Die Bikes der Atherton-Familie gehören zu den faszinierendsten Rädern, die wir bisher getestet haben. Die besondere Fertigungsmethode, der einzigartige Look sowie die Trail-Performance sind unvergleichlich. Mit dem neuen Atherton S.150 gibt es das Trail-Bike nun auch mit Alu-Rahmen. Aber kann es mit seinem preisgekrönten Carbon-Bruder mithalten?

Atherton S.150.1 | 160/150 mm (v/h) | 16,2 kg in Größe 8 | 5.974 € | Hersteller-Website

Stolze sieben Weltmeistertitel und ebenso viele Downhill-World-Cup-Gesamtsiege gehen auf das Konto der Atherton-Familie und machen eine ausführliche Vorstellung überflüssig. Auch die gleichnamige Bike-Marke aus Großbritannien, die Anfang 2019 gegründet wurde, hat sich inzwischen in der Szene etabliert und bietet ein breites Portfolio an High-Performance-Mountainbikes. Vom leichten 130-mm-Trail-Bike bis zum Downhill-Rad, das erfolgreich im Weltcup gefahren wird, ist alles vertreten. Die größte Besonderheit ist dabei die spezielle Fertigungsmethode, bei der Rohre und Muffen miteinander verklebt werden, was dem Bike einen unverwechselbaren Look verleiht. Während andere Bike-Hersteller wie Pivot oder Specialized eine ähnliche Methode nutzen, um schnell Prototypen herzustellen, haben die Designer von Atherton diese Fertigungstechnologie nicht nur für ihr Rennteam und ihre eigene Entwicklung, sondern auch für Endkunden verfügbar gemacht. Bisher sind die Bikes ausschließlich mit Carbon-Rahmen erhältlich gewesen, bei denen Carbon-Rohre mit Titan-Muffen verklebt werden. Seit der Vorstellung des S.170 im August gibt es jetzt auch eine Option mit Aluminiumrahmen. Die Technik dahinter ist ähnlich, nur werden hier runde Aluminiumrohre mit CNC-gefrästen Aluminium-Muffen verklebt und so zu einem absoluten Hingucker geformt. Doch das Material ist nicht der einzige Unterschied zwischen den beiden Varianten – dazu später mehr.

Das neueste Mitglied der Familie hört auf den Namen Atherton S.150 und repräsentiert die Aluminium-Variante des A.150-Trail-Bikes, das vor zwei Jahren bereits unseren großen Trail-Bike-Vergleichstest gewonnen hat. Übrigens steht das „A“ in der Modellbezeichnung für „additive“, während das „S“ für „subtractive“ steht und sich auf die Herstellungstechnik bezieht: Bei allen A-Modellen wird Material durch 3D-Druck den Muffen hinzugefügt, hingegen wird es bei den S-Modellen durch CNC-Fräsen abgenommen. So lässt sich auch leichter herleiten, aus welchem Material die jeweiligen Modelle gefertigt sind. Das neue Atherton S.150 kommt mit 160 mm Federweg an der Front, 150 mm am Heck und einer robusten Ausstattung. Mit dem Mullet-Hinterrad ist es definitiv den abfahrtslastigen Trail-Bikes zuzuordnen, sodass das Gewicht von 16,2 kg unseres Testbikes nicht überrascht. Der Fokus liegt weiterhin auf der puren Fahrperformance. So besonders die Fertigung und der Look der Bikes auch sein mögen, die weiteren Features sind erfreulich einfach gehalten. Preislich bewegt sich das neue Atherton S.150 zwischen 4.480 € und 5.974 €, falls ihr euch für ein Komplett-Bike entscheiden solltet. Aber Achtung: Alle Preise verstehen sich ohne Steuern, und je nachdem, wohin das Bike geliefert wird, kommen die regionalen Steuern hinzu. Da die Bikes jedoch direkt in Wales gefertigt werden, gelten sie als Ursprungserzeugnis, wodurch keine Zollgebühren bei Lieferung in die EU anfallen.

Das Atherton S.150 im Detail

Während die Modelle mit Carbonrahmen auf einen etwas komplexeren DW6-Hinterbau setzen, kommt beim Atherton S.150 ein klassischer DW4-Link zum Einsatz – sprich, mit lediglich zwei rotierenden Umlenkungen. Die S-Modelle bestehen komplett aus Aluminium, und zwar aus der besonders robusten und hochwertigen 7075er-Aluminiumlegierung, die sich nur selten an Mountainbikes findet. Aufgrund der Härte dieser Legierung lässt sie sich nur sehr schwer schweißen, da sie bei der Hitzeentwicklung spröde werden kann und so die Integrität der Schweißnaht gefährdet. Das stört die Entwickler von Atherton allerdings wenig, denn die Rohre werden mit den ebenfalls aus der 7075er-Legierung bestehenden CNC-Muffen verklebt. So sollen die Rahmen besonders robust und langlebig sein.

