Mountainbiken auf Jamaika? Endlose weiße Sandstrände, Bob Marley und Reggae Musik sind normalerweise das erste, was man mit Jamaika in Verbindung bringt. Dass man hier Mountainbiken kann, glauben wir selbst noch nicht so richtig.

Jamaica isn't the first destination someone thinks of for mountainbiking
Jamaica ist sicher nicht das erste Reiseziel, dass man mit Biken verbindet.

Wir sind die letzten Reisenden, die an diesem Abend in Montego Bay landen und auf unsere Räder warten. Leider wie so oft kommen unsere Räder nicht mit uns an sondern erst einen Tag später. Somit heißt es erst mal ohne Räder weiter. Der Taxifahrer bietet uns freundlicherweise gleich etwas Marihuana zur Entspannung an, wir lehnen dankend ab und fahren Richtung Ocho Rios, dem Start unseren 8 Tägigen Mountainbike Abenteuers namens – Jamaika Fat Tire Festival.

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Am ersten Abend findet sich eine kleine Gruppe von ca. 18 Bikern in dem kleinen touristischen Hotel ROOMS in Ocho Rios direkt am Strand zusammen, um bei dem ein oder anderen BlackWell Rum (den es auch als Gastgeschenk gab) mit Ananassaft Infos über die nächsten Tage zu bekommen. Die bunt gemixte Reisegruppe besteht aus Kanadiern, Amerikanern, Engländern und uns Deutschen und bietet das volle Altersspektrum von 23 bis 65 Jahren. Wir bekommen zwar Infos, doch davon, was uns tatsächlich erwarten sollte, haben wir nicht den blassesten Schimmer.

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Fabian enjoys one of the local trails
Fabian hat sichtlich Spaß

Am nächsten Morgen treffen wir uns auf einem Hinterhof Parkplatz in Ocho Rios, um von einem alten LKW und Bus, der die nächsten Tage unsere Reisemobil war, auf den ersten Berg geshuttelt zu werden. Trotz über 30° im Schatten heißt es langärmlige Trikots anziehen, da der Trail namens Murphy Hill voll von giftigen Poison Ivy ist und das Gewächs unschöne Brandblasen auf der Haut hinterlässt. Murphy Hill schlängelte sich Richtung Küste und ist genau richtig um sich mit den Temperaturen und der Luftfeuchtigkeit anzufreunden. Nach dem ersten Shuttlerun gibt es erst einmal traditionelles jamaikanisches Essen, Jerk Chicken mit Reise und Bohnen und natürlich darf das Red Strip Bier nicht vergessen werden. Anschließend geht es auf den nächsten Trail. Durch die hohe Luftfeuchtigkeit und heftigen Regenfälle sind Steine an glitschigkeit kaum zu übertreffen und so schliddern wir Richtung Strand, um den Tag bei einem kühlen Red Stripe Bier ausklingen zu lassen.

Biking on Jamaica
Biken auf Jamaica

Nachdem wir gestern viel geshuttelt sind, ist heute Muskelkraft gefordert und so führt die Tour uns über flowige Trails durch das Mango Valley. Zwischendurch gibt es noch eine kleine Stärkung in Form von frisch geerntete Kokosnuss von einem ansässigen Bauern der mitten im Nirgendwo seine kleine Holzhütte bewohnt. Nach weiteren flowigen Trails durch den Jungel und offene Felder sollte der verheißungsvolle Name „James Bond Beach“ unser Tagesziel sein und wir wurden nicht enttäuscht. Kein Wunder dass hier Ian Flemming einige seiner James Bond Romane geschrieben hat. Schneeweißer Strand, Bilderbuch Sonnenuntergänge und türkisfarbenes Wasser lud zur Abkühlung ein. Für innere Abkühlung sorgt eine kultige Strandbar mit diversen Kaltgetränken. Natürlich sollte auch die Nahrungsaufnahme nicht zu kurz kommen und so gibt es zur Abwechslung mal wieder Hühnchen mit Reis und Bohnen.

