Das neue Norco Range C3 2022 kommt mit einem High Pivot-Hinterbau. Den Hype haben die Kanadier früh erkannt und mit ihrem Downhill- und Freeride-Bike bereits einiges an Erfahrung gesammelt. Auch vom Charakter ist das Range C3 seinen großen Brüdern ähnlich. Aber kann es mit seiner günstigeren Ausstattung im Test überzeugen?

Das Norco Range C3 2022 läuft als Enduro-Bike im Portfolio des kanadischen Bike-Herstellers. Es wurde bereits im Juni 2021 vorgestellt, jedoch haben aktuelle Lieferengpässe einen früheren Test nicht möglich gemacht. Auch unseren großen Enduro-Bike Vergleichstest hat es deshalb knapp verpasst. Nun hatten wir die Chance, das mit satten 170 mm Federweg und auf 29”-Laufrädern rollende Range für euch zu testen. Das Norco weiß, wie man ein High Pivot-Bike zum Ballern baut, haben sie bereits mit ihrem Norco Shore bewiesen. Allerdings kommt beim Range 2022 ein etwas abgeändertes Hinterbau-System zum Einsatz, was jedoch dieselben, für High Pivot typischen Eigenschaften besitzt. Der Virtual High Pivot-Hinterbau mit Kettenumlenkrolle verbindet die Sitzstrebe hoch über dem Tretlager mit dem Rahmen. So soll der Hinterbau bei einem Hindernis ermöglichen, dass das Hinterrad nach hinten und oben ausweichen kann. Dabei verändert sich auch die Kettenstrebenlänge und somit der Radstand. Der daraus entstehende Pedalrückschlag soll durch die angebrachte Kettenumlenkrolle minimiert werden. Übrigens: Durch diese Umlenkrolle lassen sich High Pivot-Bikes bereits von Weitem entlarven. Auch das Range soll von Norcos Ride-Aligned System profitieren. Dabei passen die Kanadier jede Rahmengröße in Sachen Geometrie und Kinematik individuell an, um Fahrern aller Größen ein vergleichbares Fahrerlebnis zu ermöglichen. Preislich bewegt sich das neue Range zwischen 6.199 € (C3) und 9.999 € (C1). Auch ein Frame-Kit gibt es für einen Preis von 3.799 € zu kaufen. Eine Version mit Alu-Rahmen ist bislang nicht im Portfolio enthalten.

Das Norco Range C3 2022 im Detail
Am neuen Norco Range C3 2022 verlaufen alle Leitungen im Inneren des Rahmens und sind am Ein- bzw. Ausgang ausreichend geklemmt, um nervige Geräusche zu vermeiden. Etwas untypisch, aber durch die Kettenumlenkrolle nötig und sehr hilfreich: Der Kettenstrebenschutz ist beim Norco Range oberhalb der Sitzstrebe und unterhalb der Kettenstrebe angebracht. Zusätzlich findet sich ein Shuttle-Guard am Unterrohr, um das Bike bei Fahrten auf der Ladefläche zu schützen – typisch Kanadier eben! Mit der Halterung am Oberrohr lässt sich ein Tool-Strap am Rahmen befestigen. Falls ihr ein Modell mit Befestigungsplatte verwendet, wie z. B. die Modelle von High Above, würden wir euch jedoch kleine Unterlegscheiben empfehlen. Denn die Platte liegt sehr dicht am Rahmen an und könnte den Lack beschädigen und die Handhabung etwas fummelig machen. Auch bietet das Range die Möglichkeit, einen Flaschenhalter zu montieren, und lässt euch so nicht auf dem Trockenen sitzen.



Die Dämpferanlenkung des Range befindet sich im ausgefederten Zustand tief unter dem Tretlager. Mit ihr waren wir in unserem Test beim langsamen Überrollen von Steinen und Kanten einige Male aufgesessen. Mit dem Ausfallende von Sitz- und Kettenstrebe hatten wir während unseres Tests einige Probleme. Denn nach mehrfachem Öffnen der Hinterradachse und der zugehörigen Sicherung hat sich beides – trotz Berücksichtigung des Drehmoments – ständig auf dem Trail gelockert. Norco teilte uns auf Nachfrage mit, dass an der Sicherung LOCTITE verwendet wurde, welches nur eine einmalige Sicherung bewirkt. Nachdem wir erneut LOCTITE aufgetragen hatten, war das Problem behoben. Hier solltet ihr also ein Auge darauf haben.


