Rückenschmerzen sind beim Mountainbikefahren die häufigsten „nichttraumatischen“ Gesundheitsprobleme – das muss einfach nicht sein. Ein paar einfache Maßnahmen können das Problem lösen und ihr müsst nicht mehr beim Schuhebinden vor Schmerzen aufstöhnen. Phil Mack von Peebles Physiotherapy in Schottland teilt in diesem Artikel sein Insiderwissen.

Es ist keine besonders gewagte Vermutung, dass wir alle schon Rückenschmerzen hatten.
Es ist keine besonders gewagte Vermutung, dass wir alle schon Rückenschmerzen hatten.

Da ich selbst Mountainbiker und Sportphysiotherapeut in Peebles, Schottland, bin – dem wohl beliebtesten Mountainbikeziel Großbritanniens – begegnen mir regelmäßig Fahrer, die diverse unterschiedliche Verletzungen und Beschwerden haben. Und unsere Statistik zeigt, dass Rückenschmerzen immer häufiger werden.

Was ist die Hauptursache von Rückenschmerzen beim Mountainbiken?

Es gibt mehrere Gründe für Rückenschmerzen, die mit dem Mountainbiken zu tun haben. Doch die Hauptursache sind die schweren Rucksäcke, die man derzeit überall sieht – und die scheinen immer noch schwerer zu werden!

Wenn man Tagestouren in die Berge oder auf den Hometrails unternimmt, oft in sehr abgelegenen Gegenden, ist es auch für die Sicherheit wichtig, gerüstet zu sein, falls man was am Bike reparieren muss oder falls sich das Wetter ändert. Natürlich braucht man auch genug zu essen und zu trinken, Erste-Hilfe-Zeug und manchmal sogar ein Rettungsdecke. Da kann der Rucksack schnell mal über 10 kg wiegen.

Die Position des Rucksacks ist ein wichtiger Faktor, wenn man den Schmerz im Griff haben will.
Die Position des Rucksacks ist ein wichtiger Faktor, wenn man den Schmerz im Griff haben will.

Auch die Position des Rucksacks beim Fahren sollte bedacht werden. Den Großteil der Last des Rucksacks trägt der mittlere Rücken, wodurch der untere Rücken als eine Art Federung zwischen dem kräftigen, stabilen Becken- und Hüftbereich und dem Rucksack fungiert. Deshalb muss der untere Rücken unglaublich hart arbeiten, um eine neutrale Position zu halten, und die weichen Gewebestrukturen (Muskeln, Sehnen und Bänder) werden dabei leicht überlastet, was zu Schmerzen führt.

Dass man nach einer langen Tour Rückenschmerzen hat, ist nichts Ungewöhnliches. Aber wenn der Schmerz nach ein paar Tagen nicht weg ist oder wenn ihr beim Fahren permanent Schmerzen habt, dann ist es Zeit, etwas dagegen zu unternehmen.

Andere Ursachen

Eine schwache Rumpfmuskulatur ist eine sehr weit verbreitete Ursache für Schmerzen am unteren Rücken. Beim Biken bildet euer Rücken eine Art Hängebrücke, wobei die Schultern und das Becken die Pfeiler bilden. Der mittlere Rückenbereich wird noch durch den Brustkorb unterstützt und der untere Rücken ist der verletzliche Schwachpunkt. Und wenn dann noch ein schwerer Rucksack dazukommt, verwundert es nicht, dass so viele Fahrer Rückenprobleme haben. Eine starke Rumpfmuskulatur hilft euch, den unteren Rücken zu schützen, und macht es einfacher, eine starke, stabile Position zu halten.

Ein starker Rumpf ist eine der besten Waffen gegen den Schmerz.
Ein starker Rumpf ist eine der besten Waffen gegen den Schmerz.

Eine schlechte Beweglichkeit der Hüften steht auch auf der Liste der Rückenschmerzursachen. Manche Fahrer haben eine verspannte Hüftmuskulatur, das betrifft vor allem die Hüftbeuger, Gesäß- und Piriformis-Muskeln. Wenn diese Muskeln dauerhaft verspannt sind, führt das zu verstärkter seitlicher Beckenbewegung, und dann muss der untere Rücken härter arbeiten, um das zu kompensieren – was wiederum zu Rückenschmerzen führt. Schlechte Hüftbeweglichkeit kann auch zu anderen Problemen führen, wie dem Ilio-tibialem Bandsyndrom („Läuferknie“) oder Knieschmerzen.

