Eltern werden und einen Menschen beim Aufwachsen begleiten, kann toll sein. Weniger toll ist hingegen die Angst, dafür die eigenen Hobbys radikal einschränken zu müssen. Baby statt Biken also? Moment! Durch cleveres Bike-Parenting kommen auch mit Nachwuchs alle auf ihren Spaß auf dem Rad – und entwickeln sogar neue Skills.
Plant ihr Nachwuchs oder seid bereits Eltern? Dann kennt ihr wahrscheinlich die freudige Anteilnahme aus eurem Umfeld: „Ihr bekommt ein Baby? Ach, wie schön!” Doch habt ihr beide außerdem ständig Biken im Kopf und verbringt eure Freizeit praktisch exzessiv entweder auf dem Trail, in der Radwerkstatt oder eben beim Lesen unseres Magazins? Dann kennt ihr wahrscheinlich diese belehrende Sorte von Kommentaren zu eurer bevorstehenden Elternschaft: „Oha, dann brechen aber bald andere Zeiten an! Nichts mehr mit euren ständigen wilden Bike-Abenteuern, wenn ihr dann Eltern seid!” Ja, dieser erhobene Zeigefinger kann einem die Brust zuschnüren. Und vielleicht wollt ihr tatsächlich aus genau diesem Grund keine Kinder, nämlich weil ihr eure Freizeit verdammt nochmal auch in Zukunft genau so frei und wild genießen wollt, wie ihr das im Moment tut: Spontane Wochenend-Abenteuer, gemeinsame Bike-Trips in aller Herren Länder, heute hier, morgen dort – und am Abend gemütlich anstoßen, ohne ständig mit einem Ohr ein Babyfon bewachen zu müssen. Wir hören euch! Und hey, wer wären wir, euch hier dazwischen zu reden? Das Gefühl von maximaler Freiheit ist schließlich schwer zu schlagen. Doch stellt euch vor: Mit der Geburt des eigenen Kindes muss die Bike-Leidenschaft noch lange nicht enden.
Wir wissen, dass man auch in beiden Welten gleichzeitig leben kann: Passioniert biken und dabei mit Partner, Partnerin und Freunden fette Abenteuer auf zwei Rädern erleben – ja! Und gleichzeitig behütende Eltern sein, zusammen einen kleinen Menschen beim Heranwachsen begleiten und ihm wertvolle Lektionen mitgeben – nochmal ja! Wer jetzt die Hand oben hat, sich aber immer noch nicht so recht sicher ist, wie beides gleichzeitig klappen kann, der sollte weiterlesen! Außerdem haben wir einen der schnellsten MTB-Dads Christian „Texi” Textor gelöchert und von dem Enduro-Profi vom YT-Mob, mehrfachen Deutschen Meister und Vater von vier Kindern erfahren, wie er das mit dem Nachwuchs auf Rädern angeht. Er muss ja wohl alle Expertentricks kennen, oder? Und wir haben selbst verdammt gute Ideen gesammelt und in die Praxis umgesetzt, wie Kinderkriegen ein gelungenes Abenteuer werden kann, bei dem eure geliebten Bikes ganz sicher nicht im Schuppen einstauben.
Entweder Biken oder Baby? Bike-Parenting!
Nein, dies ist kein übergriffiger Versuch, euch davon zu überzeugen, dass ihr Kinder in die Welt setzen solltet. Ob das was für euch ist, entscheidet ihr besser ohne uns. Was dieser Artikel aber sein soll, ist ein ermutigender Schulterklopfer für alle, die sich irgendwie schon ein Kind wünschen, bislang aber zögern, weil sie sich ihre spektakulären Hobbys wie etwa ihre Bike-Leidenschaft dann vermeintlich verkneifen müssten, um gute, verantwortungsvolle Eltern zu sein. Oder? Genau das wird uns jedenfalls von unserem Umfeld oft suggeriert: „Ein Kind zu behüten, passt doch nicht damit zusammen, selbst einem riskanten, verletzungsträchtigen Hobby nachzugehen! Also bitte …” Solche weit verbreiteten Glaubenssätze können uns ein richtig schlechtes Gewissen machen und im schlimmsten Fall bei der Familienplanung beeinflussen. Macht euch frei davon und findet euren eigenen Weg! Wir glauben: Mit ein paar Kniffen gehen Baby und Biken wunderbar gemeinsam, und zwar sogar mehr oder weniger gleichzeitig. Willkommen beim cleveren Bike-Parenting.