Die Ausstattung des Norco Range C3 2022
Für unseren Test hat uns Norco das 18,2 kg schwere Einstiegs-Modell C3 für 6.199 € zur Verfügung gestellt. Es kommt mit dem Einstiegsmodell der RockShox Zeb Gabel und Charger R-Dämpfungskartusche. Sie lässt somit nur eine Verstellung des Rebounds zu. Zusätzlich könnt ihr durch den Einbau von Volumenspacern die Endprogression anpassen. Als Dämpfer dient – wie auch bei den beiden Modellen C1 und C2 – ein FOX DHX2 Factory Stahlfederdämpfer. So besitzt das Einsteigermodell dieselbe Hinterbau-Performance wie die Top-Ausführungen und sorgt für eine bestmögliche Performance mit dem auf Coil-Dämpfer optimierten Hinterbau. Die gewählte Federhärte hängt jedoch von der Rahmengröße ab und so könnt ihr den Dämpfer beim Kauf nur eingeschränkt auf euer Gewicht und Fahrstil anpassen. Auch der High Speed-Rebound des Dämpfers ist sehr schwer zu erreichen. Habt ihr den Dämpfer jedoch einmal eingestellt, geraten die Probleme schnell in Vergessenheit.


Gebremst wird mit einer Shimano BR MT520 Vierkolben-Bremse und 200-mm-Bremsscheiben an Front und Heck. An der Bremse findet sich jedoch keine Werkzeuglose Hebelweitenverstellung und auch der Druckpunkt lässt sich nicht anpassen. Vor allem fehlt es der Bremse – trotz der 200-mm-Bremsscheiben – an Power und sie wird dem Potenzial des Bikes nicht gerecht. Je nach Budget wäre hier ein Upgrade der Bremse oder der Bremsscheiben – auf Modelle mit 220 mm – zu empfehlen. Geschalten wird mit einem Shimano SLX-Hebel und -Schaltwerk. Somit müsst ihr auf die Multi-Release Funktion der teureren XT und XTR-Hebel verzichten. Kombiniert sind Schaltwerk und Hebel mit einer im Vergleich zur SLX-Variante schwereren Shimano DEORE 10–51-Kassette. Für ausreichend Bewegungsfreiheit auf dem Trail sorgt eine TranzX YSP105-Sattelstütze mit stolzen 200-mm-Hub. Zusätzlich lässt sich die Stütze Werkzeuglos in 5 mm Schritten um bis zu 25 mm absenken. Jedoch benötigt die zugehörige Stützen-Remote sehr große Bedienkräfte. Durch ein günstiges Update auf z.B. eine Shimano Remote (ca. 20 €) ist das Problem behoben. Auf die Verbindung zwischen Brems- und Schalthebel bzw. Stützen-Remote via I-SPEC-Klemmung wurde verzichtet. So finden sich sehr viele einzelne Klemmungen am Lenker und sorgen in Kombination mit den Leitungen für einen etwas unaufgeräumten Look. Auf einen Bashguard inklusive minimalistischer Führung verzichtet Norco jedoch nicht und auch die zusätzliche Kettenführung der Umlenkrolle sorgt für Zuverlässigkeit auf dem Trail.





Für Bodenkontakt sorgen MAXXIS-Reifen mit robuster Doubledown-Karkasse. Ein ASSEGAI an der Front und ein DISSECTOR am Heck. Beide Reifen kommen in der weichen MaxxGrip-Gummimischung und sorgen so für ausreichend Traktion! Als Cockpit dient ein Hauseigener
Alu-Lenker mit 800 mm breite und 25 mm Rise. Kombiniert ist er mit einem Vorbau von E*thirteen. Der massive Spacer-Turm an unserem Test-Bike ist zwar etwas gewöhnungsbedürftig, lässt aber viele Einstellmöglichkeiten zu.


