Das schnellste Enduro Race Bike der Welt zu küren ist für uns keine Glaubensache. Glaubt man den Herstellern, so hat jeder von ihnen das schönste, schnellste und beste Bike. Glaubt man den gesponsorten Teamfahrern, so hat jeder von ihnen das beste Bike. Glaubt man seinen Gefühlen… ja, was dann? Wir haben für diesen außerordentlichen Test keine Kosten und Mühen gescheut. Und auch wir haben viel geglaubt, bis uns die knallharte Wahrheit eingeholt hat.

Auchmacher_EWS_Racebikes_Enduro_Magazine (5 von 22)
Wir fuhren in das sonnige Finale Ligure, um die schnellsten Enduro Race Bikes zu testen.
Vielen Dank an Enrico Guala (Superenduro / EWS), Lorenzo  (Sporthotel Regina) und Sonja (Cascina del Groppo) für die  hervorragende lokale Unterstützung.
Vielen Dank an Enrico Guala (Superenduro / EWS), Lorenzo (Sporthotel Regina) und Sonja (Cascina del Groppo) für die hervorragende lokale Unterstützung.

Anfang März 2014, Finale Ligure. Das Enduro Mountainbike Magazin Team trifft sich mit Profi-Racern, Bikeentwicklern und Raceorganisatoren, um ein ganz eigenes Rennen zu veranstalten: Den Enduro World Series Race Bike Vergleichstest. Denn wer kann besser beurteilen, was am schnellsten ist, als die Zeit selbst?

Die Teilnehmer: Die zehn interessantesten Enduro- Modelle 2014.

BMC_TRAILFOX_TF01_XTR (5 von 15) d_trailfox_preis

BMC Trailfox TF01 XTR

Canyon_Spectral_Team_edition (5 von 13) d_neu_canyon

Canyon Spectral AL 9.0 SL

Commencal Meta AM Factory (13 von 13) d_neu_com

Commencal Meta AM Factory

Cube Stereo Action Team Edititon (5 von 11) d_cube_preis

Cube Stereo 160 Super HPC SLT 27,5 Action Team Edition

Focus SAM Team Edition (13 von 13) d_focus_preis

Focus SAM Team Edition

Norco Rage Carbon LE (6 von 14) d_norco_preis

Norco Range Carbon LE

Scott Genius LT Tuned (3 von 10) d_scott_preis

Scott Genius LT Tuned

Specialized S-Works Enduro 29 (4 von 13) d_spe_preis

Specialized S-Works Enduro

Trek Slash 9 (5 von 12) d_trek_preis

Trek Slash 9

Yeti SB66C Graves-Edition (4 von 12) d_preis_yeti

Yeti SB66C Graves Edition

Die Ausschreibung für die teilnehmenden Hersteller:

Schickt uns das beste und schnellste Bike, das ihr bauen könnt. Geld spielt keine Rolle. Die Rennstrecke: Die abwechslungsreichste Race Stage in Finale Ligure, abschnittsweise Teil des Enduro World Series Rennens 2013.

Der Speed: Jeder Tester war angewiesen in seiner Komfortzone zu fahren, um das mehrtätige Testen konstant absolvieren zu können. Außerdem ist die Komfortzone der realitätsnahste Rennmodus bei Endurorennen, da es gilt, die einzelnen Läufe eines Rennes möglichst fehlerfrei und konstant zu absolvieren. Wer ständig am bzw. über dem Limit fährt, hat ein enormes Risiko zu stürzen. Jared Graves selbst sagt: „To finish first you have to finish first!“

Auchmacher_EWS_Racebikes_Enduro_Magazine (11 von 22)
Auchmacher_EWS_Racebikes_Enduro_Magazine (12 von 22)
Manuel Ducci beim Trackwalk.
Niemand geringeres als der italienische Meister Manuel Ducci zeigte uns beim Trackwalk die besten Linien, damit bei den getimten Läufen auch jedes Rad unter identischen Gegebenheiten gefahren werden konnte.
Niemand geringeres als der italienische Meister Manuel Ducci zeigte uns beim Trackwalk die besten Linien, damit bei den getimten Läufen auch jedes Rad unter identischen Gegebenheiten gefahren werden konnte.

