Alles beim Alten, trotzdem komplett neu. So könnte man das Ibis HD6 beschreiben, denn das neue Bike der kalifornischen Kultmarke kommt im neuen Look mit geraden Linien (sogar einem geraden Oberrohr), setzt aber weiterhin auf den bewährten DW-Link-Hinterbau. Ist die Mischung aus Tradition und Moderne gelungen?
Ibis ist einer der ersten Hersteller überhaupt, die MTBs hergestellt haben. Sie haben sich immer mit organischen Formen und geschwungenen Linien ausgezeichnet. Bis jetzt. Denn mit dem HD6 bricht der Hersteller mit seiner bisherigen Formsprache und setzt auf cleane, gerade Linien. Beim Hinterbau-Konzept sind sie sich jedoch treu geblieben und setzen weiterhin auf den DW-Link. Dieses nach Fahrwerks-Guru Dave Wiegel benannte Twin-Link-Konzept setzt auf einen festen Hinterbau, der mit zwei kurzen Links mit dem Hauptrahmen verbunden ist. Das Ibis HD6 gibt es nur als Mullet, sprich, mit großem 29”-Vorderrad kombiniert mit einem kleinen 27,5er am Heck. Preislich liegt es mit 8.898 € knapp 1.000 € über dem Durchschnittspreis unseres Tests. Aber Sparfüchse aufgepasst: Alle Modelle des HD6 setzen auf das gleiche High-End-Fahrwerk, es gibt also auch deutlich günstiger Modelle, die auf dem Trail dennoch ordentlich abliefern. Mit einem Gewicht von 15,2 kg ist unser HD6 GX AXS mehr als ein halbes Kilo unter dem Testdurchschnitt. Und das trotz massivem 180/165 mm Federweg (v/h), mit dem es das langhubigste Bike im Test ist. Taugt das Ibis aber auch als guter Allrounder oder ist es nur eine stumpfe Ballermaschine?
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Das Ibis HD6 GX AXS 2024 im Detail
Die Leitungen des Ibis HD6 verschwinden hinter dem Steuersatz im Rahmen und obwohl sie am Ein- und Ausgang einfach in den Rahmen hineinlaufen, geben sie kein Klappern von sich. Zusammen mit dem langgezogenen Sitz- und Kettenstrebenschutz ist das HD6 dadurch absolut leise in der Abfahrt. Das Unterrohr ist mit einem dicken, großzügigen Schutz aus Gummi im Tretlagerbereich und einem Shuttle Guard weiter oben ebenfalls gut geschützt. Über dem unteren Hinterbaulink ist zudem ein kleines Plastik-Cover angebracht, das Steinchen aus dem kleinen Spalt fernhält.
Das Ibis HD6 bietet eine neue Designsprache mit cleanen, geraden Linien. Es sieht bereits im Stand extrem schnell aus.
An der Unterseite des Oberrohrs befindet sich ein Toolmount, an dem ihr Schlauch, Pumpe, etc. befestigen könnt, auf ein Staufach im Unterrohr verzichtet Ibis allerdings. Die Befestigung für den Flaschenhalter ist in einer kleinen Einbuchtung im Unterrohr angebracht, sodass sich die Rahmenform der Flasche anschmiegt – elegant. Eine Besonderheit bei dem Hinterbau ist, dass die unteren Links nicht mit Kugellagern ausgestattet sind, sondern stattdessen mit Gleitlagern. Laut dem Hersteller sollen diese leichter, steifer und komplett wartungsfrei sein. Um diese Behauptung zu bekräftigen, gilt auf die Gleitlager eine lebenslange Garantie.