Eine falsche Position auf dem Bike ist ebenfalls ein weit verbreitetes Problem. Die falsche Fahrradgröße (insbesondere ein zu großer Rahmen, was zu Überstrecken führt) und die falsche Sattelhöhe sind zwei häufige Fehler, die zu Rückenschmerzen und anderen Beschwerden wie etwa Hüftschmerzen führen können. Weniger offensichtliche Fehler wie bei Vorbau und Kurbellänge oder der horizontalen Sattelposition können ebenfalls zu Rückenschmerzen beitragen.

Proper bike fit is important, if you are not sure, seek professional guidance.
Das Bike muss zum Fahrer passen. Wenn ihr in Sachen Bike-Fitting unsicher seid, holt euch professionellen Rat.

Wie kann man Rückenschmerzen beim Mountainbiken vorbeugen?

Überdenkt eure Rucksackstrategie

Findet Möglichkeiten, das Gesamtgewicht des Rucksacks zu reduzieren. Wasser wiegt 1 kg pro Liter. Wenn ihr also Flaschenhalter habt, packt da z. B. zwei volle 750-ml-Flaschen rein, aus denen ihr entweder direkt trinkt oder die ihr im Lauf der Tour in die Trinkblase umfüllt. Damit könnt ihr die Last auf eurem Rücken potenziell um 1,5 kg reduzieren.

Flaschenhalter können das Gewicht auf eurem Rücken deutlich reduzieren.
Flaschenhalter können das Gewicht auf eurem Rücken deutlich reduzieren.

Rucksäcke mit Hüfttaschen helfen, die Last auf dem Rücken zu reduzieren, Hüfttaschen wie der SOURCE Hipster Hydration Belt oder der EVOC HIP PACK RACE sorgen erst recht dafür, dass das Gewicht sich weiter unten konzentriert, was gut ist. Überlegt euch auch, ob ihr vielleicht fürs Werkzeug eine kleine Satteltasche verwendet, um Gewicht auf dem Rücken zu sparen.
Bikehersteller wie Specialized entwickeln neuerdings originelle Lösungen, wie Objekte am Bike statt auf dem Rücken untergebracht werden können – gute Sache!

Spezielle Tops mit Stauraum können einen Rucksack ersetzen oder ergänzen. So verteilt sich das Gewicht besser.
Spezielle Tops mit Stauraum können einen Rucksack ersetzen oder ergänzen. So verteilt sich das Gewicht besser.

Es gibt eine Menge neuer Produkte, die es euch ermöglichen, die wirklich wichtigen Dinge auch ohne Rucksack zu transportieren. Die an Rennradfahrer erinnernden Jerseys mit Taschen hinten mögen auf einem Mountainbike nicht allzu cool aussehen, doch weil die Taschen niedriger sind als ein Rucksack, verteilt sich damit das Gewicht besser. Es gibt nun auch spezielle Tops mit Stauraum wie das Race Face Tank – auch eine Möglichkeit, ohne Rucksack alles Wichtige dabeizuhaben!

Verändert eure Technik bergauf

Vielen von uns hat man mal beigebracht, dass man Anstiege im Sitzen fahren soll. Wenn man dabei einen schweren Rucksack aufhat, belastet das den unteren Rücken noch mehr. Ganz normal im Stehen zu fahren reduziert die Belastung im unteren Rückenbereich, denn die Wirbelsäule ist in einer neutraleren Position. Was auch hilft, die Belastung des unteren Rückens zu verringern, ist das Bergauffahren in einem etwas niedrigeren Gang und dafür mit höherer Trittfrequenz.

Gönnt eurem Rücken auf langen Anstiegen ab und zu mal eine Pause, indem ihr im Stehen pedaliert.
Gönnt eurem Rücken auf langen Anstiegen ab und zu mal eine Pause, indem ihr im Stehen pedaliert.

