Eine Fertigungsweise, bei der Titanmuffen mit Laser geschmolzen und mit Carbonrohren verklebt sind. Über 22 Rahmengrößen und das Know-how-Versprechen durch zahllose Downhill-Worldcup- und Weltmeister-Titel. All das steckt hinter Atherton Bikes. Nach langem Warten sind die ersten Räder nun erhältlich. Wir haben das Atherton AM.150 2022 getestet.

Atherton AM.150 | 160/150 mm (v/h) | 15,5 kg in Größe 12 | 29″ | 7.699 € | Hersteller-Website

Die Athertons – also Rachel, Gee und Dan – sollten den meisten hier bekannt sein. Denn das Geschwister-Trio hat gemeinsam 7 Downhill-Weltmeistertitel und -Gesamtwertungen gewonnen. Anfang 2019 haben die drei sich dann einen weiteren Traum erfüllt und gemeinsam mit einer kleinen Crew ihre eigene Radmarke gegründet. Lange Zeit waren die von Atherton Bikes produzierten Rahmen nur für das eigene Factory-Team verfügbar, doch seit Anfang 2022 können nun auch „Normalsterbliche“ eins der sehr seltenen Bikes ergattern. Wir hatten die Chance, das Atherton AM.150 2022 für euch zu testen. Die Eckdaten sind simpel: 160 mm Federweg an der Front, 150 mm am Heck. 29”-Laufräder, eine abfahrtsorientierte – speziell auf uns zugeschnittene – Ausstattung und ein Preis von 7.699 €. Doch das eigentlich Besondere an den Bikes ist das spezielle und sehr seltene Fertigungsverfahren.

Lasern, Sägen und Kleben: So entsteht ein Atherton Bike

Das Verfahren, bei dem Titanmuffen mit Carbonrohren verklebt werden, ist für die Bike-Branche besonders, aber nichts Neues. Es findet z. B. Verwendung beim Prototypenbau in der Formel 1 oder der Luftfahrt, aber auch einzelne Bike-Projekte gab es bereits. Wer schon etwas länger in der Materie steckt, hat womöglich von Robot Bikes Co. gehört. Das kleine Unternehmen aus Wales hat bereits vor vielen Jahren individuelle Rahmen mit diesem Verfahren hergestellt. Ende 2018 hat es dann offiziell seine Pforten geschlossen, doch ist es nicht von der Bildfläche verschwunden, sondern ist gemeinsam mit den Athertons zu einer neuen Marke fusioniert. Somit besitzt Atherton Bikes nicht nur ein sehr erfahrenes Fertigungsteam – was übrigens tatsächlich aus der Formel 1 und Luftfahrttechnik stammt –, sondern auch jahrzehntelange Rennerfahrung.

Auch die Grundidee des DW6-Hinterbaus, den Dave Weagle damals für Robot Bikes Co. entwickelt hat, wurde übernommen. Dabei handelt es sich um eine Mischung eines DW-Links, wie wir ihn z. B. von Pivot Bikes kennen, und einem klassischen Horst-Link.

Aber zurück zur eigentlichen Herstellung der Bikes. Für die doppelwandigen Titanmuffen wird ein adaptives Fertigungsverfahren eingesetzt. Beim selektiven Laserschmelzen wird in einem automatischen Prozess Titanpulver auf eine Grundplatte aufgetragen und durch einen Laserstrahl so lange verschmolzen, bis die gewünschte Härte und Masse erreicht sind. Dazu werden ca. 3.500 Schichten in 16 Stunden Arbeit aufgetragen. Sind diese Muffen dann fertig und von ihrer Bodenplatte getrennt, werden sie mit entsprechend zurechtgesägten Carbonrohren und einem extrem starken Industriekleber verbunden. So entsteht der geradlinige Look des Bikes und es lassen sich alle Maße individuell anpassen.