Die Linienwahl: Innerhalb der Strecke frei! Jedes Rad hat aufgrund von Fahrwerk, Geometrie und Laufradgröße andere Stärken und Schwächen. Entsprechend muss auch die Linienwahl angepasst werden.

Auchmacher_EWS_Racebikes_Enduro_Magazine (17 von 22)
Das Norco fuhr sich bei einem gezeiteten Run gleich zwei Platten ein.
„Ehrgeiz, Durchsetzungskraft und Siegeswillen“
„Ehrgeiz, Durchsetzungskraft und Siegeswillen“

Die Anzahl der Abfahrten: Vor dem Test wurden alle Bikes eingefahren und auf „Betriebstemperatur“ gebracht. Pro Bike wurden mindestens drei Abfahrten absolviert, jeweils um ein Gefühl für das Bike zu bekommen und eventuelle Setup-Änderungen vorzunehmen. Anschließend mussten zwei konstante Runs fehlerfrei den Berg hinuntergebracht werden. Falls nicht, folgte eine Wiederholung.

Auchmacher_EWS_Racebikes_Enduro_Magazine (20 von 22)
“Tires make a big difference!”

Ehrgeiz, Durchsetzungskraft und Siegeswille sind Attribute, die ein guter Rennfahrer mitbringen muss, um ein Rennen für sich zu entscheiden. Und auch für das perfekte Race-Bike lassen sich nach unserem Test einige Eigenschaften klar definieren, die es dem Fahrer erleichtern, dem Rennsieg ein gutes Stück näher zu kommen – welches Bike diese am besten in sich vereint, dazu später mehr.

Auchmacher_EWS_Racebikes_Enduro_Magazine (1 von 22)
Das Norco Range bei Vollgas.

Obwohl wir eigentlich „nur“ nach dem schnellsten Racebike 2014 gesucht haben, hätten die eingereichten Räder und ihre Konzepte nicht unterschiedlicher ausfallen können. Ob nun Carbon- oder Aluminium-Rahmen, 26“-, 27.5“- und 29“-Laufräder, 1×11 sowie 2×10-fach Antriebe – jeder Hersteller folgte hier seiner ganz eigenen Überzeugung. So finden sich in unserem Testfeld neben sehr seriennahen Bikes wie dem BMC Trailfox TF01 und dem Specialized S-WORKS Enduro 29 auch maximal getunte Bikes wie das originale Race-Bike von Jared Graves, das Yeti SB66 Carbon, ein Canyon Factory Enduro Team Racebike oder eine Cube Action Team Replika des Cube Stereos.

Auchmacher_EWS_Racebikes_Enduro_Magazine (2 von 22)
Der Chefredakteur gibt des Specialized die Sporen.

Das Fazit des Racetests war überraschend: Auch wenn die Tester jeweils unterschiedlich schnell waren, so stimmte das persönliche Ranking der einzelnen Fahrer auf den ersten vier Plätzen mit dem Ranking der anderen Fahrer beinahe exakt überein. Sprich, relativ gesehen war jeder Fahrer auf einem bestimmten Bike schneller oder langsamer als auf einem anderen Bike.

Auchmacher_EWS_Racebikes_Enduro_Magazine (3 von 22)
Nicht der Federweg ist entscheidend. Das hat uns das Canyon gelehrt.

Entgegen der Erwartungen spielte die Laufradgröße keine wirklich entscheidende Rolle, sie beeinflusst lediglich den Fahrstil und die Linienwahl – je nach Strecke kann so 26“ gar schneller sein als 29“ oder eben umgekehrt.

Auchmacher_EWS_Racebikes_Enduro_Magazine (4 von 22)
Ein letztes Mal die Linienwahl überprüfen, dann geht es los.