Die Ausstattung des Ibis HD6 GX AXS 2024
An der Front des Ibis HD6 GX AXS arbeitet eine FOX 38 Factory-Federgabel mit GRIP2-Dämpfungskartusche und am Heck der passende FOX FLOAT X2 Factory-Luftfederdämpfer. Laut Hersteller soll der Hinterbau des HD6 allerdings auch mit einem Stahlfederdämpfer sehr gut funktionieren. Die BikeYoke Revive-Dropper-Post ist mit 185 mm Hub zwar etwas zu kurz für unseren Geschmack, lässt sich aber voll im Rahmen versenken. Gebremst wird mit SRAM CODE RSC, die mit 200-mm-Bremsscheiben an Front und Heck ordentlich Stop-Power bringen. Diese sind zwar nicht mehr das neueste Modell, unterscheiden sich abgesehen von der Leitungsführung aber nicht von den neuen CODE Ultimate Stealth-Modellen.
Die elektronische SRAM GX Eagle Transmission-Schaltgruppe ist direkt an dem Rahmen montiert und bietet einfache Einstellung und zuverlässige Schaltvorgänge – auch unter Last. An unserem Testbike sind für die Laufräder die sehr breiten Ibis S35-Carbon-Felgen mit edler Industry Nine-Nabe verbaut. Am Serienmodell finden sich die hauseigenen Blackbird Send-Alu-Laufräder. In beiden Fällen sind sie aber von MAXXIS-Reifen in weicher MaxxGrip-Gummimischung geschützt: vorne ein ASSEGAI mit EXO+-Karkasse, hinten ein Minion DHR II mit robuster Doubledown-Karkasse.
Ibis HD6 GX AXS
8.898 €
Specifications
Fork FOX 38 Factory GRIP2 180 mm
Rear Shock FOX FLOAT X2 Factory 165 mm
Seatpost BikeYoke Revive 185 mm
Brakes SRAM CODE RSC 200/200 mm
Drivetrain SRAM GX Eagle Transmission 1x12
Stem Industry Nine A31 50 mm
Handlebar Ibis Hi Fi Bar Carbon 800 mm
Wheelset Ibis S35 Carbon, Industry 9 Hydra 29"/27,5"
Tires MAXXIS ASSEGAI, EXO+, MaxxGrip/MAXXIS Minion DHR II, Doubledown, MaxxGrip 2,5/2,4
Technical Data
Size 1 2 3 4 5
Weight 15,2 kg
Specific Features
Toolmount
Tuning-Tipps: keine
Die Geometrie des Ibis HD6 GX AXS 2024
Das Ibis HD6 ist in fünf Größen erhältlich, die der Hersteller pragmatisch 1 bis 5 benannt hat. Unser Testbike in Größe 3 hat mit gerade einmal 406 mm das kürzeste Sattelrohr bei einer durchschnittlich langen Reach von 480 mm. Schade nur, dass man das durch den kurzen Dropper nicht komplett nutzen kann. Auch wenn das HD6 den meisten Federweg in unserem Test hat, weicht es von der Geometrie kaum von den Durchschnittswerten ab. Nur die Kettenstreben sind mit 435 mm sehr kurz. Und das über alle Größen hinweg, denn sie wachsen nicht mit der Rahmengröße mit und gerade in den großen Größen kann die Balance dadurch beeinflusst werden.
Größe | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 |
---|---|---|---|---|---|
Reach | 430 mm | 454 mm | 480 mm | 508 mm | 541 mm |
Stack | 621 mm | 625 mm | 630 mm | 638 mm | 651 mm |
Kettenstrebe | 435 mm | 435 mm | 435 mm | 435 mm | 435 mm |
Tretlagerhöhe | 345 mm | 345 mm | 345 mm | 345 mm | 345 mm |
Sattelrohr | 400 mm | 400 mm | 406 mm | 450 mm | 470 mm |
Lenkwinkel | 64° | 64° | 64° | 64° | 64° |
Sitzwinkel | 76° | 76° | 76,5° | 77° | 77,5° |
Oberrohr | 585 mm | 610 mm | 630 mm | 655 mm | 685 mm |
Steuerrohr | 81 mm | 86 mm | 91 mm | 100 mm | 115 mm |
Radstand | 1202 mm | 1228 mm | 1256 mm | 1288 mm | 1328 mm |
Das Ibis HD6 GX AXS 2024 auf dem Trail
Tritt man die ersten Meter auf dem Ibis HD6, ist man erstmal überrascht, wie effizient es sich pedalieren lässt. Für ein so potentes Bike bleibt der DW-Link-Hinterbau ungewöhnlich straff und man kommt auch lange Climbs locker hoch. Dass der Dämpfer einen Climb Switch hat, könnt ihr direkt wieder vergessen, denn mit dem Ibis müsst ihr diesen in keinem Fall betätigen. Kombiniert mit einer entspannten Sitzposition, macht es das HD6 zu einem der besten Kletterern im Test. Nur das SCOTT Ransom kann da mit seiner TracLoc-Funktion mithalten.