Norco Range C3 2022
6.199 €
Specifications
Fork RockShox ZEB Charger R 170 mm
Rear Shock FOX DHX2 Factory 170 mm
Seatpost TranzX YSP105 200 mm
Brakes Shimano BR MT520 200/200 mm
Drivetrain Shimano SLX 1x12
Stem E*thirteen Base 40 mm
Handlebar Norco 6061 Aluminum 800 mm
Wheelset Stans Flow D / Shimano HB MT-410 29
Tires MAXXIS ASSEGAI/DISSECTOR DD MaxxGrip 2,5/2,4
Technical Data
Size S M L XL
Weight 18,2 kg
Die weiteren Ausstattungsvarianten des Norco Range 2022
Zusätzlich zum getesteten C3-Modell gibt es noch die beiden teureren Varianten C1 (9.999 €) und C2 (7.499 €). Alle Modelle setzen auf denselben Dämpfer und dieselbe Reifen-Kombination.

Das C1-Modell des Norco Range kommt mit einer FOX 38 Factory-Gabel mit GRIP2-Dämpfungskartusche. Gebremst wird mit einer starken Kombination aus SRAM CODE RSC-Vierkolbenbremse und 200-mm-Bremsscheiben an Front und Heck. Präzise Schaltvorgänge liefert eine lupenreine SRAM X01 12-fach-Schaltgruppe und für ausreichend Bewegungsfreiheit kommt die OneUp Components V2-Sattelstütze mit 210 mm Hub zum Einsatz.

Unsere Ausstattungsempfehlung ist das C2-Modell, die mit einer RockShox ZEB Ultimate-Gabel ausgestattet ist. Sie besitzt eine individuell einstellbare Charger-Kartusche und ein besseres Ansprechverhalten als das R-Modell der C1-Variante. Für Bremspower sorgen SRAM CODE R-Vierkolbenbremsen mit 200-mm-Bremsscheiben. Die Bremssättel sind zwar dieselben wie bei der RSC-Variante, jedoch müsst ihr am Bremshebel auf eine Druckpunktverstellung und den Swing-Link verzichten. Als Schaltgruppe dient ein SRAM GX 12-fach-Antrieb. Er besitzt unserer Meinung nach dieselbe Performance wie die teureren X01- oder XX1-Modelle, bei nur minimalem Mehrgewicht. Als Sattelstütze dient – wie beim C3-Modell – eine TranzX YSP105-Stütze mit 200 mm Hub. Hier empfehlen wir euch ebenfalls ein Upgrade der Dropper-Remote.
Die Geometrie des Norco Range 2022
Mit einem super umfangreichen Setup-Guide hilft euch Norco nicht nur bei den Bike-Einstellungen rund um Fahrwerkssetup, Reifendruck und Cockpit-Anpassungen, sondern gibt euch auch vorab eine Empfehlung für die richtige Rahmengröße. Das Norco Range 2022 ist in vier Rahmengrößen von S bis XL verfügbar. Unsere Testfahrer mit einer Körpergröße von 186 cm und 189 cm sollten laut dem Setup-Guide deshalb zur Rahmengröße XL greifen. Dennoch sind wir mit dem Bike in Größe L bestens klargekommen und würden – wie auch bei unserem Test vom Norco Shore – zur kleineren Rahmengröße tendieren. Denn das Bike in Größe L besitzt bereits einen moderaten Reach von 480 mm und eine hohe Front mit einem Stack von 641 mm. Durch das mit 410 mm super niedrige Sitzrohr und der Sattelstütze mit 200 mm Hub, die sich vollständig im Rahmen versenken lässt, habt ihr nicht nur ausreichend Bewegungsfreiheit auf dem Trail, sondern auch freie Größenwahl anhand der Länge des Bikes. Die Kettenstrebenlänge beträgt 442,5 mm bei Rahmengröße L und verändert sich für Rahmengröße XL sowie S und M.
Die Geometrie des neuen Norco Range 2022 im Detail
Größe | S | M | L | XL |
---|---|---|---|---|
Oberrohr | 568 mm | 598 mm | 628 mm | 658 mm |
Steuerrohr | 100 mm | 115 mm | 130 mm | 145 mm |
Sitzrohr | 370 mm | 395 mm | 410 mm | 455 mm |
Lenkwinkel | 63,8° | 63,5° | 63,3° | 63° |
Sitzwinkel | 76,5° | 76,8° | 77° | 77,3° |
Kettenstreben | 440 mm | 440 mm | 443 mm | 448 mm |
BB Drop | 20 mm | 20 mm | 20 mm | 20 mm |
Radstand | 1203 mm | 1243 mm | 1285 mm | 1329 mm |
Reach | 420 mm | 450 mm | 480 mm | 510 mm |
Stack | 618 mm | 630 mm | 641 mm | 653 mm |
Das Norco Range C3 2022 auf dem Trail
Geht es bergauf, positioniert einen das Range angenehm aufrecht auf dem Bike. Die geringe Last auf den Händen lässt auch längere Touren zu. Jedoch wippt der Hinterbau etwas mit und wir haben auf Schotterstraßen zum Climb-Switch des Dämpfers gegriffen. Im technischen Gelände und im Antritt ist die Masse des Bikes und der viele Federweg deutlich zu spüren und macht das Range im Großen und Ganzen zum gemütlichen, aber bequemen Uphill-Gefährten. Ständiger Begleiter ist die geringe Geräuschkulisse der Kette, die durch die Umlenkrolle läuft.