Der Hinterbau besteht aus zwei CNC-gefrästen Teilen, die mit den Hinterbau-Links verschraubt sind. Zur Optimierung der Steifigkeit wurde viel Material abgenommen. Zudem verfügt der Hinterbau über einen einfachen, aber effektiven Kettenstrebenschutz aus Kunststoff. Die Leitungen für Schaltzug und Bremse lassen sich geschickt hinter den Streben verstecken. Von dort verlaufen sie über das Tretlager ins Unterrohr, das rundherum mit Schaumstoff gepolstert ist, um Lärmentwicklung zu vermeiden. An den Austrittspunkten werden die Leitungen durch nicht geklemmte Kunststoff-Ports geführt – ein Design-Feature, das bei dieser Konstruktion jedoch kein Problem darstellt.

Steht das Atherton S.150 Kopf, entdeckt man die ausgefrästen Kettenstreben. Sie sparen nicht nur Gewicht, sondern sorgen auch für mehr Flex im Hinterbau.
Nimmt man die geschraubte Abdeckung ab, entdeckt man die saubere Zugverlegung und das gepolsterte Unterrohr.
Mithilfe von Gummiführungen laufen die Leitungen aus den CNC gefrästen Alu-Muffen.

Der Rahmen des Atherton S.150 ist ansonsten einfach und funktional gestaltet. Am Unterrohr gibt es Platz für einen Flaschenhalter. Wer auf das Nötigste nicht verzichten möchte, kann die Klappe unter dem Tretlager aufschrauben und dort kleine Gegenstände verstauen. Spezielle Befestigungen sind jedoch nicht vorhanden, da die Abdeckung primär für einen vereinfachten Zugang zu den Leitungen gedacht ist und über keinen Schnellverschluss verfügt.

Die Ausstattung des Atherton S.150

Trotz der vergleichsweise kleinen Stückzahlen an Atherton-Bikes gibt es drei unterschiedliche Ausstattungsvarianten des Modells S.150 zu kaufen. Das Atherton S.150.1, S.150.2 und S.150.3. Je kleiner die Zusatzzahl ist, desto teurer sind die verbauten Komponenten. Die Ausstattungsvarianten bewegen sich preislich zwischen 4.480 € und 5.974 €. Ein Frameset wird es für 2.787 € geben. Bei den Preisen sind – wie oben beschrieben – die Steuern allerdings noch nicht inbegriffen.

Atherton S.150.1

Specifications

Fork FOX 36 Factory GRIP2 160 mm
Rear Shock FOX FLOAT X2 Factory 150 mm
Seatpost Fox Transfer Factory 175 mm
Brakes Hayes Dominion A4 200/180 mm
Drivetrain SRAM X01 Eagle 1x12
Stem FSA Gradient 50 mm
Handlebar FSA Gradient Alu 780 mm
Wheelset Stans Flow EX3 29"/27,5"
Tires Continental Kryptotal FR, Soft, Enduro/Continental Kryptotal RE, Soft, Enduro 2,4"/2,4"

Technical Data

Size 1 - 12
Weight 16,2 kg

Für unseren Test sind wir das Atherton S.150.1 mit FOX Factory-Fahrwerk gefahren. Die FOX 36-Federgabel nutzt noch die ältere GRIP2-Dämpfungskartusche und ist mit einem großvolumigen FLOAT X2-Luftdämpfer kombiniert. Eine durchaus beeindruckende Ausstattung für ein Trail-Bike, bei dem normalerweise eher der kleinere FLOAT X-Dämpfer zu finden ist. Dies wirkt sich jedoch keineswegs negativ auf die Performance aus – solange man nicht jedes Gramm zählt. Auch unterstreicht dieses Setup das bevorzugte Einsatzgebiet des Atherton S.150. Die Dropper Post stammt ebenfalls von FOX, ist jedoch nicht mehr das neueste Modell. Sie neigt gelegentlich dazu, etwas zu haken, wenn sie ein paar Tage nicht benutzt wurde. Mit lediglich 175 mm Hub ist sie für ein modernes Trail-Bike etwas kurz geraten, liefert aber dennoch eine solide Performance und lässt sich vollständig im Rahmen versenken. Der Rahmen bietet zudem ausreichend Einschubtiefe, um bei Bedarf eine längere Dropper-Post zu montieren.

