Bikes mit wenig Federweg verleiten zu dem Gedanken, dass sie gute Kletterer sind und dafür bergab nur auf einfachen Trails Spaß machen. Das Santa Cruz Tallboy CC X01 ist das genaue Gegenteil. Kann das 29”-Bike mit nur 120 mm Federweg am Heck überzeugen und mit seinen Konkurrenten im großen Vergleichstest mithalten?

Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Mountainbike 2021 – 22 Modelle im Test

Santa Cruz Tallboy CC X01 | 130/120 mm (v/h)
12,94 kg in Größe L | 8.399 € | Hersteller-Website

Die Silhouette macht das Tallboy auf den ersten Blick als Santa Cruz erkennbar. Denn auch das Tallboy CC X01 arbeitet mit dem für Santa Cruz typischen Twin-Link Hinterbau-System und so ähnelt das Tallboy mit seinen 130/120 mm Federweg stark seinen Geschwistern mit mehr Federweg. Das 8.399 € teure Tallboy kommt in einem schlichten und aufgeräumten Look und Vollcarbon-Rahmen. Typisch Santa Cruz gibt es auch beim Tallboy den Rahmen als C- und CC-Carbon. Die von uns getestete CC-Version setzt auf hochwertigere Carbonfasern und ist entsprechend leichter, aber auch teurer. Unser Test-Bike in Größe L wiegt 12,9 kg. Der im Hinterbau versteckte FOX-Dämpfer ist sehr schwer zugänglich und das genaue Setup, auch mangels SAG-Indikator auf dem Dämpfer, nervenzehrend. Hier hat sein großer Bruder, das 5010, durch den montierten RockShox-Dämpfer und integrierter SAG-Anzeige einen Vorteil. Dämpfer und Umlenkung werden von einem Fender vor Dreckbeschuss vom Hinterreifen geschützt. Ebenfalls besitzen die Ketten- und Sitzstreben einen hochwertigen Schutz aus Kunststoff. Sie sind ausreichend groß dimensioniert, um das Bike ruhig zu halten. Das Unterrohr hat einen Schutz, um den Carbon-Rahmen vor heranfliegenden Steinen zu schützen. Allerdings besitzt es nicht, wie die Modelle mit mehr Federweg, einen zusätzlichen Guard zum Shutteln auf dem Pick-up, dafür jedoch einen Mount für einen zweiten Flaschenhalter oder Ersatzschlauch. Abgerundet wird der hochwertige Rahmen durch die im Rahmen verlegten Züge. Sie sind lediglich am Übergang vom Hauptrahmen zum Hinterbau sichtbar und ausreichend geklemmt, um keine Geräusche von sich zu geben. So ist das Santa Cruz ein stiller Begleiter auf dem Trail.

Mit erfahrenen Fahrern boxt das Tallboy über seiner Gewichtsklasse und nimmt auch Drops und Sprünge gekonnt.

Die Ausstattung des Santa Cruz Tallboy CC X01 Reserve

An der Front ist das Santa Cruz Tallboy mit einer 130 mm RockShox Pike Ultimate bestückt. Am Hinterbau setzt Santa Cruz hingegen auf einen FOX FLOAT Factory DPS-Dämpfer und ist so einer der wenigen Hersteller, die auf unterschiedliche Brands setzen. Der Grund dafür? Santa Cruz versucht, unabhängig von Marken, die beste Hinterbau-Performance zu ermöglichen. Als Sattelstütze nutzt Santa Cruz eine RockShox Reverb Stealth mit 175 mm Hub (Größe L), die sich dank des niedrigen Sitzrohrs vollständig im Rahmen einstecken lässt. Hier können größere Fahrer auch eine noch längere Stütze nachrüsten – top! Nicht so top sind jedoch die gewählten Bremsen. Die SRAM G2 RSC bietet zwar eine Bremspunkt- und Hebelverstellung ohne Werkzeug, jedoch überhitzt sie in Kombination mit den zu kleinen 180-mm-Bremsscheiben vorne wie hinten schnell und benötigt hohe Bedienkräfte. Das verursacht Armpump und wird dem Potenzial des Bikes nicht gerecht. Für den Bodenkontakt sorgen die beiden 2,3” breiten MAXXIS-Reifen mit EXO-Karkasse: ein Minion DHF 3C MaxxTerra an der Front kombiniert mit einem Minion DHR II am Heck. Leider mit einer harten DualCompound-Mischung und der gefährlichen Kombination aus dünnem Casing mit den hauseigenen Reserve Carbon-Laufrädern. Diese gibt es auf Wunsch zu einen Aufpreis von 1.200 €. Hier raten wir bei aggressiver Fahrweise in technischem Gelände zu einem Reifen mit robusterer Karkasse, um Durchschläge bis auf die Carbon-Felge zu vermeiden.

