Rene Sendlhofer von Bikefex.at hat hier bei uns bereits mehrfach über seine spannenden Bike-Abenteuer berichtet. Diesmal erlebte er den Indian Summer in Frankreich und erkundete spannende Trails auf den Spuren der Trans Provence, stets auf der Hut vor dem gefürchteten französischen Hüte-Hunden.

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Hier sein Bericht:

Ich begann bereits früh mit meinen Vorbereitungen – am allerwichtigsten dabei: die Ernährungsumstellung auf die französische BBR-Diät … von früh bis spät Brie, Baguette und Rotwein. Nur so dachte ich, sei ich für die Trans-Provence ausreichend gerüstet. Ein Großteil meiner aufgestauten Energien war allerdings bereits nach der 12-stündigen Anreise wieder verflogen. Hinzu gesellten sich müde Beine und Kreuzschmerzen, die ich der langen Autofahrt zu verdanken hatte. Doch meine Leiden waren bei An- und Ausblick unserer ersten Unterkunft schnell vergessen. Leicht erhöhte Hanglage, Exposition Südwest, ein wolkenloser, warmer Herbsttag, dessen letzte Sonnenstrahlen das alte steinerne Gemäuer in magischen Glanz hüllten. Irgendwie war diese Szenerie schon fast kitschig.

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Das Abendessen war originell, exquisit, französisch: Brie, Baguette und Rotwein. Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert! Das Frühstück am nächsten Morgen brachte – wie soll es auch anders sein, kaum Neues auf den Speiseplan. Lediglich den Rotwein konnte ich nicht finden. Bei dieser Menüfolge blieb es die gesamte Woche, und wir konnten danach mit Leichtigkeit am Geschmack erkennen, ob die Dorfsennerei ihre Produktion am Süd- oder Westhang hatte.

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Bei etwas Hochnebel, Sonnenschein und den Farben eines perfekten Indian Summer starteten wir mit Spannung und Vorfreude in unsere Durchquerung der Seealpen. Die Stimmung schien ausgelassen und ungetrübt, nur die kleine Gute-Nacht-Geschichte des Vorabends, über die “Weiße Bestie der Provence”, die sich in unseren Hinterköpfen eingenistet hatte bereitete uns Sorgen.

 

Eigentlich nur als kurze Info gedacht, wurde der Mythos des französischen Hütehundes geboren: Diese bewachen im Sommer autarke Schafherden und verteidigen sie gegen natürliche Feinde wie Wanderer, Mountainbiker und Wölfe. Die Hunde sind dementsprechend groß und kräftig und können einem Gerücht zufolge letzterem mit links das Genick abbeißen. Na bumm, schöne Aussichten für die kommenden Tage. Nicht, dass ich mir Sorgen um mein Genick gemacht hätte, aber wer weiß, was so ein Hund mit meinem Bike anstellen würde?

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Hinter jeder Kurve oder Querung lauschten wir gespannt nach Schafglocken, um den gut getarnten Monster nicht in die Arme, sprich in die Fänge zu laufen. Zusätzlich waren auf den Hochebenen Schilder im Comic-Stil mit gut gemeinten Verhaltensregeln angebracht, doch selbst diese konnten uns kaum beruhigen. 

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Die Provence und die Seealpen sind ein sehr abwechslungsreiches Gebiet, Farben und Formen der Landschaft änderten sich für uns im Tagesrhythmus. Sogar die Erde wechselte ihre Tönung: vom altbekannten braun zu schwarz bis hin zu knallroten Farben. Die bunt durchgemischten Bike-Klamotten waren von nun an nicht nur zum Aufpeppen der Fotos da, sondern wurden zur Tarnung vor der besagten Bestie.

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Aber bei all dem Fahrspaß ohne Ende war die Angst vor dem weißen Riesen dann doch recht schnell vergessen, und als uns ein Wirt in der Taverne einmal mitteilte, dass die Schafe um diese Jahreszeit sowieso bereits im Tal seien, war dieses Thema mit einem allgemeinen Seufzer der Erleichterung erledigt.