Die FOX 36 Factory-Federgabel setzt zwar noch auf die ältere GRIP2-Dämpfungskartusche, liefert aber dennoch eine super Performance.
Der FOX FLOAT X2-Luftdämpfer ist zwar untypisch an einem Trail-Bike, unterstreicht aber die abfahrtslastige Ausrichtung.

Für ordentlich Verzögerung sorgt die Hayes Dominion A4-Vierkolbenbremse. Sie überzeugt durch ein leichtgängiges Hebelgefühl, hohe Bremspower und sehr gute Dosierbarkeit. Das baugleiche Modell – mit gewichtsreduzierten Bauteilen und ohne werkzeuglose Hebelverstellung – hat in diesem Jahr unseren großen Bremsen-Vergleichstest gewonnen. Kombiniert ist die Bremse mit 200-mm-Bremsscheiben an der Front und 180-mm-Scheiben am Heck. Wer mehr Standfestigkeit aus seiner Bremse herausholen möchte, kann am Heck problemlos auf eine 200-mm-Scheibe aufrüsten. Angetrieben wird das Atherton S.150 von einer mechanischen SRAM-X01-Schaltgruppe, die auf dem Trail eine solide Performance liefert. Sie ist an einem gängigen UDH-Schaltauge befestigt, das sich leicht ersetzen lässt und ein Upgrade auf ein Direct-Mount-Schaltwerk ermöglicht. Geschützt wird der Antrieb durch einen massiven Bash-Guard mit integrierter Kettenführung.

Die verbaute Hayes Dominion A4 verzichtet auf die Titan- und Carbon-Hardware der T4-Variante, die unseren großen Bremsen-Vergleichstest gewonnen hat. Einen Abstrich bei der Performance gibt es hier nicht.
Ein fetter Bashguard inklusive Kettenführung schützt den SRAM X01-Antrieb und sorgt für zuverlässigen Vortrieb.
Die Continental Kryptotal-Reifen mit Enduro-Karkasse sind eine gute Wahl für das Atherton S.150.

Das Cockpit besteht aus einem Aluminium-Lenker und -Vorbau und stammt aus der Gradient-Serie von FSA, einem Sponsor des DH-Worldcup-Teams. Die Stan’s NoTubes-Flow X3-Aluminium-Laufräder wurden mit Continental Kryptotal-Reifen kombiniert, die spezifisch für Front und Heck ausgelegt sind. Beide Reifen verfügen über eine weiche Gummimischung und eine robuste Enduro-Karkasse.

Die Geometrie des Atherton S.150

Typisch Atherton ist auch das Atherton S.150 in beeindruckenden 12 Rahmengrößen erhältlich. Die Größen sind anhand ihrer Reach-Werte abgestuft, der Reach nimmt dabei von einer Rahmengröße zur nächsten um jeweils 10 mm zu. Dadurch habt ihr eine sehr feine Auswahl, basierend auf der Länge des Bikes, von 415 mm bis 525 mm. Unser Test-Bike hat einen Reach von 485 mm (Größe 8) und eine akzeptable Sitzrohrlänge von 440 mm. Auch die Kettenstreben wachsen mit den Rahmengrößen mit, jedoch nicht bei jedem Schritt. So gibt es über die 12 Größen hinweg insgesamt drei verschiedene Kettenstrebenlängen. Bei unserer getesteten Größe 8 messen die Kettenstreben 435 mm. Einen Flip-Chip, um die Geometrie oder Kinematik anzupassen, bietet das Atherton jedoch nicht, sodass es auch keine Möglichkeit gibt, ein größeres 29-Zoll-Hinterrad zu montieren. Unserer Meinung nach ist das aber ohnehin nicht notwendig. Eine individuell anpassbare Geometrie – wie sie beispielsweise bei den A-Modellen verfügbar ist – wird es beim S.150 vorerst nicht geben.