Das Atherton AM.150 2022 im Detail

Das Atherton AM.150 2022 glänzt zwar nicht mit ausgefallenen Detaillösungen und speziellen Staufächern, wie wir sie von Specialized, Trek und Co. kennen, sondern fokussiert sich voll und ganz auf die notwendigen Dinge. Dazu gehört ein Kettenstrebenschutz, der durchaus sehr dünn ist, dabei aber seinen Job – nämlich die durch die Kette entstehende Geräuschkulisse zu dämpfen –, in unserem Test sehr gut erledigt. Im Rahmen finden sich auch ein Flaschenhalter und ein minimalistischer Unterrohrschutz, der an unserem Test-Bike noch gefehlt hat. Alle Züge verlaufen im Inneren des Rahmens, sie sind zwar an Ein- bzw. Ausgang nicht geklemmt, haben aber in unserem Test-Bike auch keinen Lärm verursacht.

Die Leitung der Hinterradbremse kommt ungeklemmt aus dem Link des Hinterbaus.
Der Kettenstrebenschutz fällt sehr dünn und simpel aus, hat an unserem Test-Bike jedoch seinen Job erfüllt.

Preise und Ausstattungsoptionen am Atherton AM.150 2022

Wer sich für ein Atherton Bike entscheidet, hat neben der Option, nur einen Rahmen inklusive RockShox Super Deluxe Ultimate-Dämpfer für 3.899 € zu kaufen, auch die Möglichkeit, einer der beiden vorkonfigurierten Modelle zu wählen. Sie bewegen sich preislich zwischen 6.532 € und 7.556 €. Zusätzlich lässt sich – wie in unserem Fall – die Ausstattung individuell auf Kundenwunsch anpassen. In Sachen Rahmenfarbe habt ihr die Wahl zwischen einem schwarzen und einem raw Look.

Die Custom-Ausstattung unseres Atherton AM.150 2022 Test-Bikes

Für unseren Test kommt das Atherton AM.150 2022 mit einem FOX-Fahrwerk. Die FOX 36 Factory-Gabel ist mit der fein einstellbaren GRIP2-Dämpfungskartusche ausgestattet und mit einem X2 Factory-Luftdämpfer gepaart. Am Carbon Renthal-Cockpit mit 800 mm Breite sind die beiden SRAM CODE RSC-Vierkolbenbremsen verschraubt. An ihnen könnt ihr sowohl Druck- als auch Hebelweite werkzeuglos einstellen und der integrierte SwingLink verringert den Leerweg und verbessert die Dosierbarkeit. Das hilft auch, Armpump bei längeren Abfahrten zu reduzieren. Kombiniert sind die Bremsen mit 200-mm-Bremsscheiben an Front und Heck.

Die SRAM CODE RSC-Vierkolbenbremse lässt werkzeuglose Druck- und Hebelweitenverstellung zu und …
… sorgt in Kombination mit den 200-mm-Bremsscheiben an Front und Heck für ordentlich Verzögerung.

Geschalten wird mit einer SRAM X01 12-fach-Gruppe, allerdings besitzt die Kassette in unserem Fall nur eine Bandbreite von 10–50 Zähnen. Ein Bashguard inklusive Kettenführung soll dafür sorgen, dass alles an Ort und Stelle bleibt und nichts beschädigt wird. Als Sattelstütze dient eine FOX Transfer mit 175 mm Hub und zugehöriger Remote. Sie verrichtet in unserem Test eine tadellose Arbeit, lässt sich allerdings nicht vollständig im Rahmen versenken. Auf die Stan’s NoTubes Flow MK4-Felgen sind die neuen Continental-Reifen in der SuperSoft-Gummimischung und mit Downhill-Karkasse montiert: ein Krypotal FR an der Front und ein RE am Heck. Sie markieren den Allround-Reifen im neuen Continental Line-up.