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Pressure Drop und John Cow Gully warteten am nächsten Tag auf uns. Bei ca. 20 Mountainbikern auf der gesamten Insel sind die Trails natürlich hauptsächlich Wander- und Transport Wege für Einheimische als smoothe Singletrails. Es ist also Vorsicht geboten wenn es durch Bambus und Steinfelder geht, zumal Ärztliche Versorgung auch Meilenweit entfernt, wenn überhaupt vorhanden ist. Steffie kann ein Lied davon Singen, da sie sich schon am 2ten Tag die Bände im linken Fuß gerissen hat. Aber nur die harten kommen in den Garten und somit muss mit viel Tape die Reise weiter gehen. Zu unserer Überraschung enthält Pressure Drop, einige Sprünge und gebaute Anlieger die trotz
aller Gefahren zum Gas geben einladen.

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Wie im Bilderbuch endet der Trail am Black Sand Beach, der nur über diesen Trail zu erreichen ist. Ein anderer ansässiger Bauer bringt mit seinem Esel frisch gepressten Soursap und Karottensaft zum Strand, damit wir bei Hühnchen mit Reis und Bohnen unseren Durst stillen können.

Nach einem kurzen aber super technischen und steilen Transfer entlang der Küste erreichen wir sie Strawberriy Fields, Basis für die nächsten zwei Nächte. In der kleinen Rastafari Community, wo Menschen hautsächlich von Gemüseanbau und Fischfang leben steht ein bezauberndes Bed & Breakfast Gästehaus in einer alten Piratenburg aus dem 17. Jahrhundert namens River Loge. Eine willkommene Abwechslung nach den vielen Touristenbunkern die wir gesehen haben. Die kleinen Appartements sind spartanisch aber völlig ausreichend eingerichtet. Highlight ist sicher Dusche und Toilette unter freiem Himmel. Bei einigen Bier lassen wir den Abend und die tollen Eindrücke des Tages am Lagerfeuer ausklingen.

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Am nächsten Tag entschließen wir uns nochmal Pressure Drop zu fahren. Der Trail hat einfach zu viel Spaß gemacht und muss noch ein zweites Mal gefahren werden. Diesmal biegen wir am Ende aber in den dichten Dschungel ab, um nach einer kleinen Wanderung ohne Rad zu einem riesigen Wasserfall zu gelangen. Die wenigsten Touristen auf Jamaika werden wohl diesen Ort mitten im Dschungel zu Gesicht bekommen. Für ein paar Stunden gehört der Wasserfall uns allein. Wir sind jedes Mal wieder aufs Neue beeindruckt, wie viele Facetten und Überraschungen Jamaika zu bieten hat

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Nach einer weiteren Nacht in der River Lodge machen wir uns am nächsten Tag per Bus und LKW auf den Weg zur Südseite der Insel. Die Südseite ist deutlich trockener und nicht so tropisch wie die nördliche Hälfte der Insel. Unsere Reise führt uns auf einen Berg namens Strawberry Hill zu dessen Füßen Kingston, die Hauptstadt Jamaikas liegt. Downpipe Gully nennt sich der erste Trail und macht seinem Namen alle Ehre. Viele Einheimische wohnen in den Bergen am Rande von Kingston und bauen sich dort aus den nötigsten Materialien Ihre Unterkünfte.

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Jamaican Gold!
Jamaican Gold!

Die Wege zu ihren Häusern sind voll von Wasserleitungen und machen das Trail Erlebnis einzigartig. Gelände lesen heißt die Devise, um sich den Weg zwischen Rohrleitungen, Steinen und Behausungen zu suchen. Viele Kinder stehen am Wegesrand und sind begeistert wenn man einen Wheelie zieht. Denn so etwas kommt nicht all zu oft vor. Das mit Abstand beeindruckendste Trail Erlebnis bisher und wohl schwer zu toppen. Das Mittagessen wird im Luxus Hotel Strawberry Hill von Chris Blackwell serviert, der bereits Produzent von U2 und Bob Marley war. Überall sind goldene Schallplatten ausgestellt und das Hotel gehört zu den teuersten und besten was die Insel zu bieten hat. Für uns gibt es aber nur ein einfaches Mittagessen, zu unseren Überraschung: Chicken mit Reis und Bohnen.