Geht es bergab, gibt die hohe Front zusammen mit dem tiefen Heck direkt eine Menge Sicherheit. Man steht aber dennoch ziemlich kompakt und fühlt sich dabei saugeil zwischen den Rädern platziert und das Gewicht ist schön gleichmäßig zwischen Front und Heck verteilt. Zusammen mit dem superintuitiven Handling fühlt man sich ab der ersten Sekunde auf dem Ibis HD6 pudelwohl und kann es direkt richtig laufen lassen – egal, ob Anfänger oder Profi. Auf flowigen Trails bietet das Bike ein extrem wendiges Fahrverhalten und man fliegt förmlich von einem Anlieger in den nächsten. Das heißt aber nicht, dass das Bike auf rauen Trails überfordert ist – im Gegenteil. Je schneller und rougher der Trail, desto wohler fühlt sich das Bike. Denn trotz des agilen Handlings hat das Ibis eine Laufruhe, die kein Bike aus dem Testfeld überbieten kann. Man wird angespornt, von Lap zu Lap noch schneller in die Steinfelder und Kompressionen reinzuhalten. Und das Beste daran? Das Fahrwerk macht das alles mit, ohne mit der Wimper zu zucken. Es hat ein brutal sensibles Ansprechverhalten und bietet Grip in jeder Situation, auch auf den sandigen Felsen unserer Teststrecke in San Romolo. Trotzdem hat man genug Gegenhalt, um durch Pumpen Geschwindigkeit zu generieren und die Reserven des Hinterbaus sind scheinbar unendlich. Das alles macht das Ibis zu einer Macht auf dem Trail, die auf alles eine Antwort weiß.
Das Ibis HD6 ist eine Abfahrtsmaschine, die auf den Trails nicht aufzuhalten ist!
Für wen ist das Ibis HD6 GX AXS 2024?
Das Ibis sieht auf dem Papier vielleicht nach einer stumpfen Prügelmaschine aus, entpuppt sich aber als viel mehr. Es ist ein Bike für alle Skill-Levels, vom Einsteiger bis hin zum Profi, das mit seinem riesigen Einsatzgebiet für eine Vielzahl von Trails geeignet ist und dabei Grinse-Garantie mitbringt.
Das Fazit zum Ibis HD6 GX AXS
Mit dem Ibis HD6 GX AXS ist den Kaliforniern die perfekte Mischung aus Tradition und Moderne gelungen. Das Bike ist zwar nicht ganz billig und man muss auf ein Staufach im Unterrohr verzichten, startet man auf die Trails, kommt ihm allerdings kein anderes Bike hinterher. Es hat einerseits brutale Ballerqualitäten und massive Laufruhe, aber dennoch eine extrem hohe Agilität, die zusammen mit dem unglaublichen Fahrwerk nicht aufzuhalten ist. Als Bonus ist es auch eines der besten Bikes im Uphill. Testsieger!
Tops
- megastarker Alleskönner
- unglaublicher Mix aus Laufruhe und Agilität
- brutal geiles Fahrwerk
Flops
- kein Staufach
Mehr Infos Auf der Website von Ibis.
Das Testfeld
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Text: Simon Kohler Fotos: Peter Walker