Bike-Parenting, das [eng. bicycle]: bewusster und durchdachter Einbezug von Fahrrädern bei der Gestaltung einer Welt des Lernens, Spielens und Erlebens für Kinder in Gemeinschaft mit ihren Eltern; wirkt verbindend und macht allen Bock, hell yeah! – Offizieller ENDURO Bike-Parenting-Führer 2035
Was genau soll Bike-Parenting sein? Wir meinen damit, das Fahrrad bewusst als Vehikel für eine gesunde, vielseitige Erziehung von Kids zu nutzen und mit dem Sportgerät gleichzeitig eine Verbindung zwischen der Lernwelt der Kinder und der Leidenschaft der Eltern zu schaffen, von der am Ende alle Beteiligten profitieren. Dadurch, dass die Kids früh mit Fahrrädern in Berührung kommen, gewinnen sie körperliche und motorische Fähigkeiten, lernen ihre Umgebung und die Natur kennen und spüren, wie gut es sich anfühlt, kleine Erfolge zu feiern: Ein Ziel fassen, es versuchen, scheitern, aufstehen, es erneut versuchen und schließlich erleben, dass man es schaffen kann – das sind tolle Erfahrungen, die auf dem Rad schon spielerisch im Straßenkreide-Parcours entstehen, aber weit über das Biken hinaus enorm wertvoll im Leben sind.
Und nicht nur der Nachwuchs gewinnt durch Radfahren. Mama, Papa und Co. eröffnen ihren Kindern so eine reichhaltige Lernwelt, in der sie selbst weiterhin ihr Hobby ausleben, sich fit halten und eine gemeinsame Leidenschaft in ihrer Partnerschaft pflegen können. Gerade letzteres ist verdammt viel Wert. Denn zugegeben: Die Vorstellung, fortan nur noch für die Kinder zu leben und sich selbst und die eigenen kleinen Verrücktheiten völlig zurückstellen zu müssen, finden wir ziemlich streng und einschüchternd.
Was wir mit Bike-Parenting sicher nicht meinen, ist, dass sich einer vorrangig um die Kinder kümmert und selbstlos nur noch auf asphaltierten Radwegen herumeiert, damit der andere weiterhin im Gelände ehrgeizig Strava-Segmente fräsen und sich an eigenen Bestzeiten ergötzen kann. Bike-Parenting zu Ende gedacht, bringt allen einen Mehrwert, nicht nur dem einen notorischen Hobby-Racer von euch beiden.
Lieber glückliche Hobby-Shredder als ausgebrannte Weltmeister: „Ich möchte nicht der Papa werden, der seine eigenen Träume seinen Kindern aufdrängt.” – Texi
Und was wir absolut auch nicht damit meinen, ist der Versuch, eure Kids möglichst rasch zu MTB-Profis und Social-Media-Helden zu machen. Eure Sprösslinge schon im Kindesalter fahrlässig mit Leistungsdenken zu konfrontieren, kann ihnen trotz bester elterlicher Absichten den Spaß am Fahrradfahren auf kurz oder lang regelrecht zerfressen. Und davon hat dann keiner was. Wenn die vier Kids von Christian Textor mal drei oder vier Wochen lang nichts vom Radfahren wissen wollen, ist das auch okay für ihn.
„Wenn sie aber fünfmal in der Woche fragen, ob wir auf dem Pumptrack eine Runde rollen gehen, dann gehen wir eben fünfmal auf den Pumptrack. Wir wollen ihnen das Radfahren nicht nachdrücklich servieren, sondern sie ganz frei wählen lassen, ob sie Bock aufs Bike haben. Und wenn nicht, dann ist das auch okay.”
Bike-Parenting hat nicht die Performance der Kleinen zum Ziel, sondern soll ein bereicherndes Lernen und Erleben auf dem Fahrrad bieten, von dem alle Beteiligten profitieren. Dass dabei möglicherweise auch eine gesunde Lust auf Wetteifern und Siegertreppchen entstehen kann, ist völlig okay. Das erklärte Ziel ist das aber nicht.
Bike-Parenting bietet also die Chance auf wertvolle Lektionen für die Kids, Fitness und Paarpflege für die Eltern und auf ein schönes familiäres Miteinander – klingt nach einer super Sache für alle. Doch wie kommt ihr da nun konkret hin? Hier sind die drei Bausteine, anhand derer ihr checken könnt, ob ihr auf einem guten Weg seid.
