Rocky Mountain ist ein Urgestein im Mountainbike-Business. Mit dem Altitude haben die Kanadier ihr komplett überarbeitetes Enduro-Bike mit 170/160 mm Federweg, tief liegendem Dämpfer und massenhaft Geometrie-Anpassungen in den Vergleichstest geschickt. Ist das das Erfolgsrezept zum Testsieg im großen Enduro-Test 2024?
Rocky Mountain blickt auf eine über 40-jährige Geschichte im Bike-Bereich zurück. Das neue Altitude beweist, dass das keinesfalls Stillstand bedeutet. Das Bike hat sich im Vergleich zu seinem Vorgänger stark verändert: Mit einem frischen Hinterbau-Design hebt es sich deutlich von der bisherigen Produktpalette ab. Der tief liegende Dämpfer sorgt für 160 mm Federweg am Heck und vorn stellt das Bike 170 mm bereit. Das 29”-Enduro bietet durch das umfangreiche RIDE-4-System zahlreiche Geometrieanpassungen und kann durch einen weiteren Flip Chip zudem zum Mullet konvertiert werden. Mit einem Gewicht von 16,5 kg übertrifft das Altitude den Test-Durchschnitt um 200 g und wechselt für stolze 8.400 € den Besitzer.
Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Enduro-Bike 2024 – Die 14 spannendsten Bikes im großen Vergleichstest
Das Rocky Mountain Altitude C70 2024 im Detail
Das Rocky Mountain Altitude C70 präsentiert sich auf den ersten Blick schlicht in Schwarz, ist aber durch den Sichtcarbon-Rahmen nicht unauffällig. Die Hinterbau-Kinematik setzt auf ein starres hinteres Rahmen-Dreieck, das mit zwei kurzen Links am Hauptrahmen befestigt ist. Das kombiniert einen virtuellen Drehpunkt mit tiefem Schwerpunkt und wird von Rocky Mountain LC2R (Low Centre Counter Rotating) genannt. So bleibt oberhalb des Dämpfers viel Platz am Unterrohr, was ein praktisches Rahmenstaufach ermöglicht. Der Metallverschluss des Staufachs ist robust und einfach zu bedienen; zum Diebstahlschutz kann darin ein AirTag verschraubt werden. Außen am Staufach-Deckel ist außerdem Platz für einen Flaschenhalter und am Oberrohr gibt es noch einen zusätzlichen Toolmount, sodass man bei Touren getrost auf einen Rucksack verzichten kann. Das ganze Pannenset fährt ja in oder am Rad mit. Die Zugverlegung am Rocky erfolgt nicht durch den Steuersatz, sondern verläuft seitlich hinter dem Steuerrohr in den Rahmen und an den Zugängen gut geklemmt durch Cable-Ports. Dennoch gibt es Klappergeräusche von den Leitungen im Tretlagerbereich. Ähnlich verhält es sich mit dem Kettenstrebenschutz, der zwar gut verarbeitet, aber Richtung Kettenblatt nicht umfassend genug ist, sodass auch hier ein Geräuschpegel entsteht. Schon nach einigen Laps hatte der Hinterbau deutliche Spuren von Kettenschlagen. Immerhin bietet der langgezogene Unterrohrschutz effektiven Schutz vor Steinschlag oder beim Shuttlen auf dem Pickup – ein Must-have in Kanada.
Die Ausstattung des Rocky Mountain Altitude C70 2024
Die Ausstattung am 8.400 € teuren Rocky Mountain ist sehr hochwertig und sinnvoll gewählt. Das Fahrwerk kommt aus dem Hause FOX: Eine 38 Factory-Federgabel mit 170 mm Federweg und Grip2-Dämpfungskartusche und am Heck ein DHX2-Stahlfederdämpfer der für 160 mm Federweg sorgt. Beide Federelemente sind umfangreich einstellbar, wobei der Stahlfeder-Wechsel am Heck nicht nur durch die Einbauposition aufwändig ist. Auch für den eigentlichen Federntausch ist Spezialwerkzeug notwendig – nervig. Für Bewegungsfreiheit im Downhill soll die Race Face Turbine R-Dropperpost mit 170 mm Hub sorgen. Bei fast 30 mm unterm Testdurchschnitt gelingt das nicht.
