Derzeit kursiert auf YouTube ein Video, das einen nur stutzig machen kann. Akteure: die Mitglieder der österreichischen Mountainbike-Initiative Upmove und ein ganzer Haufen von Quad- und Motorradfahrern. Die Mountainbiker schieben friedlich und leise ihre Bikes durch den Wald, die Quad- und Motorradfahrer heizen mit so krassem Tempo durch, dass man aus dem Kopfschütteln gar nicht mehr rauskommt. Was ist da los?

Mountainbiken ist in Österreich, so fern nicht explizit vom Waldbesitzer genehmigt, verboten!
Mountainbiken ist in Österreich, so fern nicht explizit vom Waldbesitzer genehmigt, verboten!

In Österreich ist auf Forstwegen ausschließlich Wandern erlaubt. Kein Mountainbiken, kein Reiten und auch kein motorisiertes Fahrzeug. Während man in Baden-Württemberg gegen die Zwei-Meter-Regelung kämpft, darf man in Österreich eigentlich nirgends fahren – es sei denn, die Ausnahme ist explizit vom Waldbesitzer genehmigt. Dagegen demonstrieren die Mitglieder von Upmove mit sogenannten Trutzaktionen, die in Österreich lange Tradition haben. Schließlich wurde so vor 40 Jahren schon erreicht, dass Wanderer auf die Waldwege dürfen und der Wald nicht nur zur wirtschaftlichen Nutzung freigegeben ist. Eine solche Aktion zeigt auch das YouTube-Video vom Marsch über die Hänge des Untersbergs. Was dann die Motorradfahrer da zu suchen haben?

Da hat sich der Waldbesitzer Mayr-Melnhof, dem große Teile des österreichischen Untersberg-Gebiets gehören, wohl ziemlich ins eigene Fleisch geschnitten. Denn als die Demo angemeldet wurde, öffnete er für diesen Tag die eigentlich gesperrten Strecken gleich für alle. Auftritt: lärmende Motorradfahrer. Gegenüber der APA (Austria Presse Agentur) sagte Mayr-Melnhof, die Öffnung für einen Tag sei kein Gegenaktionismus, sondern die offizielle Legitimation der Protestkundgebung. Trotzdem sieht es sehr danach aus, als habe er zeigen wollen, was vermeintlich passiert, wenn man den Wald für alle öffnet. Dabei plant niemand eine Gesetzesänderung, die unbeschränkten Zutritt für alle Fahrzeuge erlaubt und auch, wenn die Angst vor dem kompletten Wegfallen aller Grenzen fast immer mit einer Debatte um teilweise Lockerung einhergeht, zeigt der Blick auf andere Länder und Regionen, dass solche Befürchtungen eigentlich unnötig sind. Was auch immer Mayr-Melnhofs Gründe für die generelle Öffnung an dem Tag gewesen sein mögen – er hat damit vor allem zwei Dinge erreicht. Auch wenn er vielleicht genau das Gegenteil bezweckt hat, ist deutlich geworden, dass Mountainbikes im Gegensatz zu anderen Fahrzeugen naturverträglich sind. Das belegt mittlerweile auch eine ganze Reihe von Studien, die unter anderem auf der Webseite des DIMB zu finden sind. Und er hat den Beobachtern vor Augen geführt, wie sehr die österreichische Wegeregelung von der Einstellung der einzelnen Waldeigentümer bzw. Forststraßenerhalter abhängt. Schließlich liegt hier ganz klar in der Hand des Eigentümers, wen er auf seinen Wegen erlaubt und wen nicht.

Feierabendrunde mit Kollegen? In Österreich meist nur wenn man in einem Touristengebiet wohnt!
Legale Feierabendrunde mit Kollegen? In Österreich meist nur wenn man in einer Touristenhochburg wohnt!