Einmal nervig, dann vergessen
Der sehr schlecht erreichbare FOX FLOAT Factory DPS-Dämpfer macht aufgrund fehlender SAG-Anzeige das Setup unnötig schwer.
Top-Modell, Flop-Leistung
Die SRAM G2 RSC ist mit zu kleinen 180-mm-Bremsscheiben kombiniert und neigt zum schnellen Überhitzen.
Schwupps und weg
Die verbaute RockShox Reverb Stealth mit 175 mm Hub lässt sich vollständig im Rahmen versenken. Top!

Santa Cruz Tallboy CC X01

8.399 €

Specifications

Fork RockShox Pike Ultimate 130 mm
Rear Shock FOX DPS Factory 120 mm
Seatpost RockShox Reverb Stealth 175 mm
Brakes SRAM G2 RSC 180/180 mm
Drivetrain SRAM XO1 Eagle 1x12
Stem Burgtec Enduro MK3 55 mm
Handlebar Santa Cruz Carbon Riser 800 mm
Wheelset Santa Cruz Reserve 27 Carbon 29"
Tires MAXXIS Minion DHRII EXO 3C MaxxTerra/DHRII EXO Dual 2,3

Technical Data

Size XS S M L XL XXL
Weight 12,94 kg


Hauseigen
Die von Santa Cruz entwickelten Reserve-Laufräder gibt es optional für 1.200 € Aufpreis. Sie sollten aber mit einer dickeren Karkasse gefahren werden.
Ruhe und Frieden
Der selbstentwickelte Ketten- und Sitzstrebenschutz ist ausreichend dimensioniert, um den Rahmen vor der Kette zu schützen und sorgt für Ruhe.

Die Geometrie des Santa Cruz Tallboy CC X01 Reserve

Das Tallboy wird in sechs Rahmengrößen von XS–XXL angeboten. Durch das niedrige Sitzrohr besteht die Möglichkeit, die Rahmengröße nach der bevorzugten Länge und dem jeweiligen Fahrstil zu wählen. Der Reach des Bikes beträgt 470 mm in Größe L und ändert sich in sinnvollen Schritten mit der Rahmengröße. Mit zwei voneinander unabhängigen Flip-Chips lässt sich die Geometrie des Tallboy an eure persönlichen Vorlieben anpassen. Der im Ausfallende integrierte Chip ermöglicht eine Verstellung der Kettenstrebe zwischen 430 mm und 440 mm. Mit dem Flip-Chip der Umlenkung lässt sich die Tretlagerhöhe sowie die Progression des Dämpfers von Low nach High verstellen. Wir haben die meiste Zeit unseres Tests mit kurzen Kettenstreben und dem Low-Hinterbau-Setting verbracht. In diesem Setup besitzt das Tallboy zusätzlich zu einem progressiveren Hinterbau einen um 0,2° flacheren Lenk- und Sitzwinkel. Wer sein Rad auf Uphill-Performance trimmen möchte, kann hier auf das lange und hohe Setting wechseln.

Größe XS S M L XL XXL
Sattelrohr 370 mm 380 mm 405 mm 430 mm 460 mm 500 mm
Oberrohr 539 mm 567 mm 596 mm 619 mm 646 mm 678 mm
Steuerrohr 90 mm 100 mm 110 mm 120 mm 140 mm 160 mm
Lenkwinkel 65,7° 65,7° 65,7° 65,7° 65,7° 65,7°
Sitzwinkel 76,8° 76,7° 76,6° 76,4° 76,2° 76,0°
Kettenstrebe 430 mm 430 mm 430 mm 430 mm 430 mm 430 mm
BB Drop 38 mm 38 mm 38 mm 38 mm 38 mm 38 mm
Radstand 1.129 mm 1.158 mm 1.187 mm 1.211 mm 1.239 mm 1.272 mm
Reach 400 mm 425 mm 450 mm 470 mm 490 mm 515 mm
Stack 592 mm 601 mm 610 mm 619 mm 637 mm 656 mm
Helm POC Tectal | Brille POC Aspire | Hippack Patagonia Black Hole Waist Pack 5L
Shirt Monserat J03 | Shorts ION Scrub Shorts | Knieschoner Chromag Rift | Schuhe Giro Chamber II
Socken Stance Supercrew Comp Nano | Uhr Wahoo ELEMNT RIVAL

Das Santa Cruz Tallboy CC X01 Reserve auf dem Trail

Bergauf geht es mit dem Tallboy sehr gemütlich zu. Trotz wenig Federweg lässt es sich im Uphill bitten und der stets aktive Hinterbau generiert zwar ausreichend Traktion, kostet aber auch einiges an Kraft. Der Climb-Switch verschafft hier einen Vorteil, ist jedoch schwer zu erreichen und nimmt dem Rad wichtige Traktion im technischen Gelände. Durch den relativ flachen Sitzwinkel positioniert das Tallboy seinen Fahrer über dem Hinterrad. Auch mit ganz vorgeschobenem Sattel sinkt der Dämpfer an steilen Rampen noch tief in den Federweg. Dann muss das Vorderrad sehr aktiv belastet werden, um es am Boden zu halten. Und das trotz der gestreckten Sitzposition und des breiten Lenkers, der den Oberkörper des Fahrers weit vorzieht. So muss sich das Tallboy bergauf seinen direkten Konkurrenten, wie dem YT IZZO BLAZE oder dem Yeti SB115, klar geschlagen geben.