Geschaltet wird am Altitude zuverlässig mechanisch: Die Shimano XT-Schaltung wird um die Bremsen aus der gleichen Gruppe ergänzt. 200-mm-Bremsscheiben vorn und hinten sorgen für eine ordentliche Verzögerung. Die Alu-Laufräder Race Face AR 30 sind vorn mit MAXXIS ASSEGAI in weicher MaxxGrip-Gummimischung und EXO+-Karkasse bezogen. Hinten kommt ein MAXXIS Minion DHR II in der härteren MaxxTerra-Gummimischung und robuster Doubledown-Karkasse zum Einsatz. Klingt immer noch nach zu wenig Schutz für ein Enduro-Bike? Das hat sich zumindest Rocky Mountain gedacht und dem Altitude vorn und hinten serienmäßig CushCore Trail Tire Inserts spendiert. Top!
Rocky Mountain Altitude C70
8.400 €
Specifications
Fork FOX 38 Factory GRIP2 170 mm
Rear Shock FOX DHX2 Factory 160 mm
Seatpost Race Face Turbine R 170 mm
Brakes Shimano XT 200/200 mm
Drivetrain Shimano XT 1x12
Stem Rocky Mountain 40 mm
Handlebar Race Face Turbine Alu 780 mm
Wheelset Race Face AR 30 Alloy, DT Swiss 350 29"
Tires MAXXIS ASSEGAI, EXO+, MaxxGrip/MAXXIS Minion DHR II, Doubledown, MaxxTerra 2,5/2,4
Technical Data
Size S M L XL
Weight 16,5 kg
Specific Features
Staufach
Geometrie Anpassungen
Toolmount
Cushcore Trail vorne und hinten
Tuning-Tipps: zusätzlicher Schutz an der Kettenstrebe anbringen | Leitungen im Rahmen zusätzlich polstern und befestigen
Die Geometrie des Rocky Mountain Altitude C70 2024
Der Lenkwinkel von 63,8° am Rocky Mountain und der Sitzwinkel von 77,8° entsprechen ziemlich genau dem Vergleichstest-Durchschnitt und somit auch dem Enduro-Mainstream. Die Kettenstreben wachsen in drei Längen für die vier verschiedenen Rahmengrößen mit, so soll ein gleichbleibend ausgewogenes Fahrgefühl erzielt werden. Beginnend bei kurzen 427 mm für Größe S mit vollständiger 27,5”-Bereifung bis zu 450 mm in Größe L und XL. Medium-Bikes bekommen 440 mm Kettenstreben verpasst. Besonders bei Rocky Mountain ist das RIDE-4-System mit einem Flip Chip, der in vier Positionen eingestellt werden kann, was die Progression und Geometrie umfangreich anpasst. Im Test sind wir hauptsächlich die Position 4 (steep) gefahren. Wer das Bike als Mullet mit 27,5”-Hinterrad fahren will, muss noch den zweiten Flip Chip im hinteren Dämpferauge anpassen. Zusätzlich kann am Altitude über Steuersatzschalen der Reach von 483 um fünf mm verlängert oder verkürzt werden.
Wem die Geo des Rocky Mountain nicht passt, hat gleich sechs Drehschrauben im Flip Chip und den Steuersatzschalen.
Größe | S | M | L | XL |
---|---|---|---|---|
Reach | 433 mm | 458 mm | 483 mm | 513 mm |
Stack | 599 mm | 630 mm | 640 mm | 653 mm |
Kettenstrebe | 430 mm | 440 mm | 450 mm | 450 mm |
Tretlagerabsenkung | 13 mm | 27 mm | 27 mm | 27 mm |
Sattelrohr | 365 mm | 410 mm | 440 mm | 470 mm |
Lenkwinkel | 63,8° | 63,8° | 63,8° | 63,8° |
Sitzwinkel | 77,8° | 77,8° | 77,8° | 77,8° |
Oberrohr | 553 mm | 584 mm | 610 mm | 642 mm |
Steuerrohr | 100 mm | 105 mm | 115 mm | 130 mm |
Radstand | 1188 mm | 1242 mm | 1282 mm | 1319 mm |
Das Rocky Mountain Altitude C70 2024 auf dem Trail
Jede gute Abfahrt beginnt mit einer Bergauffahrt. Hier schlägt sich das Rocky Mountain wacker, denn die hohe Front sorgt für eine angenehm aufrechte Sitzposition. Der Twin-Link-Hinterbau mit dem sensiblen Coil-Dämpfer wippt jedoch etwas und das Gewicht von 16,5 kg sowie die Reifen mit Tire Inserts machen sich in einem zähen Antritt bemerkbar. Das Altitude tritt sich anstrengender bergauf als das Trek Slash – trotz High-Pivot-Hinterbau am Trek. Tagestouren sind zwar mit der Sitzposition gut vereinbar, aber eben nicht in Höchstgeschwindigkeit.