Größe 1 12 22
Sattelrohr 395 mm 440mm 480mm
Oberrohr 554 mm 614 mm 645 mm
Steuerrohr 90mm 100 mm 125 mm
Lenkwinkel 64,5° 64,5° 64,5°
Sitzwinkel 77,5° 78,5° 79,5°
Kettenstrebe 430 mm 435 mm 440 mm
BB Drop 16 mm 16 mm 16 mm
Radstand 1.171 mm 1.250 mm 1.296 mm
Reach 415 mm 485 mm 525 mm
Stack 618 mm 636 mm 649 mm

Das Atherton S.150 im Test

Wir sind in der Vergangenheit bereits einige Atherton-Bikes gefahren, und die Räder gehören zu den faszinierendsten Bikes – vor allem in Sachen Trail-Performance –, die wir bisher getestet haben. Das neue Atherton S.150 macht hier keine Ausnahme. In den letzten Wochen haben wir das Bike auf unseren bekannten Hometrails und im Rahmen unseres aktuellen Trail-Bike-Vergleichstests gegen 15 sehr spannende und aktuelle Bikes gefahren. Den vollständigen Vergleichstest findet ihr bald in unserer App-Ausgabe und auf unserer Website 😉

Wer denkt, dass sich ein so schweres Trail-Bike schlecht tritt, wird vom Atherton S.150 eines anderen belehrt. Denn der DW-Link-Hinterbau bleibt auch im Wiegetritt und unter Kettenzug schön ruhig und bringt euch kraftsparend zur Spitze. Klar, im Antritt sind die 16,2 kg des Bikes zu spüren, aber habt ihr einmal Fahrt aufgenommen, sind die schnell wieder vergessen. Ihr sitzt aufrecht und kompakt und tretet auch bei hohem Sattelauszug noch von oben in die Pedale. So sind auch ausgedehnte Touren kein Problem.

Die Paradedisziplin des Atherton S.150 ist aber dennoch die Fahrtrichtung, bei der die Schwerkraft die Beschleunigung übernimmt. Hier glänzt das S.150 mit einem integrierten und sicheren Stand im Bike, der euch von Anfang an ordentlich Selbstvertrauen liefert. So werden auch steile oder knifflige Passagen zur Autobahn, denn Überschlagsgefühle kommen nicht auf. Gleichzeitig lässt sich das S.150 – auch dank der progressiven Kinematik – auf flachen Flowtrails erstaunlich wendig von Anlieger zu Anlieger werfen und easy in die Luft befördern. Reserven für verpatzte Landungen inklusive. Aber auch vor einem Ausflug in den Bikepark schreckt das S.150 nicht zurück und liefert auf technischen Singletrails und bei harten Kompressionen unbeeindruckt ab. Das Fahrwerk bleibt dabei stets aktiv und klebt förmlich am Boden, was auf der einen Seite viel Sicherheit, Bremstraktion und Laufruhe bringt, aber auch Wendigkeit, denn ihr könnt beinahe in jeder Situation Lenkimpulse geben, die direkt und mit gutem Feedback umgesetzt werden. Das macht das Atherton S.150 zu einem der faszinierendsten Trail-Bikes, die es momentan auf dem Markt zu kaufen gibt.

Das Atherton S.150 liefert eine unverschämt gute Trail-Performance und sorgt durch seinen besonderen Look für Small-Talk-Potenzial am Trail-Einstieg.

Für wen ist das Atherton S.150 das richtige Bike?

Das neue Atherton S.150 ist – wie sein Bruder aus Carbon – unverschämt gut auf den Trails. Solltet ihr auf der Suche nach einem Bike sein, mit dem ihr jedes Gelände in Angriff nehmen könnt – von einer entspannten Hometrail-Runde bis zum gelegentlichen Bikepark-Besuch –, dann sollte das Atherton S.150 ganz oben auf eurer Liste stehen. Klar, wer ein graziles und super spritziges Trail-Bike sucht, für den könnte das S.150 etwas viel Fahrrad sein, aber dennoch liefert das Atherton in allen erdenklichen Szenarien ab und vereint hohe Agilität mit unglaublicher Laufruhe. Auf Schnick-Schnack oder makellose Optik wird hier in Anbetracht der Trail-Performance verzichtet und dem Small-Talk auf dem Trail, könnt ihr mit diesem Bike fast nicht entgehen.

Das Fazit zum Atherton S.150

Mit dem Atherton S.150 kommen nun auch Alu-Fanatiker auf ihre Kosten, ohne auf die besondere Fertigungstechnik, den daraus entstehenden Look und eine immense Größenauswahl verzichten zu müssen. Der Fokus des Bikes liegt klar auf der Trail-Performance, was auch die robuste Ausstattung und der fehlende Schnick-Schnack verdeutlicht. Auf dem Trail rollt das S.150 in seiner eigenen Liga und vereint hohe Laufruhe mit einer quirligen Agilität wie fast kein anderes Trail-Bike.

Tops

  • unverschämt gut auf dem Trail
  • unzählige Rahmengrößen
  • faszinierende Technik
  • einzigartiger Look

Flops

  • etwas pummelig

Alle weiteren Infos findet ihr auf der Website von Atherton-Bikes.


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Text: Peter Walker Fotos: Peter Walker