Das Tallboy gehört bergauf zu den langsamen Bikes und profitiert vom Griff zum Climb-Switch. Der ist aber leider schwer zu erreichen.

Tuning-Tipps: 200-mm-Bremsscheiben an Front und Heck | Hinterreifen mit robusterer Karkasse zum Schutz der Carbon-Felge

Auch bergab erfordert das Tallboy einen erfahrenen Piloten, um bei technischen Singletrails und ruppigen Wurzelpassagen ausreichend Traktion zu generieren. Wird es aktiv gefahren, belohnt das Santa Cruz seinen Fahrer mit einem reaktionsfreudigen und straffen Fahrverhalten, das – insofern man sich ordentlich festhält – richtig Spaß macht. Harte Schläge kann das Tallboy ab. Allerdings leitet es die Hits an den Fahrer weiter, der sie aktiv schlucken muss. Während Profis so auch aus relativ zahmen Trails das Maximum an Fahrspaß rausholen, kann dieser Charakter Einsteiger überfordern. Für sie ist das Tallboy zu straff und fordernd. Die recht niedrige Front ermöglicht in Kombination mit dem 800-mm-Cockpit ein präzises Lenkverhalten, sorgt aber in steileren Passagen dafür, dass Überschlagsgefühle entstehen. Auf flowigen Trails glänzt das Tallboy mit einer super Kurvenlage, die wir bereits bei seinem großen Bruder, dem 5010, festgestellt haben. Es gibt sich agil, präzise und generiert durch sein straffes Fahrwerk ausreichend Gegenhalt, um an Wellen und Kanten abzuziehen. So ist das Rad nur für geübte Fahrer zu empfehlen, die durch ihre Erfahrung und aktive Fahrweise das Tallboy unter Kontrolle halten können.

Riding Characteristics

12

Uphill

1
  1. sluggish
  2. efficient

Agility

2
  1. cumbersome
  2. playful

Stability

3
  1. nervous
  2. confident

Handling

4
  1. demanding
  2. balanced

Suspension

5
  1. harsh
  2. plush

Fun Factor

6
  1. planted
  2. poppy

Value for money

7
  1. terrible
  2. very good

Intended Use

XC

8

Trail

9

Enduro

10

Downhill

11

Fazit

Das Santa Cruz Tallboy CC X01 Reserve beweist, dass die Menge des Federwegs nichts über die Fahreigenschaften eines Bikes aussagt, und so muss sich das 130/120-mm-Bike bergauf hinten einreihen. Bergab kann es mit einem präzisen und wendigen Fahrverhalten glänzen. Doch aufgepasst: Das gilt nur bei einer sehr aktiven Fahrweise und so ist das Tallboy nur für erfahrene Biker zu empfehlen, die wissen, wie sie direkte Impulse des Bikes umwandeln können. Diese bekommen dann ein leises und hochwertig verarbeitetes Rad, mit dem kurze Trail-Runden Laune machen.

Tops

  • hochwertige Verarbeitung
  • leise
  • agiles Bike mit straffem Fahrwerk

Flops

  • benötigt Climb-Switch, um effizient zu klettern
  • nur für erfahrene Fahrer
  • Bremse überhitzt schnell

Mehr Informationen findet ihr unter santacruzbicycles.com

Das Testfeld

Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Mountainbike 2021 – 22 Modelle im Test

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Text: Peter Walker Fotos: Diverse

Über den Autor

Peter Walker

Peter ist nicht nur ein Mann der Worte, sondern auch der Taten. Mit ernsthaften Bike- und Schrauber-Skills, seiner Motocross-Historie, diversen EWS-Teilnahmen und über 150 Bikepark-Tagen in Whistler – ja, der Neid der meisten Biker auf diesem Planeten ist ihm gewiss – ist für Peter kein Bike zu kompliziert und kein Trail zu steil. Gravel und Rennrad kann er übrigens auch! Das für unsere redaktionelle Arbeit wichtige Thema Kaufberatung hat Peter in Vancouvers ältestem Bike-Shop von der Pike auf gelernt und setzt sein Know-how auch im journalistischen Alltag um. Wenn er nicht gerade die Stuttgarter Hometrails auf neuen Test-Bikes unsicher macht, genießt er das Vanlife mit seinem selbst ausgebauten VW T5. Dass er dazu noch ausgebildeter Notfallsanitäter ist, beruhigt seine Kollegen bei riskanten Fahrmanövern. Zum Glück mussten wir Peter bislang nie bei seinem Spitznamen „Sani-Peter“ rufen. Wir klopfen auf Holz, dass es dazu auch nie kommen wird!