Neigt sich der Trail in Richtung After-Ride-Bier, vermittelt das Norco Range schnell das Gefühl, auf einem kleinen Downhill-Bike zu sitzen. Die hohe Front sorgt für eine zentrale und aufrechte Position im Bike und vermittelt viel Sicherheit. So überrollt man mit dem Range alles, was einem in den Weg kommt und je steiler und schneller es wird, desto wohler fühlt man sich auf dem Bike. Der Hinterbau generiert ausreichend Traktion in offenen Kurven und beim Anbremsen, gleichzeitig liefert es ausreichend Pop, um an Kanten in die Luft zu gehen. Jedoch fehlt es der Gabel an Sensibilität und das harsche Ansprechverhalten sorgt nicht nur für schnelleren Armpump, sondern erfordert in offenen Kurven auch eine aktive Belastung, um ausreichend Traktion zu generieren. Wird der Trail eng, fordert das Range eine aktive Fahrweise, um mit ordentlich Körpereinsatz das Rad um Ecken und über Kanten zu ziehen. Deshalb empfehlen wir das Norco Range 2022 vor allem für High Speed-Piloten, die am liebsten in der Falllinie und mit Tunnelblick in Richtung Tal fliegen wollen. Flache und langsame Trails sind dem Range einfach zu langweilig.



Unser Fazit zum Norco Range C3 2022
Das Norco Range C3 2022 nutzt die Vorteile seines Virtual High Pivot-Hinterbaus voll aus und überzeugt auf dem Trail vor allem in steilen, schnellen und ruppigen Passagen. Es vermittelt viel Sicherheit und das Gefühl, auf einem kleinen Downhill-Bike zu sitzen. Ausgebremst wird es jedoch durch seine Ausstattung, die in einigen Belangen dem Potenzial des Bikes nicht gerecht wird.

Tops
- hohes Sicherheitsempfinden im steilen Gelände
- gute Laufruhe und satter Hinterbau
- sehr viel Bewegungsfreiheit

Flops
- Ausstattung wird dem Potenzial des Bikes nicht gerecht
- träge auf engen und langsamen Trails
Tuning-Tipps: Dropper-Remote tauschen | größere 220-mm-Bremsscheiben

Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als ENDURO-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, das die Mountainbike-Welt auch weiter ein kostenloses und unabhängiges Leitmedium hat. Jetzt Supporter werden!
Text: Peter Walker Fotos: Peter Walker