BIKE TEST – Das Bergamont Big Air MGN
Enduro? Trailbike? Freeride-Light? Allmountain? Bike-Kategorien gibt es viele, dennoch sprießen immer wieder neue aus dem Boden und keiner weiß mehr so recht – um was geht es eigentlich? Ähnlich verhält es sich mit dem Big Air, das während seiner über zehnjährigen Existenz schon diversen Transformationen unterlaufen ist. Zuletzt 2011, wonach es nun mit diversen Raffinessen und Luftfahrwerk variabler denn je erscheint. Wir wollten’s wissen und entschieden uns einfach mal für das Top-Modell: „mehr geht nicht“ – MGN!
Erst mal stehen bleiben, warten und dann bestaunen: In Zeiten von „knallbunt“, „möglichst auffällig“ und hippen Farben wirkt der hydrogeformte, matt-schwarze Rahmen des Big Air erhaben, gar erwachsen. Erst auf den zweiten Blick erkennt man dann doch denzente Symbole und cooles Design. Aber es ist ja nicht so, dass wir diese Black Beauty nur auf ihr Äußeres reduzieren möchten – schließlich kommt es ja auch auf die inneren Werte an. Wir beginnen ganz im Herzen des Bikes: beim Fahrwerk. Das Hinterbausystem nennt sich CPS (Coax Pivot System), ein Mehrgelenker bei dem das hintere Schwingenlager konzentrisch um die Hinterradachse positioniert ist. Hierbei handelt es sich um ein bereits bekanntes System des Fahrwerksexperten Dave Weagle, das auch bei Trek unter dem Namen „Active Breaking Pivot“ erfolgreich zum Einsatz kommt. In Europa ist diese Technologie patentfrei und darf, beziehungsweise soll an den aktuellen Bergamont-Bikes die Antriebs- und vor allem Bremseinflüsse auf das Fahrwerk minimieren.
Bei der Ausstattung versprechen hochwertige und dennoch solide Komponenten Top-Performance und lang anhaltenden Fahrspaß: Die 180mm-FOX-Talas-36 lässt sich um 40mm absenken und wartet mit FIT-Dämpfungskartusche und Reboundeinstellung, sowie verstellbarer High- und Lowspeed-Compression auf.
Den Hinterbau dämpft der großvolumige RockShox Vivid Air R2C, der mit High- und Lowspeed-Rebound für beste Abfahrtsperformance sorgt – kickendes Hinterrad bei harten Schlägen im Downhill? Kein Problem!
Ein weiteres Highlight ist die Hammerschmidt-Kurbel, die dem Big Air eine unglaubliche Bodenfreiheit verleiht, gleichzeitig als Kettenführung fungiert und schnellste Gangwechsel auch unter Belastung erlaubt. Der virtuelle Drehpunkt des Hinterbaus ist genau auf die Hammerschmidt-Kurbel abgestimmt, um Antriebseinflüsse zu minimiert.
Die X0-Schalt- und Bremszentrale spricht für sich selbst. Für genügend Beinfreiheit in jeder Situation sorgt eine obligatorische RockShox Reverb Teleskopsattelstütze, die mit 125mm Hub und hydraulischer Fernbedienung einem den Wechsel zwischen Up- und Downhill-Passagen erheblich erleichtert.
Die hochwertigen DT-Swiss-Laufräder EX 1750 helfen in Kombination mit Schwalbes Fat-Albert-Reifen das Gesamtgewicht zu drücken – auf immer noch etwas schwere 15,9 kg.
Bergauf merkt man dem Big Air die Freeridegene an, sowohl was das Gewicht als auch die Tretposition angeht. Da benötigen längere oder steile Anstiege entsprechend Saft in den Beinen. Die Gabel kann zwar um 4 cm abgesenkt werden, dennoch sitzt man relativ weit hinter dem Tretlager und hat das Gefühl nach etwas vorne treten zu müssen. Der Vivid Dämpfer hat zwar kein Lockout oder Pro Pedal, aber das braucht es auch nicht: Beim gemütlichen Pedalieren bergauf bleibt der Hinterbau schön neutral – dem CPS-Hinterbau sei Dank!
Bergab kann das Big Air dann sein volles Potential entfalten. Mit dem satten Fahrwerk und 185mm Federweg am Heck bügelt es tadellos über ruppiges Gelände hinweg. Die freeridetypische Geometrie schafft einen guten Kompromiss zwischen Laufruhe in schnellen Passagen und guter Wendigkeit in engen Kurven. Für unseren Geschmack hätten die Kettenstreben allerdings noch einen Tick kürzer ausfallen können – für mehr Quirligkeit. Der breite Lenker und die kraftvollen Bremsen sorgen stets für das Gefühl alles unter Kontrolle zu haben. Spielend lässt sich das Bergamont auf dem Hinterrad durch Bodensenken surfen und aus Kurven heraus beschleunigen. Das Hinterbausystem verhindert effektiv Bremsstempeln des Hinterbaus und bleibt auch beim Anbremsen sehr sensibel. In der Luft fühlt man sich auf dem Big Air – der Name ist Programm – sofort wohl, es verleitet geradezu bei jedem Sprung zu stylen. Die Reifen bieten guten Grip und durch ihr großes Volumen auch genügend Durchschlagschutz um in ruppigen Steinpassagen Snakebites zu verhindern; An sich sind sie ein guter Kompromiss aus Grip und Rollwiderstand.
Sein Name ist genauso variabel wie es selbst: „Big Air“ – Von entspannten Touren bis Bikepark ist alles drin – bevorzugt natürlich berab, denn seine Freeridegene kann es nicht ganz verleugnen. Die Frage muss sich eher jeder selbst stellen woran er am meisten Spaß hat, wo der Fokus beim Biken liegt: Zügiges fahren? Entspanntes touren? Bikeparks? Freeriden? Wir stellten auf das ab, worum es eigentlich geht und was wir hatten: Spaß. Und zwar mehr als genug: ‚MGN‘ nennt man das in Hamburg.
Mehr Info: www.bergamont.de Text: Fabian Arzberger Foto: Fabian Rapp.
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