Wem die alljährliche Rennpause mal wieder viel zu früh kam, dem bot sich mit dem Sandokan Race auf Madeira die optimale Gelegenheit, dem nasskalten Herbst auf dem europäischen Festland noch eine Weile zu entfliehen. Die zu Portugal gehörende Insel bot letztes Wochenende mit angenehmen Temperaturen und jeder Menge tollen Trails das passende Umfeld für ein fantastisches, zweitägiges Rennen. Die Organisatoren des lokalen Guidingunternehmens Bikulture sorgten mit zehn abwechslungsreichen Stages für einen spannenden Wettkampf, den Nico Vouilloz für sich entscheiden konnte. Bei den Frauen gewann Ines Thoma.

Bei (noch) schönem Wetter boten die Trails des Sandokan Rennens eine grandiose Aussicht
Bei (noch) schönem Wetter boten die Trails des Sandokan Rennens eine grandiose Aussicht

Das Landschaftsbild der vulkanischen Insel Madeira wird beherrscht von extrem steilen Hängen, die direkt am Meer beginnen und teilweise erst nach 1000 Höhenmetern in eine flache Hochebene übergehen. Besonders in dem spärlich besiedelten oberen Teil der Hänge bieten sich unzählige Möglichkeiten, tolle Trails anzulegen. Diesen Umstand machten sich die Organisatoren des Sandokan-Rennens eindrucksvoll zunutze. Schon im Training vor dem Rennwochenende waren wir schnell von der Vielseitigkeit der unterschiedlichen Abfahrten begeistert. Von tretintensiven, auf der Hochebene liegenden Trails über flowige, sanft geneigte Wiesenabfahrten bis hin zu technisch anspruchsvollen Felspassagen und steilen Hohlwegen bot die Veranstaltung eine extrem spaßbringende Sammlung an unterschiedlichsten Streckenabschnitten. Begeistern konnten zudem die vielen atemberaubenden Fernblicke in die Seitentäler, welche sich hunderte Höhenmeter tiefer zur felsigen Küste hin öffnen. Für gute Laune sorgte auch das äußerst sympathische Team von Bikulture, das mit viel Ruhe und Gelassenheit für eine entspannte Atmosphäre auf dem ganzen Event sorgte. Als Ersatz für die nicht vorhandenen Lifte fuhren Shuttles die Teilnehmer zum morgendlichen Startpunkt. Die restlichen Transferstücke mussten dann aus eigener Kraft bewältigt werden.

Schon im Training hatten die Teilnehmer viel Spaß auf den abwechslungsreichen Trails
Schon im Training hatten die Teilnehmer viel Spaß auf den abwechslungsreichen Trails
Die Bikes stehen zum Shutteln bereit...
Die Bikes stehen zum Shutteln bereit…
...was dann auch sehr stilvoll geschah
…was dann auch sehr stilvoll geschah

Nachdem das Training im Vorfeld des Rennwochenendes von Nebel und Nässe geprägt war, war der erste Renntag fast durchweg von strahlendem Sonnenschein gesegnet. Stage 1 und 2 zogen sich flach und sehr tretintensiv über das Hochplateau, was bei den Teilnehmern schnell für warme Muskeln und schmerzende Lungen sorgte. Sehr viel spannender wurde es dann bei Stage 3: Diese wurde blind gefahren, also ohne vorheriges Training. Die Abfahrt zog sich in Fallinien einen grasigen Bergrücken entlang, unterbrochen von kleinen Steinfeldern und Steilstufen. Mit Highspeed konnten diese meist übersprungen werden. Da die Landungen hinter den Kanten aber erst sehr spät zu sehen und teilweise mit groben Steinen durchsetzt waren, musste man hier immer wieder blitzschnelle Entscheidungen treffen. Mit dem richtigen Maß an Nervenstärke konnten die Fahrer hier wertvolle Sekunden gewinnen manchen Teilnehmern brachten diese Passagen allerdings auch den ein oder anderen spektakulären Sturz ein.

Stage 3 brachte mit Highspeedstücken und Felsabsätzen viel Spaß
Stage 3 brachte mit Highspeedstücken und Felsabsätzen viel Spaß

Stage 4 und 5 waren dann wieder bekannt und zogen sich handtuchbreit einen steilen Hang entlang. Die bergseitigen Kurven konnten durch natürliche Anlieger mit viel Druck gefahren werden, während es bei den talseitigen auf mehr Feingefühl ankam, wenn man ein Abrutschen in den mit Farn bewachsenen Hang vermeiden wollte. Im unteren Teil der Strecke ging es dann durch intensiv nach Erkältungsbad riechende Eukalyptuswälder. Die glitschige Schicht feuchter Rindenstücke bestrafte hier einen etwas zu beherzten Einsatz der Vorderbremse schnell mit einem wegrutschendem Bike.