Verbessert eure Rumpfstärke

Eine starke Rumpfmuskulatur hilft, euren Rücken beim Fahren zu schützen, indem sie ihn in einer neutralen (natürlichen) Position hält. Außerdem stärkt sie die „Brücke“ zwischen der Brustwirbelsäule und dem Becken, also die Gegend, wo Rückenschmerzen am häufigsten auftreten. Drei Übungen, die helfen, euren Rumpf zu stärken, sind Plank, Schulterbrücke und Side Plank Star. Es ist allerdings entscheidend, dass man sie richtig ausführt, wenn man damit etwas erreichen will. Deshalb lohnt es sich, einen erfahrenen (Sport-)Physiotherapeuten oder Pilates-Trainer zu konsultieren, der euch zeigt, wie man es richtig macht.

Verbessert eure Hüftbeweglichkeit
Beweglichere Hüften können eure Leistung verbessern und die Verletzungsgefahr verringern. Die folgenden Übungen sind dafür sehr gut geeignet: tiefe, unterstützte Kniebeugen, Ausfallschritte, Dehnungsübungen für Gesäßmuskeln, Hüftbeuger und Piriformismuskel.

Flexibel bleiben ist absolut essenziell. Lasst euch von einem Profi helfen, eure Fitness zu erhalten!
Flexibel bleiben ist absolut essenziell. Lasst euch von einem Profi helfen, eure Fitness zu erhalten!

Überprüft eure Position auf dem Bike
Das ist eigentlich selbstverständlich: Sicherzustellen, dass das Bike einem gut passt, ist essenziell für die Performance und zum Vermeiden von Gesundheitsproblemen. Findet einen guten Bikeshop, der Erfahrung mit Mountainbike-Fitting hat. Macht immer nur kleine Anpassungen und gewöhnt euch erst daran, bevor ihre weitere Änderungen vornehmt.

Physiotherapie, Myofascial Release und Massage
Wenn es nicht so läuft, wie es soll, und ihr eure Rückenschmerzen oder andere Beschwerden nicht loswerdet, dann können erfahrene Sportphysiotherapeuten die Ursache eures Problems herausfinden und euch gezielt helfen. Sie können euch praktisch behandeln mit Methoden wie Myofascial Release, Mobilisierung oder Tiefenmassage, und euch damit helfen, wieder zur normalen, schmerzfreien Funktion zurückzukehren. Sie können euch auch helfen, selbst etwas für euren Rücken zu tun oder euch Übungen zeigen, die gegen allgemeine Steifigkeit oder andere Wehwehchen helfen. Eine regelmäßige Sportmassage hilft auch, Rückenschmerzen vorzubeugen und sich schneller davon zu erholen.

Manchmal muss ein Profi ran. Wenn eure Rückenschmerzen nicht weggehen, ist es Zeit, dass ihr euch Hilfe sucht!
Manchmal muss ein Profi ran. Wenn eure Rückenschmerzen nicht weggehen, ist es Zeit, dass ihr euch Hilfe sucht!

Mein abschließender Rat lautet: Akzeptiert den Schmerz beim Mountainbiken nicht einfach als Normalzustand. Alle Fahrer, die mit Rückenschmerzen in unsere Klinik kamen, haben sich davon erholt und sind jetzt schmerzfrei. Bei manchen dauert es länger, das Problem zu lösen, weil es mehrere Ursachen hat und dadurch komplizierter ist – aber trotzdem ist Abhilfe möglich! Ihr braucht nur die richtige Beratung und Behandlung und müsst schlau mit Rucksäcken umgehen.

About Phil Mack

Phil Mack fährt selbst Mountainbike und weiß nur zu gut um die Herausforderungen, die Radfahren an den Körper stellt.
Phil Mack fährt selbst Mountainbike und weiß nur zu gut um die Herausforderungen, die Radfahren an den Körper stellt.

Phil hat über 17 Jahre Erfahrung in Physiotherapie und Sportwissenschaft und hat mit professionellen internationalen Sportteams in Großbritannien, Australien und Südafrika gearbeitet, darunter die South African Springboks, die Leicester Tigers und Ulster Rugby sowie das südafrikanische Triathlon-Team. Er selbst hat sowohl Südafrika als auch Großbritannien im Triathlon und Duathlon vertreten und ist passionierter Mountainbiker und Kletterer.


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Text: Phil Mack Fotos: Catherine Smith, Trev Worsey