Kommunikation der Eltern
Klingt banal, ist aber unheimlich hilfreich: sprecht miteinander! Ein neuer Mensch kommt zu euch ins Leben und der will irgendwie integriert werden. Nach welchen Regeln und Idealen das geschieht, entscheidet ihr. Und da besteht selbst in den harmonischsten Beziehungen nicht zwangsläufig genau dieselbe Vorstellung. Doch je weniger ihr darüber sprecht, was ihr bei der Integration des Kindes ins eigene Leben für richtig und wichtig haltet, desto lauter werdet ihr die Meinungen dazu von außen hören. Und euer Umfeld wird euch ziemlich sicher extrem gute Ratschläge geben, wie man es richtig macht – egal, ob ihr sie hören wolltet oder nicht.
Die Challenge beginnt, sobald ihr euer Kleines erstmals per Anhänger mit zum Biken nehmt. Über das richtige Equipment für die ersten gemeinsamen Rides sprechen wir gleich noch. Doch wer soll überhaupt den Hänger ziehen? Natürlich Papi, weil er die stärkeren Muckis hat? Sein Stolz auf seine Fitness könnte schnell gebrochen sein, denn 15 kg Anhängelast hauen bergauf nochmal ganz anders rein als selbst der weichste und schwerste Downhill-Reifen. Oder besser Mama, weil sie das Baby bei Bedarf ja dann direkt füttern kann? Im Anstieg das Rad festhalten, während man schnell nach hinten in den Anhänger greifen will, kann ein kniffliger Balanceakt sein. Wähnt sich der Papa als der viel bessere Fahrer und will sich deshalb zum Chauffeur machen, ist vielleicht auch etwas Ego im Spiel. Fürchtet die Mama vor riskanten Manövern des arg selbstsicheren Biker-Papis und nimmt den Hänger daher lieber an sich? Dann kommt der Wunsch nach maximaler Sicherheit dazu – und schon wird es unheimlich wichtig, offen und ehrlich miteinander zu sprechen: Wer hat heute Lust, den Chauffeur zu spielen und den Nachwuchs per Extrawatt zu shutteln? Wer fährt heute lieber ohne Hänger, ist dafür aber fix zur Stelle, wenn beim kleinen Passagier nach dem Rechten gesehen werden muss? Und wer von beiden wünscht sich dringender mal wieder eine Abfahrt auf dem Trail, während der andere mitsamt Kind den sanften Weg zurückrollt? Und was braucht eigentlich unser Kind, wenn es hinten mitfährt? Welche Sicherheitsstandards wollt ihr festlegen und was sind absolute No-Gos? Fragen über Fragen, die man sich ohne Kind nicht stellen muss … Die gute Nachricht: All diese Fragen könnt ihr beantworten – und daraus sogar guten Spirit für eure Kommunikation als Paar mitnehmen! Ein erster Schritt dorthin kann sein, sich nicht anzusehen, wie es die anderen machen. Japp, das meinen wir genau so. Zahllose Werbefotos, Magazine und Feeds zeigen uns, wie es scheinbar auszusehen hat, wenn stereotypisch coole Eltern mit ihrem Kiddo auf Tour gehen. Doch kaum jemand wird euch sagen, dass ihr auf halber Strecke den Kinderanhänger zwischen euch tauschen sollt, damit ihr beide genug Zeit dafür habt, verspielt über Pfützen zu lupfen und den Wheelie zu üben. Das müsst ihr selbst besprechen.
Traum-Equipment für alle
Ob der frühe Einstieg in die schöne Welt des Bikens auch wirklich allen Spaß macht, hängt stark vom richtigen Material ab. Wir verraten euch im chronologischen Schnelldurchlauf, was ihr in welchem Alter beachten solltet, damit Bike-Parenting gelingen kann – und welches gut gemeinte Geschenk von Tante Helga ihr besser unauffällig verschwinden lasst. Für uns stehen dabei dieses Mal nicht Brands und Modelle im Vordergrund, denn unseren Vergleichstest zu den besten Kids-Bikes gibt es bereits. Vielmehr kommt es uns auf Merkmale und Eigenschaften an, die ihr grundsätzlich im Auge haben solltet, wenn ihr euch zwischen den mittlerweile vielen guten Optionen auf dem Markt umseht.