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Da um diese Jahreszeit die Tage nicht mehr die längste brachen wir jeden Morgen zeitig auf. Immerhin legten wir täglich knapp 1800Hm bergauf und ein Vielfaches bergab zurück. Unsere Route deckte sich großteils mit der des legendären Mavic Trans-Provence Enduro-Rennens. An einigen Stellen konnte man die Wegführung noch erkennen, doch die meiste Zeit hatten wir das Gefühl, die ersten Biker in der Region zu sein, ja vielleicht sogar die ersten Biker in Frankreich. Nein, die ersten Biker überhaupt, die allerersten! Wir waren die Herrscher unserer Welt und surften von Sonnenauf- bis Untergang die Trails, ohne auch nur einen Höhenmeter sinnlos auf Asphalt zu vergeuden. Und neben dem Endorphinrausch kam uns dann eine Erkenntnis: Die Tatsache, dass hier vor wenigen Wochen mehr als 70 Biker im Renntempo an Schafherden vorbei rasten, und nirgends entlang der Strecke halb-verdaute Rennfahrer herumlagen, ließ auch die hartnäckigste Hütehunde-Phobie endgültig in den Hintergrund rücken.

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Wir hatten gut die Hälfte der Reise hinter uns und befanden uns gerade auf einer Hochebene auf ca. 1900m Seehöhe. Als wir mit Mach 3 um die nächste Ecke bogen, waren sie plötzlich da, die Glocken des Schreckens, oder zumindest die der Schafe. Wie versteinert blieben alle stehen und nahmen die dunklen Sonnenbrillen ab, um die als Schaf getarnten weißen Bestien zu erspähen. Und da waren sie, mitten in der Herde. Ein Umweg musste gefunden werden, um den Hunden nicht als Vor-, Haupt- und Nachspeise zu dienen. Da die Schafe offenbar auch die Wanderwege bevorzugen, statt des unwegsamen Geländes links und rechts vom Weg, wurde unser Umweg richtig lang, richtig anstrengend und richtig abenteuerlich.

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Gerade als wir die letzten Schritte wieder Richtung Weg machen wollten, entdeckten wir ihn – den König der Hütehunde. Größer als alle anderen und noch mächtiger als wir ihn uns je vorgestellt hatten. Da lag er, mitten auf dem Weg und beobachtete seine Schäfchen aus guter Distanz. Unser letztes Stündlein schien geschlagen. Langsam schlichen wir weiter. Ob er uns wohl schon bemerkt hatte? Was für eine Frage – der hatte unseren Angstschweiß wahrscheinlich schon vor 30 Minuten gewittert. Als wir mit dem Maximalpuls der ganzen Woche endlich an ihm vorbei waren, hatte er sich noch immer keinen Meter von der Stelle bewegt – und außer einem müden Blick mit verschlafenen Augen widmete er uns keine Beachtung. Es schien fast so, als könnte man den knuddeligen und wuscheligen Wachhund zu einer Runde Bauchi-Streicheln überreden. Das war er also, der Schrecken der Provence.

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Das letzte Stündlein schlug dann aber doch noch, und zwar für eine traumhafte Tour. Mit dem Bike ging’s bis runter an die Cote d’Azur. Bei strahlend blauem Himmel und Sonnenschein rollten wir mit Meerblick und Triumphzug-Feeling die letzten Meter Wanderweg bis direkt an die Küste. Ein Bad im noch warmen Mittelmeer, Brie, Baguette, Rotwein – wir brauchen nicht viel um glücklich zu sein. Und auch wenn das Wort Heimreise immer mit Wehmut verbunden ist – zu neuen Abenteuern aufbrechen kann nur, wer vorher wieder nach Haus fährt.

Mehr Information zur Tour findet ihr auf den Websiten der beiden Veranstalter Matthias Knaus ( .zeitfuerdraussen.at) und Rene Sendlhofer (bikefex.at)

Text: Rene Sendlhofer | Bilder: Rene Sendhofer


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