Alpencross im Handbike von der Transfusion zur Transalp
Hopferau – Felix Brunner (24) hat es geschafft: Als erster Rollstuhlfahrer hat er die Alpen auf einer Mountainbike-Route überquert. 480 Kilometer und 12 000 Höhenmeter liegen hinter dem jungen Mann, dessen Leben die Ärzte vor vier Jahren aufgegeben hatten.
Der nach einem Unfall auf dem Rückweg von einer Eiskletter- Tour acht Monate im künstlichen Koma lag. Dessen linke Hüfte bei dem 30 Meter- Sturz in ein Bachbett pulverisiert wurde. Der mehr als 60 Mal operiert wurde. Und dem die Ärzte mehr als 800 Blutkonserven zuführen mussten, um ihn am Leben zu erhalten. „Ohne die vielen Menschen, die Blut spenden gehen, wäre ich heute tot. Da ist mir bewusst geworden, wie wichtig der Blutspendedienst des BRK bei uns ist. Deswegen wollte ich auch unbedingt mit dem Blutspendedienst-Logo über die Alpen fahren. Als kleiner Dank an die Menschen, die mir geholfen haben.
Das Erstaunliche: Felix hadert nicht mit seinem Schicksal. „Mein Leben ist heute mindestens so schön wie vor dem Unfall“, lacht er selbstbewusst. „Man muss sich den Herausforderungen eben stellen.“ Das hat Felix vielfach getan seit seinem Unfall. Er werde nie wieder sitzen oder aufstehen können, lautete eine erste Diagnose. Dann saß er im Bett, später im Rollstuhl und stand Weihnachten vor zwei Jahren erstmals mit Krücken wieder aus eigener Kraft auf. Sport? Undenkbar, sagten die Ärzte. Im letzten Winter fuhr Felix erstmals auf einem speziellen Mono-Ski wieder die Berge hinab. Und dann entstand die Idee mit der Alpenüberquerung. Jetzt denkt Felix über eine neue Hüfte nach, die ihm vielleicht irgendwann auch das Laufen wieder ermöglichen soll. Und über neue Sportarten, die sich daraus ergeben könnten.
Dass man sich hohe Ziele setzen muss, davon ist der junge Allgäuer überzeugt. Die Alpenüberquerung ist solch ein Ziel für Felix Brunner, der inzwischen in Unternehmen und sozialen Einrichtungen Motivationsvorträge hält. „Ich hab schon ganz schön Respekt vor der Tour gehabt“, sagt er. Und es gab Dutzende von Hindernissen, die er bereits im Vorfeld bewältigen musste. Zunächst einmal das Handbike: „Zwei Räder hinten und eines vorne, so wie die klassischen Handbikes aussehen – das funktioniert in den Bergen nicht“, erklärt Felix. „Ich musste engere Kurven fahren und brauchte hinten mehr Traktion, um am Berg nicht wegzurutschen.“ Die Lösung kam aus den USA – ein innovatives Handbike mit zwei Rädern vorne und einem Rad hinten.
Auch die Tourplanung erwies sich als kompliziert: „Einige Strecken sind typische Single-Trails – da ist ein Handbike einfach zu breit.“ Felix trainierte monatelang, fuhr mit Vater und Freunden immer wieder in die Berge, erhöhte kontinuierlich den Schwierigkeitsgrad. „Auf der geplanten Tour gab es dann Passagen, wo du mit dem Fahrrad nicht mehr weiterkommst.“ Eine Schlucht zum Beispiel, über die es auf einer schmalen Holzstiege ging. Oder vom Regen weggespülte Trails und Schotterhalden, die passiert werden mussten. „Laufen kann ich nicht“, erklärt Felix, „da mussten meine Kumpels mich halt tragen.“
Am 3. August fuhr Felix in Füssen los, von mehr als 100 Menschen verabschiedet. Während das Begleitteam feste in die Pedale trat, arbeitete Felix kräftig mit den Armen – unterstützt von einem kleinen E-Motor, der dem 30 kg-Rad vor allem bei steilen Anstiegen ein wenig zusätzlichen Schwung verlieh. Nach neun Tagen, ganz wie geplant, erreichte er Riva am Gardasee. Mit der absolvierten Route hat es sich Felix nicht gerade leicht gemacht: Von Füssen ging es über den Fernpass ins Inntal, dann Richtung Reschenpass auf den Alpen- Hauptkamm hinauf. Statt von dort gemütlich über Meran und Bozen abzufahren, legte Felix noch einmal nach: über die Schweiz und hoch hinauf auf 2604 Meter, bevor es dann hinab zum Gardasee ging.
Der Horizont ist nicht das Ende‘ lautet der Titel von Felix‘ Vorträgen. Mit dem Alpencross hat er seinen Horizont erneut weiter hinausgeschoben. „Du musst deine Situation akzeptieren“, meint Felix. „Aber du musst eben auch sehen, was man daraus machen kann.“
Was das für die Zukunft heißt, will Felix noch nicht so genau sagen. Da jetzt die Winterplanung beginnt, spukt das Mono-Ski-Fahren wieder in seinem Kopf herum. Unter dem Motto „Von der Transfusion zur Transalp“ stand der Alpencross, von dem sich Felix jetzt erst einmal erholt. „Aber das Skiwachs liegt schon im Keller“, lacht er. Und vielleicht reizt den jungen Allgäuer beim Skifahren ja der ein oder andere nationale oder internationale Wettbewerb.
Mehr Infos zu Felix: Klick hier
Text: Perry Reisewitz
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