Vor allem wenn eure Kids beginnen, selbst das Steuer zu übernehmen, gilt es, frustrierende Erlebnisse durch unpassendes, zurechtgeschustertes Equipment von Anfang an zu vermeiden. Das geschenkte Rad vom Nachbarn ist noch sichtlich zu groß, aber einfach den Sattel ganz runterstellen und dann geht’s schon so? Stop! Euer Kind mag zwar begeistert sein von dem neuen Gefährt, doch auf einem zu großen Rad ist es schwerer, Balance zu finden und Skills zu erlernen. Die Folge sind unnötige Stolperer, vielleicht Stürze und damit Negativerlebnisse beim Radfahren, die schnell die Freude am Lernen schmälern. Wie ein Stift mit scharfen Kanten, mit dem es einfach keinen Bock macht, Schreiben zu lernen. Durch ein passendes Bike könnt ihr das vermeiden und die Voraussetzung für anhaltenden Spaß schaffen. Und wer jetzt denkt, dass es ja irre teuer ist, für jede Körpergröße immer entsprechend Equipment einzukaufen, der soll bitte weiterlesen. Denn wir blicken auch noch auf den genialen Wiederverkaufswert vieler Kids-Produkte.
Im eigenen Streitwagen
Doch von vorne: Zunächst braucht das Kind ja noch gar kein eigenes Rad, sondern cruist bequem im Anhänger hinter Mama, Papa und Co. her. Die haben es bei der Abstimmung ihrer Bedürfnisse bedeutend leichter, wenn ihnen dafür zumindest ein E-Bike zur Verfügung steht – am besten ein E-MTB, das auch bergab richtig Spaß macht. Wenn ihr so aufgestellt seid, habt ihr es sprichwörtlich selbst in der Hand, wer sich wie hart auspowern muss oder darf. Und dass ein geiles E-Mountainbike viel mehr Vorzüge hat, als nur die Fähigkeit, einen Anhänger easy den Berg hinaufzuziehen, liegt auf der Hand. Deshalb zählt es auch nicht wirklich als Kids-Anschaffung. Wenn ihr erst noch auf den E-Train aufspringt und bereits einen Thule Chariot oder ein ähnliches Gefährt für hinten plant, dann beachtet beim Radkauf das Rahmenmaterial. Ist der Rahmen des Bikes aus Carbon gefertigt, geben die Hersteller ihn meist nicht für das Ziehen von Anhängern frei. Zumindest der hintere Teil des Rahmens, in dem die Hinterradachse steckt, sollte aus Aluminium gefertigt sein, damit der Family-Bike-Train losrollen kann. Was ihr für maximale Flexibilität dann noch braucht, sind zum Anhänger passende Steckachsen und Kupplungen für alle Räder, die als Zugmaschine in Frage kommen. Die Extra-Euros dafür schenken euch Abwechslung und werden sich rasch lohnen.
Die Nase im Wind
Wenn die Kids erstmal stabil sitzen können, bricht ihre Zeit als Passagier auf dem Bike von Mama oder Papa an – und damit auch die Zeit für beide Eltern, wieder gemeinsam (leichte) Trails fahren zu können. Wir sind große Fans von den Kindersitzen im Stile von Mac Ride und Kids Ride Shotgun, weil sie den Youngstern erlauben, wie Leonardo DiCaprio am Bug der Titanic die Nase nach vorne mitten hinein in die Action zu strecken und Fahrbewegungen von Mama oder Papa am Lenker direkt mitzufühlen. Klar, ultimativ sicher ist das nicht, denn das Kind muss selbst am Lenker zupacken und eine gewisse Körperspannung halten. Doch der Gesichtsausdruck von kleinen Co-Piloten auf dem Oberrohr-Thron verrät, wie sehr sie das Erlebnis feiern und womöglich gerade beginnen, die Welt des Bikens toll zu finden.
Weniger ist mehr
Der nächste Step ist riesig: Ein erstes eigenes Rad, wow! Egal, ob Laufrad oder schon mit Pedalen – leicht und handlich muss es sein. Und das muss man erstmal konsequent durchziehen. Denn Klappständer, Schutzbleche und ein um den Rahmen gewickeltes Kettenschloss sind doch auch alles Dinge, die das Kind am Rad braucht, oder? Nein! Lieber liegt die Karre hie und da am Boden und ist ordentlich mit Pfützenspritzern eingesaut, als dass sie aufgrund von solchem Schnickschnack ein ganzes Kilo mehr wiegt. Das entspricht schließlich etwa einem Fünftel des Gesamtgewichts eines guten Kinderrades – oder satte fünf Prozent des Fahrergewichts. Als Vergleich im selben Verhältnis: Papi hätte schließlich auch keinen Bock auf dreieinhalb Kilo fieses Extragewicht an seinem Rahmen, oder? Eben.
