Gebrauchsanweisungen lesen? Braucht niemand! In der Schule zuhören? Für Streber. Mein Fahrwerk abstimmen? Kann ich. … von wegen! Viele meinen, sie hätten Ahnung, aber dabei hapert es bereits an den Basics. Nur auf dicke Hose machen bringt hier nichts. Wir drücken noch einmal die Schulbank und erhalten eine Fortbildung von den Fahrwerksexperten von RockShox. Wie ein paar Gramm Kunststoff euer Fahrwerk spürbar verändern, erfahrt ihr hier.
Die Schulzeit liegt bei mir schon einige Jahre zurück und ganz ehrlich: Gerne bin ich nie hingegangen. „Wozu sollte ich das je brauchen?“ habe ich mich häufig beim staubtrockenen Frontalunterricht meines Lehrers gefragt, wenn sich der Zusammenhang aus Theorie und Praxis gar nicht erschließen wollte. Dabei ist eine gute (Aus-)Bildung enorm wichtig. Und genau darum ging es beim Education Camp von RockShox.
Das Thema diesmal war, verglichen mit damals, alles andere als öde! Und der Stoff alles andere als super komplex und praxisfern. Es ging um die einfache Möglichkeit, das Fahrwerk und damit auch die Balance des gesamten Bikes an die persönlichen Bedürfnisse anzupassen. Das Zauberwort hieß nicht „Algebra“, sondern „Token“ bzw. „Volumenspacer“. Das Klassenzimmer war kein stickiger Raum voller Teenager in pubertärer Drangphase, sondern bestand aus den besten Trails auf der kanarischen Insel La Palma. Der Lehrer war kein Mittfünfziger-Glatzkopf mit beginnendem Burnout-Syndrom, sondern der ein oder andere Fahrwerksexperte von RockShox.
Eines machte uns Thorben, Rear Shock Technician, direkt zu Beginn klar: In diesem Fach gibt es kein richtig oder falsch. Was zählt, sind die persönlichen Vorlieben des Fahrers (und die Physik natürlich).
Neben den Basisfunktionen wie dem Einstellen des richtigen Luftdrucks und dem Anpassen der Zugstufe (regelt die Ausfedergeschwindigkeit), kann bei den Federelementen von RockShox auch das Volumen der Luftkammern mit wenigen Handgriffen variiert werden. Dadurch lässt sich die Federkennlinie beeinflussen und verändern. Mehr Tokens bzw. Volumenspacer bedeuten mehr Progression, sprich: Es ist mehr Kraft nötig, um die Federgabel oder den Dämpfer gegen Ende des Federwegs zu komprimieren.
„Die Anzahl der Tokens hängt von den Vorlieben des Fahrers ab – nicht von seinem Fahrkönnen.“
Den Fehler, wie mein Lehrer ewig lange in der abstrakten Theorie zu versinken, beging bei RockShox keiner. Hier wurde nicht gekleckert, sondern geklotzt: Techtalk und Testen, Theorie und Praxis wurden ganz locker vereint. Unsere Teststrecke, ein ca. 450 Höhenmeter langer Trail, war hierfür bestens geeignet. Anlieger, Wurzelfelder, Sprünge, G-Outs – alles war vorhanden.
Zu Beginn der Testprozedur starteten wir alle komplett ohne Bottomless Tokens (Federgabel) bzw. Rings (Dämpfer) in unseren Federelementen. Mein Testbike für die beiden Tage: ein Canyon Strive AL mit Shape Shifter-Technologie in Größe L. Das Rad hatte ich bereits einige Male vorher gefahren, die Geometrie war mir also vertraut. Aber mit dem Startsetup unseres Tests fühlte mich von Beginn an unwohl: das Fahrverhalten des Bikes war undefiniert, es fehlte mir an Feedback vom Untergrund und bereits bei mittleren Schlägen wurde trotz korrektem SAG nahezu der gesamte Federweg freigegeben. Auch Durchschläge waren zu verzeichnen. Als Konsequenz daraus drehte ich die Lowspeed-Druckstufe der Pike RC um einige Klicks zu, was zwar eines meiner Probleme löste, gleichzeitig aber Komforteinbußen zur Folge hat. Glücklich war ich mit diesem Setup nicht.