Ein weiteres Mysterium sind die Hinterbausysteme. Aussagen wie „ein linearer Hinterbau sorgt lediglich für ein schwammiges Fahrverhalten“ oder „ein progressiver, straffer Hinterbau ermöglicht es, aktiver und schneller zu fahren“ wurden widerlegt. Fest steht: Ob butterweich und linear oder straff und progressiv – der Hinterbau beeinflusst maßgeblich die Fahrweise, ist letzten Endes aber auch nur Teil eines Gesamtkonzeptes, das passen muss!

Auchmacher_EWS_Racebikes_Enduro_Magazine (6 von 22)
Für die unzähligen Abfahrten brauchten wir einen Shuttle, auch wenn es nicht dem Geiste entspricht.

Die richtige Geometrie ist die entscheidende Basis für ein schnelles Bike und bestimmt maßgeblich das Handling. Ob kompakt und agil oder lang und stabil hängt am Ende vom Fahrer ab. Längere Bikes mit guter Laufruhe und flachen Lenkwinkeln helfen beim Rennspeed aber auf jeden Fall, speziell auf harten, steilen und verblockten Streckenabschnitten bringen sie viel Sicherheit und helfen so auch Kräfte zu sparen.

Auchmacher_EWS_Racebikes_Enduro_Magazine (7 von 22)
Professionelle Zeitmessung.

Cockpit und Anbauteile haben einen sehr großen Einfluss auf das Handling und die Overall-Performance eines Bikes. Die richtige Wahl der Vorbaulänge, Lenkerbreite und Anzahl der Spacer (z.B. für eine hohe Front) ist entscheidend. Eine hohe Front bringt meist Sicherheit auf anspruchsvollen Kursen.

Auchmacher_EWS_Racebikes_Enduro_Magazine (8 von 22)
Im Renntempo wäre ein Sturz sehr schnell schmerzhaft geworden. Deswegen fuhren alle Testfahrer mit Integralhelm.

Racebikes sind extrem: Bei einigen Bikes wurden die Limits ausgereizt, die Folge waren gebrochene Carbonfelgen, ausgeschlagene Lager und weitere Defekte. Totalausfälle gab es aber keine und mit allen Rädern hätte man die Ziellinie noch überqueren können!

Auchmacher_EWS_Racebikes_Enduro_Magazine (10 von 22)
“3, 2, 1, GO!”

Viele Faktoren, die letzten Endes alle die Zeit beeinflussen. Fakt ist, zwischen den einzelnen Bikes gab es einen realen Unterschied von bis zu 6 %. Dies macht auf einem durchschnittlich 30-minütigen Enduro-Rennkurs einen Zeitunterschied von über 1,5 Minuten! Bei der Enduro World Series in Finale Ligure 2013 hätte das den Unterschied zwischen Platz 1 und Platz 17 oder Platz 36 und 74 ausgemacht.

Auchmacher_EWS_Racebikes_Enduro_Magazine (14 von 22)
Manuel Ducci auf seinem eigenen Bike, einem Ibis Mojo HDR.

Damit ist bewiesen, dass gutes Material beziehungsweise ein stimmiges Gesamtbike einfach schneller ist als andere. Dennoch liegt es letzten Endes am Fahrer, wie weit er seine Komfortzone pushen kann oder wie viel Risiko er für die Sekundenjagd eingeht! Möge der Bessere gewinnen – das schnellste Racebike findet ihr auf den folgenden Seiten. Gesagt sei, dass jedes dieser Bikes grundsätzlich schnell ist. Die Liste der Racebikes ist sehr viel länger. Platz 10 bedeutet nicht, das langsamste Bike, sondern die Top10 der schnellsten Racebikes der Welt!

Auchmacher_EWS_Racebikes_Enduro_Magazine (16 von 22)
Am Ende entscheidet die Zeit.