Die FOX Transfer-Sattelstütze besitzt 175 mm Hub, lässt sich jedoch nicht vollständig im Rahmen versenken – schade!
Die neuen Continental Krypotal-Reifen kommen in der SuperSoft-Gummimischung und mit Downhill-Karkasse.

Atherton AM.150

7.699 €

Specifications

Fork FOX 36 Factory GRIP2 160 mm
Rear Shock FOX X2 Factory 150 mm
Seatpost FOX Transfer 175 mm
Brakes SRAM Code RSC 200/200 mm
Drivetrain SRAM X01 Eagle 1x12
Stem Renthal Apex 60 mm
Handlebar Renthal FatBar Carbon 800 mm
Wheelset Stans Flow MK4 29"
Tires Continental Kryptotal FR Supersoft DH Casing/Continental Kryptotal RE Supersoft DH Casing 2,4/2,4

Technical Data

Size 1 - 22

Die Geometrie des Atherton AM.150 2022

Das Atherton AM.150 2022 ist in stolzen 22 unterschiedlichen Größen erhältlich. Dabei werden die Größen nach Reach geordnet und bewegen sich von 410 mm (Größe 1) bis 530 mm (Größe 22) in 10-mm-Schritten. Unser Test-Bike mit Rahmengröße 12 hat somit einen Reach von 480 mm. Das Sitzrohr ist zwar durch alle Größen hinweg niedrig (415 mm am Test-Bike), jedoch lässt sich die Sattelstütze nicht immer vollständig versenken und schränkt so die Bewegungsfreiheit und die freie Größenwahl anhand der Länge des Bikes unnötig ein.

Wer sich bei der Größenwahl unsicher ist, kann sich vor Ort vermessen lassen und findet so die passende Rahmengröße. Wem das nicht genug ist, der kann sich für einen Aufpreis von ca. 800 € eine ganz individuelle Geometrie zusammenstellen. Jedoch wachsen bereits bei allen Standardgrößen die Kettenstreben regelmäßig mit und das Team rund um die Athertons arbeitet fortlaufend daran, die Bikes zu verbessern und weiterzuentwickeln, was dank des Fertigungsverfahrens schnell in die Realität umgesetzt werden kann.

Die Spannbreite der Geometrie des Atherton AM.150 2022

Größe 1 11 22
Sattelrohr 395 mm 415 mm 475 mm
Steuerrohr 100 mm 110 mm 125 mm
Lenkwinkel 65° 65° 65°
Sitzwinkel 77° 78° 79°
BB Drop 30 mm 30 mm 30 mm
Kettenstrebe 433 mm 438 mm 443 mm
Radstand 1167 mm 1246 mm 1308 mm
Reach 410 mm 480 mm 530 mm
Stack 619 mm 628 mm 641 mm

Das Atherton AM.150 2022 auf dem Trail: Wie schnell hätten Sie es gern?

In der Ebene und dem Uphill glänzt das AM.150 mit einer angenehmen Sitzposition und dank des sehr antriebsneutralen Hinterbaus lässt es sich flott jeden Anstieg hinaufscheuchen. Kleiner Zwischensprint? Kein Problem. Mal kurz auf den Uphill-Trail abgebogen? Auch nicht schlimm. Denn auch im steilen und technischen Anstieg bleibt die Front ohne viel Arbeit am Boden und euer Vorderrad navigiert willig den Berg hinauf. Einziges Manko sind hier die weichen Reifen mit Downhill-Karkasse, die ihr Tribut fordern und dem Atherton etwas die Spritzigkeit klauen.