Setup-Tipps:
Die Bottemless-Tokens bzw. Rings beeinflussen nicht nur die Progression der Federelemente, mit ihnen lässt sich auch die Balance auf dem Rad spürbar verändern. Zum optimalen Setup gilt es, einige wichtige Tipps zu beachten:
- Der SAG muss nach dem Ein- oder Ausbau der Tokens immer der gleiche sein.
- Sind mehrere Tokens/Ringe montiert, kann es nötig sein, den Luftdruck für den gleichen SAG zu reduzieren.
- Um einen spürbaren Unterschied festzustellen, empfiehlt es sich, am Heck mindestens zwei Ringe zu montieren
- Ist die Veränderung zu groß, kann ein Ring entfernt und so der perfekte Kompromiss gefunden werden.
- Nach dem Ein- oder Ausbau muss ggf. die Zugstufendämpfung angepasst werden.
Die Einbauanleitung der Bottomless-Tokens und -Rings haben wir hier hinterlegt: Tokens | Rings.
Um die Unterschiede der verschiedenen Einstellungen deutlich zu spüren, ist es sinnvoll, am Heck immer mindestens zwei Bottomless-Ringe zu montieren. Wir haben uns für eine extreme Variante entschieden und je vier Platzhalter an Front und Heck verbaut. Um den Vergleich nicht zu verwässern, war es wichtig, den identischen SAG einzustellen. Einzig die Zugstufendämpfung sollte an die höhere Kraft, die durch die Volumenreduktion am Ende des Federwegs herrscht, angepasst werden. Ein bis zwei Klicks mehr sind hier meist genug.
Der Hinterbau entsprach nun voll meinen Vorlieben: schluckfreudig, stabil im mittleren Bereich und angenehm endprogressiv. Die Federgabel war jedoch zu direkt, zu kraftfordernd und den Federweg nutzte ich nur noch zu 75 %.
Also noch einmal schnell die Luftkammern der Federgabel mit dem 24 mm-Maulschlüssel öffnen und einen Token entfernen. Dann mit dem Shuttle nichts wie back on track. Diesmal stimmte für mich alles, der Federweg wurde effektiv genutzt, wobei das Fahrwerk noch gutes Feedback lieferte und berechenbar blieb.
Bei diesem Camp entschied nicht der Lehrer über die Leistung, sondern wir als Schüler beurteilten das Ergebnis und feilten mit den Experten auf den nachfolgenden Abfahrten am perfekten Setup. Meins (84 kg Fahrergewicht) hab ich hier auf einen Spickzettel für euch notiert:
RockShox Pike RC Solo Air | RockShox Monarch Plus R | |
---|---|---|
Luftdruck | 75psi | 205psi |
SAG | 28% | 30% |
Low Speed Druckstufe | 3 Klicks geschlossen | — |
Zugstufe | 14 Klicks von offen nach zu | 5 Klicks von zu nach offen |
Bottomless Tokens/Rings | 3 Tokens | 4 Rings |
Und auch das Nachsitzen am kommenden Tag war nicht wie in der Schule eine Qual, sondern purer Genuss. Mit den nun top auf uns abgestimmten Bikes ging es früh morgens um 6.00 Uhr auf den 2.426 m hohen Roque de los Muchachos, den höchsten Punkt der Insel, um von dort aus auf extrem vielfältigen Trails hinab bis ans Meer zu fahren. Um es mit den Worten des Enduro-Profis Bryan Regnier zu sagen, der uns die Tage über begleitet hat : „Fuck yeah Bro, that was awesome!“
Statt mit dem Schulbus ging es am Ende des äußerst lehrreichen Trips mit dem Linienflieger zurück nach Deuschland. Wo ich saß? Ganz hinten natürlich – wie die coolen Kids.
Text: Christoph Bayer | Bilder: Victor Lucas / Christoph Bayer
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