“Fatbikes sind super”, haben sie gesagt.
“Fatbikes machen richtig viel Spaß”, haben sie gesagt.
“Fatbikes funktionieren hervorragend im Schnee”, haben sie gesagt.

Mit all diesen Versprechungen im Ohr wollten wir uns unser eigenes Fatbike-Abenteuer zusammenzimmern. Wir wollten hoch hinaus und sind dabei oft, aber glücklicherweise nicht sonderlich tief gefallen.

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Auf dem Gipfel, wo es weder eine Seilbahn noch eine bewirtschaftete Hütte gab.
No one said it was going to be easy. "We frequently fell - but luckily not that far."
Niemand hat behauptet, dass es leicht werden würde. “Wir fielen oft – aber zum Glück nicht weit.”

Für einen Großteil der Normalbevölkerung stellen Biker im Winter bereits ein echtes Phänomen dar. Rollt man dann auch noch auf einem Fatbike vorbei, fallen den ungläubigen Zuschauern am Straßenrand häufig fast die Augen aus dem Kopf. Aus diesem und einigen weiteren Gründen zogen wir bei unserem Abenteuer die Einsamkeit vor und entschieden uns als Ziel der Tour für einen Berggipfel, der weder über eine Seilbahn noch über eine bewirtschaftete Hütte verfügte. Der Preis waren ein stundenlanger, kräftezehrender Aufstieg, halberfrorene Zehen und taube Finger.

Wir, das waren Andi, Daniel, Pirmin, Tyler und ich – ein bunter Haufen Biker aus der ganzen Welt, der eines gemeinsam hatte: kaum Erfahrung mit Fatbikes.
Für Tyler, unseren kanadischen Praktikanten mit deutschen Wurzeln, war es eine völlig neue Erfahrung, sein Bike längere Zeit den Berg hinaufzuschleppen und ich hätte ihm das gerne erspart. Aber die geplante Auffahrt über die Forststraße war aufgrund des vielen Schnees schlicht unfahrbar – auch mit Fatbikes.

"The fireroad that we’d chosen for the climb was pretty much un-rideable given the sheer amount of snow — and that’s with a fat bike. "
Aufgrund des vielen Schnees konnten wir die Forststraße, die wir ursprünglich zur Auffahrt nehmen wollten, nicht fahren – trotz Fatbikes.
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Der Wind blies uns um die Ohren und das Gewicht der Bikes drückte unaufhörlich auf die Lendenwirbelsäule.
"As soon as you caught your back wheel on a branch or an overhanging tree, you were then subjected to an involuntary snow shower."
Sobald das Hinterrad einen Ast oder in den Weg hängenden Baum touchierte, gab es eine unfreiwillige Schneedusche.

Nach gut eineinhalb Stunden lichtete sich endlich der Wald und wir betraten den nur noch spärlich bewachsenen Gipfelaufbau. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Himmel zugezogen, von Fernsicht und Bergpanorama keine Spur. Motivationstief Nummer II näherte sich im Sturzflug und die letzten Meter hinauf zum Gipfel verlangten uns allen noch einmal einiges ab. Der Weg war hier viel steiler und kaum begangen. Bei jedem zweiten Schritt sanken wir bis zu den Knien ein und der Wind blies uns um die Ohren. Gleichzeitig drückte das Gewicht der Bikes unaufhörlich auf die Lendenwirbelsäule.

Als dann endlich der Gipfel in Sicht kam, machten wir einige Meter unterhalb, gut windgeschützt, Rast. In feinster Bergsteigermanier hatten wir uns unsere Jause, auch Brotzeit genannt, natürlich mitgebracht. In der Rahmentasche des Rocky Mountain Blizzard fand außerdem ein kleiner Espressokocher Platz. Wir fühlten uns fast wie Bear Grylls, der versucht, bei Dauerregen im Dschungel Feuer zu machen, als wir im Anschluss den Benzinkocher mit dem kalten und nassen 1-Euro-Feuerzeug einfach nicht angezündet bekamen.Irgendwann hatten die Götter dann aber doch Mitleid mit uns und es klappte mit der typischen Gipfel-Espresso-Romantik. Das koffeinhaltige Heißgetränk gab uns einen echten Motivationsschub und es wirkte schon fast kitschig, als der Himmel dann auch noch den Blick auf die umliegenden Berge des Karwendelgebirges freigab und wir uns gut geschützt und frisch gestärkt für die Abfahrt bereit machen konnten.
Wobei Abfahrt für das, was uns auf den ersten Metern erwartete, wohl eher das falsche Wort ist. Vielmehr müsste man von Ab-Fall (nicht mit Müll zu verwechseln!) sprechen. Denn gefahren sind wir außer den wenigen Metern für ein Foto im tiefen Schnee nicht viel – gefallen dafür umso mehr.