Dafür ist das Grinsen umso dicker, wenn sich der Neigungswinkel ändert und die Schwerkraft für Beschleunigung sorgt. Wir haben mit dem Atherton am Trail-Einstieg eine gerade Linie ins Tal gezogen und diese bis zum Ende des Trails nicht mehr verlassen. Kommt das AM.150 nämlich ins Rollen, gibt es kein Zurück mehr und das Bike rauscht mit euch wie auf Schienen ins Tal. Wirklich dafür arbeiten muss man nicht, denn die ausgewogene Balance auf dem Bike und das kinderleichte Handling lassen einen ganz vergessen, wie übel das Steinfeld war, über das man gerade gerumpelt ist. Das super Fahrwerk erfüllt hier ebenfalls seine Aufgaben und saugt Schläge, Drops und Wurzelteppiche einfach weg. Wollt ihr doch mal in die Luft, bietet es ausreichend Pop, um an Kanten und Absprüngen so richtig Airtime zu generieren, und ausreichend Reserven für verpatzte oder unsaubere Landungen.

Draufsitzen und festhalten. Das Atherton AM.150 2022 fährt sich wie auf Schienen und dank des einfachen Handlings und dem hohen Sicherheitsempfinden muss man einfach nur genießen.

Müsst ihr die Schienen doch mal verlassen – weil Trails eben selten nur geradeaus gehen –, überzeugt das Atherton mit einem wendigen und verspielten Charakter. Es lässt euch in Warp-Speed von Anlieger zu Anlieger schnalzen und generiert durch sein straffes Fahrwerk noch zusätzlich Speed. So ist es dem AM.150 ziemlich egal, ob ihr fiese Wurzelteppiche und Steinfelder oder gebaute Anlieger und Pumptrack-ähnliche Flowtrails runterballern wollt. Es macht eben überall genau das, was es soll.

Unser Fazit zum Atherton AM.150 2022

Das Atherton AM.150 2022 ist ein absolutes Unikat. Es wird selten einen Tag geben, an denen ihr zwei Exemplare davon sehen werdet, und die neidischen Blicke sind euch gewiss. Allerdings ist es in Bezug auf Rahmendetails und praktischen Lösungsansätzen etwas in der Zeit stehen geblieben. Wett macht das jedoch die hervorragende Fahr-Performance sowohl im Up- als auch Downhill und das riesige Einsatzgebiet des AM.150 reicht von flowigen Schotterpisten bis zu wilden Steinfeldern und fiesen Spitzkehren.

Tops

  • starke Uphill- und Downhill-Performance
  • angenehme Sitzposition für lange Touren
  • sehr außergewöhnliches Bike

Flops

  • minimalistische Rahmendetails
  • Dropper lässt sich nicht ganz versenken

Weitere Infos findet ihr auf der Website von Atherton Bikes


Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als ENDURO-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, das die Mountainbike-Welt auch weiter ein kostenloses und unabhängiges Leitmedium hat. Jetzt Supporter werden!

Text: Peter Walker Fotos: Mike Hunger, Peter Walker

Über den Autor

Peter Walker

Peter ist nicht nur ein Mann der Worte, sondern auch der Taten. Mit ernsthaften Bike- und Schrauber-Skills, seiner Motocross-Historie, diversen EWS-Teilnahmen und über 150 Bikepark-Tagen in Whistler – ja, der Neid der meisten Biker auf diesem Planeten ist ihm gewiss – ist für Peter kein Bike zu kompliziert und kein Trail zu steil. Gravel und Rennrad kann er übrigens auch! Das für unsere redaktionelle Arbeit wichtige Thema Kaufberatung hat Peter in Vancouvers ältestem Bike-Shop von der Pike auf gelernt und setzt sein Know-how auch im journalistischen Alltag um. Wenn er nicht gerade die Stuttgarter Hometrails auf neuen Test-Bikes unsicher macht, genießt er das Vanlife mit seinem selbst ausgebauten VW T5. Dass er dazu noch ausgebildeter Notfallsanitäter ist, beruhigt seine Kollegen bei riskanten Fahrmanövern. Zum Glück mussten wir Peter bislang nie bei seinem Spitznamen „Sani-Peter“ rufen. Wir klopfen auf Holz, dass es dazu auch nie kommen wird!