Eigentlich fährt man Rennen, um sich mit anderen zu messen. Aber was, wenn der Wettkampf primär mit dem mitfahrenden Kollegen stattfindet? Wenn man nicht vorne um den Sieg kämpft, sondern weiß, dass man eher eine mittlere bis untere Platzierung im Feld erzielt? Macht es dann trotzdem Spaß? Aber klar doch!

Andreas und Holger beim freundschaftlichen Battle um die Sekunden.
Andreas und Holger beim freundschaftlichen Battle um die Sekunden.

Sicher kann man nach Latsch im beschaulichen Südtirol fahren, ohne an der Trail Trophy teilzunehmen. Und ebenso sicher kann man auch Spaß in einer kleinen Gruppe haben, ohne 320 Mitstarter. Aber mit den 320 Mitfahrern wird der Spaß gleich potenziert. Zudem ist die Trail Trophy immer eine Reise wert und schlicht eine gelungene Veranstaltung. Das Rennen ist fordernd und konditionell anspruchsvoll, da es heißt 3 Tage Enduro am Stück. Auch wenn nur eine Abwandlung des olympischen Gedankens vorherrscht – Ankommen ohne Verletzung –, ist am Ende des Tages jeder ein Sieger, egal ob gute Platzierung oder eher durchschnittlich. Denn wer sich der Herausforderung stellt, an einem Rennen teilzunehmen, der gewinnt am Ende trotzdem: Er gewinnt ein ausgesprochen angenehmes Gefühl der Befriedigung, etwas geleistet zu haben, Erfahrung und den Respekt der Mitfahrer. Auch wenn die Trail Trophy eine kleine und eher entspannte Serie neben den weitaus ambitionierteren Veranstaltungen wie EWS, EES oder SSES ist, hat sie sich über die Jahre ein Stammpublikum aufgebaut, das jedes Jahr treu zum Auftakt nach Latsch pilgert.

Das Team rund um Thomas Schlecking gibt sich mit der TT in Latsch jedes Jahr aufs Neue sehr viel Mühe. Dabei hat sich die TT seit ihrem Bestehen zunehmend professionalisiert und bewahrt sich trotzdem die entspannte Atmosphäre. Simples Beispiel: Angekommen an der ersten Stage fragen mein Bike-Buddy und ich den Streckenposten, ob wir gemeinsam starten dürfen. Dürfen wir. Da wir beide in etwa das gleiche Tempo fahren, aber keine Lust haben, dass ein schnellerer Fahrer uns von der Strecke schreit, ist das für uns die einfachste Methode, stressfrei die Stage zu bewältigen. Zudem können wir uns so prima gegenseitig pushen. Wo der eine Defizite hat, kann der andere aufholen und andersrum. Solche Kleinigkeiten machen einem das Leben einfacher und stressen weniger.

TT Latsch Traumtrails auf Zeit fahren

Denn Stress bedeutet so eine Teilnahme auf jeden Fall. Wenn auch kein Stressfaktor von der Rennveranstaltung an sich ausgeht, wenn wie hier beispielsweise kein Zeitlimit erhoben wird, wie lange ein Fahrer insgesamt inkl. Transferetappen benötigen darf (andere Serien sind da strenger und setzen ein Gesamtzeitlimit voraus, bevor man aus der Wertung fliegt), so ist es trotzdem stressig für einen selbst. Und das spielt sich alles im Kopf ab: Nicht so viel Kraft bei den Transferetappen verschwenden, Kräfte einteilen, immer genug trinken und essen, wo war noch mal die technische Sektion und hab ich am Bike alles eingestellt etc. pp.

Man kann zwar selbst wählen, wann man die Stage bestreiten will, aber irgendwann ist es dann soweit. Das Adrenalin sprudelt, die Anspannung ist am Siedepunkt und dann geht es los. Beherzt reingetreten und mit dem Transponder den Start überquert schießt man in die Stage. Die TT wird auf Sicht gefahren, d.h. es gibt keinen offiziellen Trainingstag. Man kann aber vorab die Trails schon befahren, da die TT sich an das bereits vorhandene Trailnetzwerk im Vinschgau hält. Wir haben am Tag zuvor alle Stages einmal abgefahren und wissen in etwa, was uns erwartet. Die erste Stage ist technisch einfach, aber hat fiese Uphills. Mein Buddy ist im Downhill schneller, aber im Uphill hole ich ihn jedes Mal wieder ein und kann ihn auch überholen. Die zweite Stage macht einfach nur Spaß und lässt einen den Uphill vergessen (dieser wird uns später am Abend erneut ein Lächeln ins Gesicht zaubern). Wir schießen den Trail runter und ich brülle irgendwann von hinten: „Gib Gummi!“ Im Ziel angekommen herrscht Euphorie pur. Was für eine geile Stage!

