinfelder wurden unterbrochen von diesen Momenten, wo einem das Heck wegrutscht und fast das Herz stehenbleibt, wo man auf dem schmalen Grat zwischen zu wenig und zu viel Geschwindigkeit balanciert. Der Boden war zwar gefroren, aber eine dünne Lehmschicht war trotzdem da, Rutschen – Grip – Rutschen – Grip.

"Just the day before I had been enjoying another of Devon's natural race tracks, far from the ocean on the rugged trails of Dartmoor National Park"
„Nur einen Tag zuvor hatte ich mich auf einer anderen Art Rennstrecke in der Wildnis von Devon vergnügt.“

Fünf Jahre lang waren wir weder gemeinsam Biken noch Surfen gewesen, aber wie es mit guten Freunden so ist, fielen uns die Gespräche leicht und fühlten sich so normal an, als wären es nur ein paar Tage gewesen. Unsere Leben hatten sich verändert, wir waren älter geworden, hatten mehr Narben und manche hatten mittlerweile Familien. Aber die Geschichten der letzten fünf Jahre waren nach ein paar Minuten erzählt und wir redeten wieder Zeug über Bikes. Die leeren Aleflaschen sammelten sich in der Ecke und wir sprachen von damals, diskutierten darüber, ob das 95er GT LTS besser gewesen war oder das 96er Intense. Die Erinnerungen wurden so lebendig, die vielen Bikes, die wir besessen hatten – gemessen an heutigen Standards waren sie allesamt Schrott mit ihren 620 mm-Lenkern und 90 mm-Vorbauten. Aber jedes einzelne war für uns ein Freifahrtschein ins Abenteuer gewesen, nicht einzuordnen in die Schubladen von heute, sondern einfach Mountainbikes, die wir benutzten, um Berge hoch- und runterzufahren.

In a train of three we ripped down the rugged trail, loam and lichen sprayed skywards as we cut between the rocks on our bikes, getting wild between the gnarly granite slabs deep in the primeval forest.
„Wir waren zu dritt auf den ruppigen Trails. Lehm, Moos und Flechten flogen uns um die Ohren, als wir zwischen den Felsen durchschnitten und uns auf den fiesen Granitplatten austobten, die tief in diesen urtümlichen Wäldern liegen.“
I was visiting friends I had not ridden or surfed with for over five years, but as with all good friends, conversation came as easy as if it had just been a few days.
„Fünf Jahre lang waren wir weder gemeinsam Biken noch Surfen gewesen, aber wie es mit guten Freunden so ist, fielen uns die Gespräche leicht und fühlten sich so normal an, als wären es nur ein paar Tage gewesen.“

Die Ampel wurde grün und holte mich zurück ins Hier und Jetzt. Ich musste mich von meinen Gedanken losreißen und weiterfahren. Die einspurigen „Todesstraßen“ Devons führten mich vorbei an 400 Jahre alten Cottages voller bodenständiger Menschen, die wissen, wie man ein Viehgitter überquert und die Stroh von Heu unterscheiden können. Devon war von Anfang an ein Zentrum der Mountainbikeszene in Großbritannien. Seit dem Zeitpunkt, als die ersten Mountainbikingvideos aufkamen, gab es hier einen passionierten Haufen, der draußen am Shredden war und nicht wenige von ihnen kamen aus der Surf- oder Skateszene. Aus den zweifelhaften Erdrampen im Wald sind mittlerweile gepflegte Trails geworden. Trotzdem sind die Trails von Dartmoor immer noch ein ziemlicher Geheimtipp, weil kaum jemand sich die Mühe macht, weiter als nach Wales zu fahren. Beim Surfen verhält sich das anders – die Strände werden im Sommer von Touristenscharen heimgesucht, die den „‚Hang ten“-Traum träumen und bald darauf enttäuscht sind, wenn ihnen klar wird, dass die Lernkurve so flach ist, dass sie für die meisten nirgendwo hinführt und dass selbst die, die ihr Leben ganz The Search verschreiben, ein Jahr brauchen, bevor man sie als „immernoch schlecht“ einstuft.

Als ich auf die M5 Richtung Heimat fuhr, sah ich im Rückspiegel meine roten Augen und mein breites Grinsen. Das Salzwasser, der Wind und die ruppigen Trails hatten ganze Arbeit geleistet. Wir waren an diesen Spots zehn Jahre Surfen und Biken gewesen und so lange wir unsere Räder und unsere Boards hatten, konnten uns das Wetter und die Zeit nichts anhaben – es würde keine „bad days“ geben.

When it comes to UK riding, Devon was there from the beginning. From the first mountain biking videos to hit the scene there was a passionate crew who were out there shredding.
Devon war einer der ersten ersten Hotspots der Mountainbike-Geschichte in England. Von Anfang an gab es hier eine Gruppe leidenschaftlicher Fahrer, die gemeinsam die Szene prägten.

Trailtipps

Dartmoor ist voll von großartigen, ruppigen Trails, die perfekt für Trailbikes geeignet sind. Für den Start können wir besonders die fantastischen Trails rund um Haytor und Lustleigh Cleave empfehlen. Falls ihr ein Trailcenter wollt: Haldon Forest Park hat tolle Routen für jedes Level. Der rot und schwarz klassifizierte Ridge Ride Trail bietet technischen Flowspaß, der euer Blut in Wallung bringen wird. Wenn ihr es euch so richtig geben wollt, probiert es in Gawton, wo die fiesen Downhilltrails sowohl euch als auch eure Bikes an die Grenzen bringen werden.

Anreise

Die Grafschaft Devon liegt im Südwesten Englands und beherbergt Dartmoor, den berühmtesten Nationalpark Großbritanniens. Seine raue Schönheit hat viele Geschichten inspiriert und seine völlige Abgeschiedenheit machte ihn zur idealen Lage für Englands berüchtigstes Gefängnis. Devon verfügt über eine gute Zuganbindung und man kann auch direkt nach Exeter fliegen.

Essen und Trinken

Devon ist berühmt für die Gastfreundlichkeit seiner Moorland-Pubs und es gibt hier einige der besten Ales Großbritanniens. Wo auch immer ihr zum Biken hinfahrt, ihr werdet ein Pub in der Nähe finden. Ein Pubbesuch funktioniert einfach nicht, ohne jeweils ein Pint Legend, Tribute und Doombar probiert zu haben – und ein Steak and Ale Pie, die sind unfassbar gut.

"We had surfed and ridden these spots together for over ten years and with bikes and boards the weather could not beat us - there would be no bad days."
„Wir waren an diesen Spots zehn Jahre Surfen und Biken gewesen und so lange wir unsere Räder und unsere Boards hatten, konnten uns das Wetter und die Zeit nichts anhaben – es würde keine „bad days“ geben.“

Mehr Informationen über Devon und die Region gibt es unter devonmtb.com

Text & Bilder: Trevor Worsey


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