Okay, also weg mit unnötigen Anbauten. Aber wie sieht es aus mit MTB-typischen Features wie Scheibenbremsen, Stollenreifen und Federgabel – oder Full Suspension? Wir finden: Das darf später kommen. Klar sieht die MAGURA-Bremsscheibe am Kids-Ride-Shotgun-Laufrad mit breiten Stollenreifen cool aus und lässt die Herzen der Biker-Eltern einen Hüpfer machen. Dem Kind selbst bringen diese Features hingegen noch nicht viel. Ja, Scheibenbremsen lassen sich am Hebel ergonomisch einstellen und verlangen weniger Fingerkraft. Doch V-Brakes sind leichter, günstiger und bieten am Ende mehr als genug Bremsleistung für das, was das Kind braucht. Schlankere Reifen rollen außerdem deutlich leichter, sparen wiederum Gewicht und haben von Asphalt bis Waldboden alles im Griff.
Hardliner mögen sagen, dass sich echtes Bike-Handling nur ohne Federung erlernt. Tatsächlich haben viele erfolgreiche Mountainbiker ihre Grundlagen auf dem BMX oder (kaum gefederten) Dirt Jumper gelegt, ehe sie im Gelände mit Fullys unterwegs waren. Wer einmal gut biken kann, der wird von den zusätzlichen Möglichkeiten einer Federung immer profitieren. Zum Lernen und sogar für erste Tricks braucht man sie aber nicht. Erst wenn Sprünge, Trails und auch Bike-Parks eine größere Rolle spielen, macht es Sinn, sich in unserem Produktvergleich bei den waschechten Mountainbikes für Kids umzusehen.
Gefragt wie ein VW-Bus – Sogar mit Kratzer
Doch nun zum Elefanten im Raum: Was soll der Spaß denn bitte kosten? Hochwertige Anhänger, Sitze, Laufräder und Co. für Kinder sind alles andere als günstig. Empfehlenswerte Fahrräder wie ein Early Rider rollen schnell mit einem Preis nördlich von 500 € daher. Bei Kindern, die nun mal ähnlich schnell wachsen wie Pilze im Regen, und womöglich noch weiteren Geschwistern in Aussicht kommen da jährlich enorme Ausgaben zusammen. Ist Bike-Parenting also nur was für gut Situierte mit zwei vollen Einkommen? Nein, denn Bike-Equipment rund um Kids ist zwar teuer, hat aber gleichzeitig einen erstaunlich hohen Wiederverkaufswert. Gute Kids-Bikes gehen auf Plattformen wie Kleinanzeigen nicht selten durch eine ganze Handvoll Familien, ohne dabei nennenswert im Preis zu fallen. Hier zahlt sich Qualität doppelt aus: Ihr kauft hochwertig und habt so das bessere Equipment. Zudem könnt ihr euch gleichzeitig ziemlich sicher sein, dass ihr die Sachen zu sehr guten Preisen wieder loswerdet – ganz egal, ob schon der ein oder andere Kratzer dran ist. Denn den würde der nächste Rider sonst ohnehin selbst verursachen, und das sehen zum Glück auch viele Eltern locker. Bei Kids-Produkten sind Biker scheinbar weniger eitel als bei den eigenen Bikes, und das ist gut so. Geputzt, inseriert und fast ohne Verlust weiterverkauft – der Invest in gutes Kids-Equipment ist mehr eine Pfandzahlung als tatsächlich unwiederbringlich ausgegebenes Geld.
Jede Menge neuer Skills
Lasst uns kurz zusammenfassen, was bisher bereits geschehen ist bei eurem Bike-Parenting-Experiment: im besten Fall richtig viel Gutes! Euer Kind hat eure Begeisterung aufgeschnappt und lernt gerade auf passenden Bikes, selbst Fahrrad zu fahren. Ihr als Eltern habt euch durch gute Absprachen die Rollen und Aufgaben flexibel und nach eigener Überzeugung aufgeteilt, sodass jeder zu seinem Spaß kommt und eigene Bedürfnisse beachten kann. Ihr habt Bikes und Equipment günstig gebraucht gekauft oder zumindest gut weiterverkauft, sodass die Ausgaben in Summe überschaubar bleiben. Und vor allem habt ihr als Familie schon ziemlich viel gemeinsame Zeit rund ums Thema Bike erlebt, was weit über zwei Räder hinaus wertvoll für euch ist. Nice! Doch wie steht es um die Skills von Mama und Papa? Mussten die ihre Ambitionen, auch selbst bessere Biker zu werden, auf Eis legen?