Carbon ist gut, aber nicht zwangsläufig besser. Ein gut konstruierter Aluminiumrahmen kann auch leicht und effizient sein. Ästhetik und Haltbarkeit hingegen sprechen für Carbon.

Canyon_Spectral_Team_edition (5 von 13)

Am schnellsten, am souveränsten und am besten – drei Superlative, die nach diesem Test einem Bike zuzuordnen sind, war letzten Endes das Canyon Spectral in der Factory Team Edition. Mit im Mittel knapp 1 Sekunde Vorsprung ist es das schnellste Rad in unserem Vergleichstest der Superlative.

Auchmacher_EWS_Racebikes_Enduro_Magazine (22 von 22)
Manuel Ducci konnte uns viele Ratschläge eines erfahrenen Rennfahrers geben.

Als eines der wenigen Bikes im Test hat das Canyon weder einen Carbon-Rahmen noch viele Carbonanbauteile oder ein komplex konstruiertes Hinterbausystem.

d_statistic

Hingegen ist es Canyon gelungen, ein Bike zu kreieren, dessen einzelne Komponenten perfekt zusammenspielen. In Kombination mit der sehr guten Geometrie und dem erstklassigen Fox-Fahrwerk ergibt sich ein mehr als stimmiges Gesamtbild. An dieser Stelle muss jedoch auch deutlich gesagt werden, dass dieses Spectral nur noch wenig mit dem Serienrad gemein hat. So wurde die serienmäßig verbaute Fox 32 durch eine Fox 34 mit 160 Millimetern ersetzt, was mehr Steifigkeit und eine höhere Front zur Folge hatte. Der regulär verbaute Fox Float CTD Dämpfer musste einem abfahrtslastigeren und progressiveren Float X weichen und bescherte dem Hinterbau so einen sehr deutlichen Performance-Gewinn. Zusammen mit dem breiten Renthal Cockpit behält der Fahrer vor allem in steilem und ruppigem Terrain dadurch immer die volle Kontrolle und bleibt von Überschlagsgefühlen verschont – Vollgas ist angesagt!

d_statistic02

Das Gesamtbild des Rades wird durch die starken Avid Bremsen, der präzisen SRAM XX1 Schaltung und der (auf den trockenen Strecken von Finale Ligure) gut funktionierenden Mavic Reifen-Kombi abgerundet.
Wie bereits erwähnt handelt es sich beim Canyon Spectral um ein Team-Replika Bike, welches es so leider nicht zu kaufen gibt, ein Umbau ist aufwendig und kostenintensiv.

Specialized S-Works Enduro 29 (4 von 13)

Das Specialized S-Works Enduro 29 hingegen nahm in der kompletten Serienausstattung am Test teil, lediglich die Reifen wurden auf Tubeless umgebaut. Mit dem superben Handling und Stärken in schnellem, wie technischen Terrain sowie dem Vorteil der zusätzlichen Reserven aufgrund der großen Laufräder beim Fahren auf Sicht wusste es die Tester auf voller Länge zu überzeugen. Das Specialized Enduro S-Works 29 geht als schnellstes Serienbike 2014 aus diesem Vergleichstest hervor. Für den stolzen Preis von 7.999 Euro erhält der Kunde dann das beste Serien Enduro, das es derzeit zu kaufen gibt. Nun liegt es also am Fahrer, das Rennen für sich zu entscheiden – Feuer frei!

Auchmacher_EWS_Racebikes_Enduro_Magazine (21 von 22)

Den vollständigen Testbericht mit allen acht EWS Race Bikes findet ihr neben vielen weiteren spannenden Stories auch in der Ausgabe #010! Wie gewohnt rein digital & kostenlos für iPad, Android-Tablets und Online-Viewer: Ausgabe #010.

Text & Fotos Christoph Bayer


Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als ENDURO-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, das die Mountainbike-Welt auch weiter ein kostenloses und unabhängiges Leitmedium hat. Jetzt Supporter werden!