Food and flowers - can anyone demand more?
Essen und Blumen
We had more than a few extraordinary views during the trip
Ein Trip voller einzigartiger Momente
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An diesem Tag werden wir von Boogie, einem rumänischen Zahntechniker aus Kingston, begleitet. Er ist einer der wenigen Mountainbiker auf der Insel, die ein Fully besitzen. Er zeigt uns den
letzten Trail des Tages, der sich „Just kiddin“ nennt. Super Steil und über einen Grat schlängeln wir uns Richtung Kingston, um dann von unserem Shuttelfahrer aufgesammelt zu werden. Die nächsten Nächte verbringen wir im Scorpio Inn Hotel, was hauptsächlich für Hochzeiten genutzt wird. Kein Wunder also, dass die Honeymoon Suite im zweiten Stock über ein großes Bad mit zwei Duschen verfügt, der Wasserdruck aber leider nicht ausreicht um diese in Betrieb zu nehmen. Den Abend lassen wir bei ein paar Bier, Rum und guten Gesprächen auf der Dachterrasse ausklingen.

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Am Vorletzten Tag unserer Reise heißt es früh aufstehen. Um 5 Uhr morgens werden wir mit 4×4 Pickups über steiles Gelände bis zum Fuße des Blue Mountain, dem höchsten Berg Jamaikas geshuttelt. Ein Wunder das wir überhaupt angekommen sind, die Defenders würden in Deutschland nicht mal für die Crash Car Challenge genommen werden. Unser Fahrer muss seine Tür festhalten, damit sie nicht während der Fahrt herausfällt und das Fahrwerk hat mindestens 10cm Spiel. Aber trotzdem sehr spaßig. Die Fahrt führt uns bis zu einer alten traditionellen Kaffeerösterei, ab dort heißt es die letzten 1000hm per Muskelkraft zu erklimmen. Bei 30° und extrem hoher Luftfeuchtigkeit, kein einfaches Unterfangen. Nicht alle aus der Gruppe schaffen den kräftezehrenden Anstieg, der teilweise unfahrbar ist. Leider belohnt uns das Wetter auf 2256 Meter nicht mit einer tollen Aussicht am Gipfel, Kingston lässt sich durch den Nebel in weiter Ferne nur erahnen.

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Nach einer kurzen Stärkung in einer alten Ruine begeben wir uns auf die Abfahrt über moosige Steine und schlüpfrigen Untergrund. Wieder an der Kaffeerösterei angekommen, haben wir alle ein breites Grinsen im Gesicht. Da die Abfahrt alle Mühnen des harten Aufstieges wieder wett machte. Als Mittagessen wartet wieder einmal Hühnchen mit Reis und Bohnen auf uns. Von Kaffeeplantage umringt genießen wir den wohl besten Kaffee der Welt – Blue Mountain Coffee. Frisch gestärkt durch Huhn und Kaffee begeben wir uns auf die letzte Abfahrt des Tages. Die Trails sind staubig und trocken und könnten keinen größeren Kontrast zu den Trails der ersten Tage kaum bilden.

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Der letzte Tag auf Jamaika steht uns bevor. Die Defender Jeeps müssen nochmal herhalten und bringen uns zum Flamstead Gipfel. Anschließend geht es über Money and Boots und Triple Bypass Richtung Strand. Blauer Himmel und eine steife Brise bescheren uns zu Abschluß noch den obligatorischen Sonnenbrand. Bei einem letzten Essen lassen wir die letzten Tage nochmal Revue passieren und stellen fest:
kein herkömmlicher Urlaub hätte uns diese Vielfalt und Einzigartigkeit Jamaikas zeigen können. Wir werden wohl noch einige Tage, wenn nicht Wochen brauchen um zu realisieren, welche Abenteuer und Eindrücke wir beim Jamaika Fat Tire Festival erlebt haben.

Fotos: Sebastian Doerk

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Über den Autor

Aaron Steinke

Aaron war der erste Mitarbeiter unseres Unternehmens, hat es tatkräftig mit aufgebaut und dabei den Auftritt und die Ausrichtung unserer Magazine maßgeblich mitgeprägt. Seit Mitte 2020 verfolgt er eigene Projekte, berät und unterstützt uns aber weiterhin bei Marketing- und Technik-Themen. Viele Jahre lang konnte man Aaron vor allem auf spaßorientierten Enduro-Rennen finden, in letzter Zeit auch vermehrt auf dem Rennrad – es lebe die Freiheit auf zwei Rädern!