TT Latsch stimmungsvoller Nightride

Eine Besonderheit hat die TT, es gibt am ersten Tag auch einen Nightride. Besagter Uphill vom Nachmittag ist wieder der Aufstieg zu einer schönen Stage durch die Nacht. Nightrides sind und bleiben eine coole Sache, die immer Spaß macht. Die Stage ist der nächtlichen Dunkelheit entsprechend eher einfach gestrickt und überrascht uns trotzdem mit vielen engen Spitzkehren. Leider wirft sich direkt am Ende der langsamere Vorfahrer mehrmals aus dem Anlieger, sodass ich meinen vorauseilenden Bike-Buddy nicht mehr einholen kann.

Am Ende des ersten Tages stehen trotzdem satte 8 Minuten Vorsprung auf den Bike-Buddy auf der Uhr. Trotzdem reicht es nicht für eine Top-Platzierung. Ist aber nicht schlimm, denn auch der Zweikampf auf gleichem Niveau macht enorm viel Spaß. Entsprechend der Platzierung werden alle Teilnehmer für den folgenden Tag in Startgruppen unterteilt. Unser Start ist eher spät am Vormittag, ergo länger schlafen.

Zweiter Tag der TT: Wieder warten 700 Höhenmeter am Morgen auf alle Teilnehmer. Ein durchaus beschwerlicher Ritt nach oben. Oft überkommt einen die Frage: Was mache ich hier eigentlich? Man fährt etliche Kilometer nach Südtirol, um sich dann 3–4 Tage auf dem Bike zu quälen. Auch wenn es für Cross-Country-Fahrer die schönste Sache der Welt ist, bleibt der steile Uphill zur Stage mit hunderten Höhenmetern einfach nur eins: sackanstrengend. Glücklichere Mitstreiter verfügen über mehr Fitness (weil jünger, Wohnort mit Zugriff auf Berge oder Carbon statt Kondition), was einen bisweilen zu neidischen Seitenblick auf den Überholenden hinreißt. Aber eigentlich hat man viel zu viel damit zu tun, diesen verfluchten Berg raufzukommen. Oben angekommen das gleiche Spiel, erstmal Kräfte sammeln, Protektoren anziehen, Handschuhe an und die Adrenalinausschüttung wieder hochfahren. Die Stages des zweiten Tages sind weitaus technischer als am ersten Tag und überzeugen mit ordentlich Schmackes. Schmackes braucht man auch in den Beinen und Armen, denn die erste Stage ist lang und gespickt mit groben Steinen und vielen Absätzen.

TT Latsch Finale am Sonntag

Sieben Minuten später und laut fluchend (weil die Beine zu sind, die Fahrtechnik irgendwo auf dem ersten Stück schon flöten gegangen ist und man konditionell schon wieder im roten Bereich fährt) erreiche ich schließlich das Ziel. Der zweite Tag ist nicht so meiner. Trotz zweier nicht gewerteter Stages aufgrund von Transponder-Problemen läuft es unrund und der Vorsprung zum Bike-Buddy schmilzt dahin. Am Ende des Tages liege ich nur noch 7 Sekunden in Führung. Das macht es aber im Endeffekt nur spannender fürs Finale am dritten.

Bleibt die Frage: War es das alles wert? Die Antwort ist: ja! Ja, weil es so unfassbar schön im Vinschgau ist. Ja, weil es eine tolle und rundherum gelungene Veranstaltung war mit vielen bekannten Gesichtern. Ja, weil die Trails Spaß gemacht haben und Rennen fahren auch mit einer Platzierung auf Platz 217 richtig geil ist. Und auch weil man sich die gesamten drei Tage mit dem Buddy gebattelt hat, nur um dann am letzten Tag mit 2 Sekunden zu verlieren – but that’s racing!

Alle Infos zur Trail Trophy gibt es hier: trailtrophy.eu, die Anmeldung für die kommende Trail Trophy in Kronplatz findet man hier (es gibt noch freie Plätze, die sind aber auch irgendwann weg, also schnell anmelden).

Text: Andreas Steinicke Fotos: Manfred Stromberg


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