Wer einen Anhänger zieht oder ein Kind vorne auf dem Oberrohr sitzen hat, hat nichts auf schweren Trails verloren. Die eigene Lernkurve ist also während des Bike-Parentings limitiert, könnte man schlussfolgern. Wer so schnell urteilt, übersieht aber, welche neuen Learnings für Mama und Papa gerade durch Bike-Parenting entstehen können. Beispiele gefällig? Wer einen Anhänger zieht und dabei nicht alles vom E-Bike erledigen lässt, arbeitet (massiv) an seiner körperlichen Fitness, die auch auf dem Trail bergab hilfreich ist. Enduro-Profi Texi hat so nicht selten sein Grundlagentraining bestritten, um am Ende auf dem Trail umso schneller zu fahren (dann ohne Anhänger). Außerdem fühlt sich ein Bike mit kleinem Passagier auf dem Oberrohrsitz im Handling anders an als ohne. Präzise eine Linie auf dem Trail zu treffen und souverän an großen Schlägen und Wurzeln vorbeizuzirkeln, ist eine koordinative Challenge, der wir uns selten stellen, weil moderne Mountainbikes eh viele der unsauberen Lines, die wir uns so leisten, ohne zu murren wegschlucken. Das macht oft Spaß, lässt uns aber auch abstumpfen. Mehr Fokus auf eine runde, flüssige Linie schärft unsere Präzision, wenn es im richtig groben Terrain dann wirklich darauf ankommt. Apropos präzise Linie: Wie genau schaut ihr euch eine neue Line an, bevor ihr sie tatsächlich fahrt? Kids wollen uns Eltern nacheifern und von uns wissen, wie das geht. Dadurch, dass ihr für sie genau analysiert und aussprecht, was ihr warum wie macht, werden euch die Fähigkeiten, die ihr dabei intuitiv nutzt, bewusster und auch für euch besser einsetzbar. Der Wechsel in die Rolle des Coaches lässt alle dazulernen – die Kids und auch den Coach selbst.
Ein anderer, oft übersehener Bonus von Bike-Parenting ist, dass man im eigenen Heimatrevier plötzlich neue Ecken und Flecken, vielleicht sogar Trails entdeckt. Wer durch die Augen des Kindes ins Gelände schaut und Möglichkeiten sucht, die gemeinsam machbar sind, der kann an völlig neue Orte kommen. „Ach wow, das hier kannte ich noch gar nicht”, werdet ihr euch vielleicht selbst sagen hören, wenn ihr gemeinsam am Erkunden seid. Und die Portion Entschleunigung, wenn das Interessanteste am Radfahren plötzlich der bunt schimmernde Käfer am Wegesrand ist, tut auch den schnellsten Mums und Dads mal gut.
Doch am Ende wird es gar nicht so lange dauern, bis eure Kids Dinge und Skills lernen wollen, die euch auch selbst richtig fordern – als Mentor oder sogar als Bike-Buddy. Zum Beispiel wenn die Youngsters immer wieder auf den Pumptrack wollen und ihr euch das deshalb auch mal genauer anschaut. Pumpen, abziehen, doublen – schon geht für die Eltern die Tür zu einer ganzen Reihe von neuen Skills auf, die sie sich ohne Kids vielleicht nie erschlossen hätten, und die sie zu noch glücklicheren Bikern macht, als sie vorher bereits waren.
Babys und Biken sind kein Widerspruch. Eltern, die die eigenen Wünsche offen besprechen und etwas Stirnrunzeln aus dem Umfeld weglächeln können, schaffen durch Bike-Parenting ein Familienerlebnis, das für die Kids eine gesunde Lernwelt bietet, geniale Lektionen fürs ganze Leben mitbringt und Mama und Papa gleichzeitig ihr wundervolles Hobby bewahrt – neue Skills für alle inklusive. Und wer keine Scheu vor Gebrauchtkäufen hat und klug weiterverkauft, handelt das dafür nötige Equipment sogar für überschaubare Summen.
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Text & Fotos: Moritz Geisreiter