Ines Thoma kam am besten mit den sehr naturbelassenen Trails zurecht und fuhr die schnellste Zeit bei den Frauen ein
Ines Thoma kam am besten mit den sehr naturbelassenen Trails zurecht und fuhr die schnellste Zeit bei den Frauen ein
Nach dem ersten Renntag konnten die Teilnehmer bei bestem Wetter am Meer  entspannen
Nach dem ersten Renntag konnten die Teilnehmer bei bestem Wetter am Meer entspannen

Der zweite Renntag wartete dann mit durchgängigem Regen auf. Schmieriger Schlamm und viele glatt geschliffene Steine ließen die Trails extrem rutschig werden. Nachdem mit Stage 6 die Vortagesstrecke von Stage 4 wiederholt wurde, führte Stage 7 mitten durch überkopfhohes Gebüsch. Auf dem freigeschnittenen Trail wechselte sich tiefer Matsch mit rutschigem Schlick ab, was in Kombination mit den vielen engen Kehren für von Kopf bis Fuß schlammbedeckte Fahrer sorgte. Über Stage 8 freuten sich dann vor allem die Downhiller unter den Rennteilnehmern. Wer keine wertvollen Sekunden auf leichteren Umfahrungen einbüßen wollte, musste drei mehrere Meter weite Gaps überspringen und einen gut zwei Meter tiefen Roadgap überwinden. Zwischendrin sorgten mit tiefen Bremswellen durchsetzte Anlieger für dicke Arme.

Der noch halbwegs saubere Max Schumann im wilden Kampf gegen den Schlamm
Der noch halbwegs saubere Max Schumann im wilden Kampf gegen den Schlamm
Auf dem extrem glitschigen Untergrund mancher Abfahrten galt es viel Gefühl an der Bremse zu zeigen
Auf dem extrem glitschigen Untergrund mancher Abfahrten galt es viel Gefühl an der Bremse zu zeigen

Die Abfahrt von Stage 9 führte erst sehr schnell über ein Wiesenstück, um dann in eine natürliche, tunnelartige Felsenrinne einzutauchen. Bobbahnfeeling kam hier nicht nur durch die natürlichen Anlieger auf, sondern auch durch den extrem glitschigen, lehmbedeckten Boden. Wer hier die Linie sehr sauber erwischte und seine Bremsen so wenig wie möglich berührte, konnte mit Highspeed durch die enge Felsrinne fliegen – bei allen anderen stellte sich ein mehr oder weniger richtungsbestimmtes Hinabschlingern ein, das nur noch entfernt an gezieltes Zweiradfahren erinnerte. Wer danach noch etwas Energie in Armen und Beinen übrig hatte, konnte diese effektiv auf Stage 10 verbrauchen. Mit kräftezehrenden Tretstücken durchsetzt, zog sich der Trail durch grobe Anlieger und über mehrere Steilstufen den Hang hinab. Enge Baumdurchfahrten und der ein oder andere Sprung forderten hier nochmal ein Maximum an Konzentration. Im Anschluss an das Rennen hatten sich alle Teilnehmer ein wenig Entspannung ehrlich verdient. Zum Glück war die lokale Strandbar nicht weit und begeisterte mit sehr günstigen Preisen. Das wurde auch ordentlich ausgenutzt: Bis tief in die Nacht duellierten sich hier Schwert schwingende Worldcupfahrer beim Wettkampftrinken. Am Ende der zwei Renntage hatten die Teilnehmer gute 50 km, 1100 Höhen- sowie 2800 Tiefenmeter zurückgelegt.

Bei strömendem Regen und viel Matsch mussten die Teilnehmer zwangsläufig ohne Google fahren
Bei strömendem Regen und viel Matsch mussten die Teilnehmer zwangsläufig ohne Google fahren
Die angenehmen Temperaturen hielten die Teilnehmer trotz Regen bei bester Stimmung
Die angenehmen Temperaturen hielten die Teilnehmer trotz Regen bei bester Stimmung

Am schnellsten bewältigte der zehnfache Downhillmeister Nico Vouilloz (Frankreich – Lapierre) die zehn Stages, knapp gefolgt von Nicolas Quéré (Frankreich – Commencal); dritter wurde der Lokalmatador E. Pombo, beide mit jeweils nur acht Sekunden Abstand auf den Vordermann. Bei den Frauen setzte sich die Gewinnerin der deutschen Meisterschaft Ines Thomas (Deutschland – Canyon) vor der Cross-Country-Weltmeisterin Tanja Zakelj (Slowenien – Trek) durch, gefolgt von der Life Cycle-Teamfahrerin Valentina Macheda (Italien).

Die vollständigen Rennergebnisse und viele Videos zu den Trails findet ihr unter http://www.bikulture.com/de/sandokan-enduro

Text: Tobias Döring Bilder: Jana Dretnik / Hugo Silva


Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als ENDURO-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, das die Mountainbike-Welt auch weiter ein kostenloses und unabhängiges Leitmedium hat. Jetzt Supporter werden!