Ein in Österreich beliebter Kompromiss ist es, in touristisch gut erschlossenen Gegenden Waldwege zur Nutzung für Mountainbiker freizukaufen. Das ist aber teuer und lohnt sich nur, wenn die Ausgaben durch die Einnahmen von Tourismus etc. wieder eingespielt werden. Im Klartext heißt das für die österreichischen Mountainbikefahrer: Mit der Feierabendrunde wird es legal nur dann etwas, wenn sie zufällig in einer Touristenhochburg wohnen. Die Wegenetze, die sich teilweise gut ausgebaut bei ihnen vor der Haustür befinden, dürfen sie nicht nutzen. Und wenn sie es trotzdem tun, drohen saftige Geldstrafen. Auch daran lässt sich die Tiefe des Konflikts zwischen Mountainbikern und Waldeigentümern in Österreich gut nachvollziehen: Auf der Webseite des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft heißt es noch, dass unerlaubtes Befahren von Waldstraßen mit Strafen von 730 € oder Arrest bis zu einer Woche geahndet wird. In den Fällen, die vor Gericht landen, geht es allerdings teilweise schon um Strafen von bis zu 15.000 € für unerlaubtes Befahren der Waldwege.

Wie verhärtet die Fronten in vielen Gebieten Österreichs noch immer sind, davon hat für das ENDURO Mountainbike Magazine schon mehrfach Rene Sendlhofer berichtet. Aber die Debatte ist nicht nur erhitzt, sie ist auch ziemlich komplex und man braucht eine ganze Weile, bis man sich darin einigermaßen orientiert hat. Denn die Diskussion dreht sich nicht nur um die Achtung der anderen Waldnutzer, den Schutz der Tierwelt und einen verantwortungsvollen Umgang mit der Natur. Es geht auch viel darum, ob die Wege jetzt mit oder ohne öffentliche Gelder angelegt wurden, ab wann das Eigentumsrecht gestört wird und man von Teilenteignungen sprechen kann. Dann haben die Jäger in Österreich noch eine vergleichsweise starke Lobby und immer wieder kommt auch die Haftungspflicht ins Spiel, die Eigentümer und Waldbewirtschafter auch bei für alle geöffneten Wegen in die Pflicht nimmt und haftbar macht. Letzteres ließe sich durch eine grundsätzliche Änderung der Versicherungspflicht des Eigentümers hin zur strikten Eigenverantwortung der jeweiligen Waldnutzer lösen – das fällt einem aber jetzt schon gar nicht mehr ein, weil der Schädel mittlerweile so brummt, dass man sich konzentrieren muss, um das Wort „Mountainbike“ noch richtig zu schreiben.

Wie so oft sind all diese Fragen sicherlich wichtig und haben ihre Berechtigung. Schließlich dreht sich aber viel auch einfach um Angst vor Veränderung, Angst vor MTB-Fahrern, die auf Schotterwegen tiefe Bremsspuren hinterlassen und Wild aufschrecken, die den gesamten Wald durchheizen und Wanderer stören. Was dabei leider oft übersehen wird: Der überwältigende Großteil der Mountainbiker passt nicht auf diese Beschreibung, die meisten sehen eher so aus wie die Mitglieder von Upmove. Das sind Leute, die den Wald und die Natur genauso lieben wie Wanderer und Waldbesitzer und es sind Leute, die sich rücksichtsvoll und ohne Spuren zu hinterlassen im Wald bewegen. Und die einem Gesetz unterworfen sind, das vor 40 Jahren erlassen wurde und der mittlerweile doch stark veränderten Wirklichkeit nicht mehr gerecht wird.

Wir drücken Upmove die Daumen für ein friedliches Miteinander im Wald.
Wir drücken Upmove die Daumen für ein friedliches Miteinander im Wald.

Unterstützt werden die Mitglieder von Upmove von dem Alpenverein Steiermark, den Naturfreunden und der Zweiten Landtagspräsidentin Ingrid Mosler-Törnström (SPÖ), die sich für die Entkriminalisierung des Sports einsetzt. Sie betonte gegenüber der APA: „Was in Bayern und anderen Ländern möglich ist, sollte auch bei uns funktionieren. Forststraßen werden zum Großteil auch mit öffentlichen Geldern finanziert. Es spricht nichts dagegen, sie mit Fahrrädern befahren zu können.“ Trotzdem scheinen die Österreicher von einer Einigung noch weit entfernt. Wir drücken ihnen jedenfalls weiterhin die Daumen für ein friedliches Miteinander im Wald.

Zum Video: youtube.com/watch?v=9K_GoXCPSB4

Text: Cornelia Thoellden Bilder: Christoph Bayer


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