Abenteuer | Sonnenaufgangs-Tour in den Allgäuer Alpen
Könnt ihr euch vorstellen, bei Dunkelheit und nächtlicher Kälte um 1.45 Uhr aufzustehen, um mit dem Bike einen 1.700 m hohen Berg zu besteigen? Und das alles nur, um sich da einen Sonnenaufgang anzuschauen? „Nicht jedermanns Sache“ könnte man meinen und dennoch kommen einige von uns immer wieder auf genau solche Ideen. Hier erfahrt ihr, wie es Camilla und ihrem Teamkollegen Jannik vom PROPAIN Factory Racing-Team damit ergangen ist!
Man nehme zwei Fahrradfahrer – in diesem Fall meinen PROPAIN-Teamkollegen Jannik und mich –, ein Foto-Team und eine ziemlich „spontane“ Idee: eine Sonnenaufgangs-Tour auf einen Berg in meiner Heimat in den Allgäuer Alpen. Nach einiger Planung (so ungefähr: „Hey cool, ihr kommt alle zu mir, könnt im Wohnmobil schlafen und dann gehen wir shooten!“) stand das besagte Wochenende auch schon vor der Tür.
Auf einen lustigen Abend folgten nach nur zwei Stunden Schlaf die Alarme unserer Handys – und nachdem wir die Schlummer-Funktion ausgereizt hatten, kam auch langsam die Erkenntnis: Wirklich? Jetzt? 1.45 Uhr? Wir wollten doch den Sonnenaufgang shooten und keinen Nightride? Die nicht gerade positiven Kommentare der Foto-Crew waren auch alles andere als motivierend. Nach einer kurzen Wohnmobilfahrt mit halb geöffneten Augen hatten wir dann aber gar keine Wahl mehr – Lupine-Lampen an, rauf auf den Sattel und los ging’s!
Man muss schon sagen: Wenn man erst einmal losgefahren ist, erscheint einem die Welt nicht mehr ganz so gemein. Es wehte mittlerweile ein laues Lüftchen, der Vollmond stand am Himmel, war umgeben von einem Meer aus Sternen und es herrschte eine absolute Stille im ganzen Tal – was vielleicht auch ein bisschen daran lag, dass noch keiner so wirklich imstande war zu sprechen. Leider ließ sich die Gemeinheit dann doch nicht ganz so schnell vertreiben, denn es wurde direkt ziemlich steil!
Aber dann war es geschafft, das Ende der Straße war in Sicht – und damit eine kleine Berghütte. Hier war eindeutig der richtige Ort für eine Pause. Und spätestens nach einer ordentlichen Ladung kaltem Bergwasser im Gesicht war dann auch der Letzte unter uns wach. Im Tal funkelten die Lichter, wir konnten sehen, was wir schon geschafft hatten, und mal ganz ehrlich, von hier sah der Weg bis zum Gipfel jetzt auch nicht mehr so schlimm aus …
Nach kurzer Zeit wurde es immer steiniger und felsiger – und immer steiler und steiler und steiler, und irgendwann so steil, dass auch wir eigentlich ziemlich trainierten jungen Menschen einfach absteigen und schieben mussten. Doch auch dabei blieb es nicht. Wer schon mal auf einen Gipfel in den Alpen wollte, weiß: Das Gelände wird mit zunehmender Höhe unwegsamer. Also mussten wir die Bikes schultern, klar. Dass ich die Tour bereits zwei Mal bei Tageslicht hinter mir hatte und wusste, wie weit es noch zum Gipfel war, half mir da auch nicht weiter. Ganz im Gegenteil …
Irgendwie aber auch ganz schön geil! Ein saugutes Gefühl, wenn man es fast geschafft hat und weiß, dass man in wenigen Minuten schon frühmorgens mit seinem Bike auf einem Berggipfel steht. Ein wahnsinniges Gefühl von Freiheit.
Am Horizont kündigte sich der Sonnenaufgang mit einem roten Streif an und die Vorfreude stieg. Es ging jetzt Schritt für Schritt zwischen den Felsen weiter Richtung Jägerdenkmal, das auf dem Gipfel steht. Und wenn es dann langsam hell wird, erscheint einem alles leichter und einfacher, das könnt ihr glauben – und man kommt schneller voran.
Jetzt standen nur noch ein paar kniffligere Tragepassagen vor uns und dann hätten wir es geschafft. Die Leute, die uns dort begegneten, schauten uns im ersten Moment ganz schön schräg an mit unseren Bikes auf dem Rücken. Aber jetzt ging es nur noch um zwei Ecken und da war es auch schon – das Jägerdenkmal!
Wir hatten es echt geschafft. Wir waren mit den Bikes zum Sonnenaufgang auf den Grünten gestiegen. Mega! Und der Blick war einfach unbeschreiblich. Die Berge im Rücken und die aufgehende Sonne Richtung Osten: Da fehlen mir nach wie vor die Worte …
Man kommt schon ins Staunen, wenn man da oben steht. Und zusätzlich wartete jetzt auch noch die geniale Abfahrt auf uns! Über Felsen, Stufen, Wurzeln und Geröll wieder bis runter ins Tal. Yeah!
Was wir auf dem Weg allerdings unbedingt mitnehmen mussten, war das Grüntenhaus und die gute alte Gipfelhalbe. Wer hätte es nach zwei Stunden Schlaf und so einer wilden Tour gedacht: Jannik und ich sind auf der Terrasse vor der Hütte direkt mal für eine halbe Stunde eingepennt – und das tat verdammt gut … Jetzt konnten wir noch einmal ordentlich Gas geben!
Mein Fazit?
Ich würde mal sagen: Doch keine so blöde Idee! Eher eine meiner absolut besten Touren dieses Jahr – und ja, ich würde es sofort wieder tun. Also, Appell an alle: Quält euch doch auch mal nachts aus dem Bett und macht eine Sonnenaufgangs-Tour! Es lohnt sich.
Text: Camilla Kranzusch Bilder: Michael Colella
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