"As the caffeine boosted to our spirits and the skies opened to reveal the Karwendel mountains, we felt revitalized and more than ready for the downhill."
Der Espresso gab uns einen Motivationsschub, sodass wir uns bereit für die Abfahrt fühlten.
"A more apt choice of words"
“Ab-Fall wäre eine treffendere Beschreibung gewesen.”

Trotz der dicken Reifen schafften wir es einfach nicht, das Vorderrad auf dem weichen Untergrund auf Kurs zu halten und blieben regelmäßig stecken – bei höheren Geschwindigkeiten war der Abgang über den Lenker inklusive. Jeder von uns schaffte es, auf dem wenig bewaldeten Stück auf mindestens fünf mehr oder weniger freiwillige Stürze zu kommen und sich den Schnee aus dem Helm zu schütteln, während die anderen sich vor Lachen bogen. Bei unseren akrobatischen Meisterleistungen an diesem Tag wäre so mancher Bodenturner neidisch geworden!

Je länger die Abfahrt dauerte umso mehr machten wir uns mit dem Fahrverhalten der Fatbikes vertraut. Am schwierigsten war dabei, die perfekte Gewichtsverlagerung zu finden: Bei zu viel Druck auf dem Vorderrad bleibt man schnell stecken, bei zu wenig Druck schaltet das Bike auf Autopilot und man ist nur noch Passagier. Findet man jedoch den perfekten Kompromiss und ist der Untergrund etwas festgetreten, ist Fahrspaß garantiert! Ähnlich wie Bobfahrer im Eiskanal flogen wir nach einiger Übung über den Trail. Links und rechts befanden sich gut 50 cm hohe Schneewände, die wir zum Teil als Anlieger nutzen konnten. Der im Sommer ruppige und mit Felsen und Stufen durchsetzte Weg wurde dank der Schneedecke zum reinsten Flowtrail. Unebenheiten waren schlicht nicht mehr vorhanden. Mit jeder Kurve stieg das Vertrauen in den Grip der Reifen – wofür wir natürlich prompt die Quittung bekamen.

"The day’s acrobatic feats would surely have made any gymnast green with envy."
Bei unseren akrobatischen Meisterleistungen an diesem Tag wäre so mancher Bodenturner neidisch geworden.
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Trotz der dicken Reifen schafften wir es einfach nicht, das Vorderrad auf dem weichen Untergrund auf Kurs zu halten und blieben regelmäßig stecken.
"The more we descended, the better acquainted we got with the handling of the fat bikes. "
Je länger die Abfahrt dauerte umso mehr machten wir uns mit dem Fahrverhalten der Fatbikes vertraut

Aber auch die erneuten Stürze konnten dem dicken Grinsen auf unserem Gesicht keinen Abbruch tun und am Ende waren wir uns alle einig: Auch wenn die Bedingungen alles andere als perfekt waren und speziell beim Aufstieg das ein oder andere Zwischentief auf die Stimmung drückte, war es doch ein grandioser Tag! Klar könnte man, wie so viele der verdutzten Wanderer am Fuß des Berges, beim Thema „Fatbikes“ die Sinnfrage stellen. Denn bestimmt wäre man auf Skiern oder ohne Bike schneller und sicherer unterwegs gewesen. Aber es hätte auch bei Weitem nicht so viel Spaß gemacht!
Es geht schließlich um viel mehr als reine Effizienz, Sicherheit und Kontrolle. Es geht um unvergessliche Momente – und davon hatten wir heute mehr als genug.

"In the end, we all agreed that despite the less-than-ideal conditions and our occasional motivational lapses on the climb, it had been an incredible day."
Am Ende waren wir uns alle einig, dass es trotz der nicht optimalen Bedingungen ein großartiger Tag war.
"Much more than efficiency, safety and control, life’s about unforgettable moments – and we had more than enough of those."
Es geht schließlich um viel mehr als reine Effizienz, Sicherheit und Kontrolle. Es geht um unvergessliche Momente – und davon hatten wir heute mehr als genug.

Bleibt festzuhalten: Sie hatten recht. Fatbikes sind super. Fatbikes machen richtig viel Spaß. Und funktionieren in vielen Situationen auch hervorragend im Schnee!

Text & Bilder: Christoph Bayer


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