Bergab sorgt die hohe Front und der tief integrierte Stand am Rocky Mountain für Sicherheit, auch in steilsten Trailabschnitten. Selbst auf sehr steilen Abfahrten mit Steinstufen und großen Absätzen treten keine Überschlagsgefühle auf. Auf schnellen Passagen fühlt man sich mit dem Altitude immer etwas über den Dingen, während das traktionsstarke Fahrwerk dafür sorgt, dass man über raues Terrain gleitet, ohne aus der Bahn geworfen zu werden. Draufhalten? Erwünscht! Denn in Sachen Laufruhe teilt sich das Rocky Mountain mit dem Testsieger Ibis HD6 und dem E-Bike Orbea Wild die Bestnote. Einziger Wermutstropfen beim Vollgas-Hämmern ist der hohe Geräuschpegel von Kette und Leitungsklappern – das nervt. Schlängelt sich der Trail enger und so verblockt ins Tal, dass Draufhalten keine Option mehr ist, fehlt es dem Rocky Mountain Altitude an Agilität. Um enge Kurven zirkeln oder schnelle Richtungswechsel zu vollziehen, braucht man eine Menge Kraftaufwand. Hier kommt auch die hohe Front zum Tragen, die es schwer macht, das Altitude zuverlässig übers Vorderrad zu steuern und ausreichend Druck auf dem Lenker zu haben. So bleibt das Bike ein Kompromiss, der die Schere zwischen Laufruhe und Agilität nicht wirklich schließen kann.
Vollgasgeradeausfahrtsmonster – das Rocky Mountain Altitude überrollt unwegsame Trails mit einem Augenzwinkern.
Für wen ist das Rocky Mountain Altitude C70 2024?
Das Rocky Mountain spricht Markenfans an, die schon lange für die traditionsreiche Marke schwärmen und ausgeklügelte Details wie das Rahmenfach mit AirTag-Platz lieben. Der Fahrstil der potenziellen Zielgruppe? Gern Vollgas geradeaus und mit vollem Körpereinsatz. Das Altitude braucht – zumindest wenns eng und unübersichtlich wird – eine Menge Input, um so durch die Kurven zu gehen, wie man es sich wünscht. Erfahrene Mountainbiker können am Altitude auf jeden Fall viel mit den Geometrie- und Reach-Optionen sowie der Vorbau-Höhe spielen, um ihr perfektes Setup zu finden.
Das Fazit zum Rocky Mountain Altitude C70
Im Sinne einer geraden Bergabfahrt macht das Rocky Mountain Altitude seinem Namen alle Ehre – es kann sehr viel Höhe talwärts in kurzer Zeit überwinden. Sind die Trails eher eng und kurvenreich, verlangt das Bike viel Input vom Fahrer und geht nicht so intuitiv um die Ecke. Damit ist das Altitude ein Spezialist für hartes Gelände, besitzt aber nur wenig Allround-Eigenschaften. Dank der vielen Verstellmöglichkeiten lässt es sich aber gut auf den Trail und Fahrstil anpassen.
Tops
- sehr hohe Laufruhe
- hochwertiges Cover am Staufach mit AirTag-Option
- vielseitige Geometrie-Anpassungen möglich
Flops
- lautes Leitungsklappern
- nicht besonders agiles Bike
Mehr Infos findet ihr auf der Website von Rocky Mountain.
Das Testfeld
Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Enduro-Bike 2024 – Die 14 spannendsten Bikes im großen Vergleichstest
Alle Bikes im Test: Bold Unplugged Ultimate (Zum Test) | Canyon Strive CFR LTD (Zum Test) | GIANT Reign Advanced 1 V2 (Zum Test) | Ibis HD6 GX AXS (Zum Test) | Norco Sight C1 (Zum Test) | Orbea WILD M-LTD (Zum Test) | Propain Tyee 6 CF MIX (Zum Test) | RAAW Madonna V3 (Zum Test) | Rocky Mountain Altitude C70 (Zum Test) | Santa Cruz Megatower GX AXS RSV (Zum Test) | SCOTT Ransom 900 RC (Zum Test) | Trek Slash 9.8 XT (Zum Test) | Yeti SB160 T3 (Zum Test) | YT CAPRA CORE 4 (Zum Test)
Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als ENDURO-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, das die Mountainbike-Welt auch weiter ein kostenloses und unabhängiges Leitmedium hat. Jetzt Supporter werden!
Text: Julian Schwede Fotos: Peter Walker