>> Die Erwartungen an die bis dato jüngste All-Mountain-Kreation der amerikanischen Kultschmiede sind hoch. Zu Recht, schließlich entlassen die Ingenieure das Bike erst nach zwei Jahren Entwicklungszeit in die Wildnis. Aufwändig und reizvoll inszenierte Imagevideos allein machen zwar große Lust auf mehr und versprechen Vieles; doch ist das SB-66 mit 152 mm-Heck-Federweg eine echte Do-it-all-Maschine, die jeglichen Fahrsituationen gewachsen ist? Wir suchten die Antwort inmitten des ligurischen Hinterlands.

Bereits auf den ersten Blick fällt auf: Das Yeti ist mit viel Liebe gemacht. Seien es die voluminösen Kantrohre an Hauptrahmen und Schwinge, die 142er-Heck-Steckachse oder die Postmount-Bremsaufnahme – der Look fällt unübersehbar markant aus, technisch fährt das Rad voll auf Höhe der Zeit. Kleines Manko: Mit rund 3,4 Kilo, Dämpfer inklusive, ist das exklusive Alu-Chassis definitiv kein Leichtgewicht.

Eigenwillig ist neben der Optik auch das neue Federungssystem „Switch“. Hierbei arbeitet der Hinterbau mit einer VPP-Kinematik, deren unteres Link an einem exzentrischen Drehpunkt gelagert ist. Das ermöglicht, dass sich die Lage des Hauptdrehpunktes beim Einfedern verändert. Dabei wandert der Hauptdrehpunkt am Anfang des Federwegs nach hinten, um einen optimalen Anti-Squat-Effekt zu erzielen, ergo für Antriebsneutralität zu sorgen. Nach etwa zwei Dritteln des Federwegs rotiert das exzentrische Mikro-Link wieder nach vorne, was der Längung der Kettenstrebe entgegenwirken und damit den Pedalrückschlag minimieren soll.

Ein Bike mit mehr als einer Facette. Allmountain, Enduro oder beides?

Auf dem Weg bergauf zur Abfahrt agiert die Federung nicht ganz so wippneutral, wie es die Theorie gern gehabt hätte. Das leichte Wippen stört allerdings nicht wirklich. Man nimmt es bereitwillig in Kauf, denn der Yeti-Hinterbau imponiert mit hervorragender Traktion. Zusammen mit der sehr sportlichen Sitzposition – langes Oberrohr, tiefe Front – und leichten Laufrädern/Reifen gibt das Yeti eine wahre Bergziege.

Im Downhill ist es dann leider nicht das hochalpine Monster, das man erwartet hätte. Dank flachem Lenkwinkel (66,5°) und langen 435er-Kettenstreben geht es sehr laufruhig bergab.

Umso bedauerlicher, dass das Handling in engen Kurven aufgrund der Kombination aus sehr langem Oberrohr (615 mm) und zu langem 70-mm-Vorbau etwas sperrig gerät.

Obendrein nagen die schmalen Nobby-Nic-Pneus in 2,25“-Breite im weniger griffigen Pacestar-Compound am eigentlich sehr hohen Abfahrtspotenzial. Allein mit potenteren Pneus würde das Yeti satter auf dem Trail liegen, mehr Sicherheit vermitteln. Allerdings sucht man im SB-66 vergeblich ein plushes Bike mit viel Reserven. Das Yeti verlangt viel mehr nach einer erfahrenen Hand, die es mit dem eher straffen, progressiven Hinterbau aktiv durch das Gelände führt und die volle Performance aus dem SB-66 heraus kitzelt.

Ein obligatorisches „must-have“ für ein Bike dieser Kategorie ist eine versenkbare Teleskop-Sattelstütze, die den Fahrspaß noch einmal erhöhen würde, zumal spezielle Zughalterungen für die Leitungsverlegung bereits vorhanden sind. So aber hieß es vor jedem Downhill: Spanner auf, Sattel runter, Spanner zu … Mühselig, zumal das Sitzrohr am Testbike schlecht ausgerieben und die Stütze schnell verkratzt war – schade!

Prinzipiell lautet das Yeti-Credo: viel Stil für viel Geld. Ein „gut und günstig“-Rad kann man hier kaum erwarten. Das stellt die Frage nach der Ausstattung: Ist sie gut genug, um in der Wildnis zu überleben? Tatsächlich fällt der Spec mit XT-Antrieb und -Bremsen, Thomson-Parts und Carbon-Lenker von Easton sehr hochwertig aus. Vor allem die goldenen Kashima-Federelemente aus dem Hause Fox (Float RP23, 32er Float 150 FIT RLC) stechen hervor und demonstrieren einerseits die enge Zusammenarbeit von Yeti und Fox, andererseits auch den löblichen Fokus auf einem Hightech-Fahrwerk, hinter dem die Ausstattung eben zurückstehen muss.

Fazit: Die kalifornische Kultschmiede geht nicht nur mit dem SB-66 sportliche Wege, sondern verlangt mit 6600 Euro einen deftig sportlichen Preis. Hier hätte man zumindest ein R hinter der XT-Ausstattung und mehr Kohlefaser erwarten können. Wer bei einem solch exklusiven Bike Individualität der Serienausstattung vorzieht, kann sich den Rahmen einzeln kaufen – wahlweise in Alu oder Carbon – und sich sein eigenes Unikat zusammen bauen. Das SB-66 kann nahezu alles, egal ob Enduro, Tour oder Allmountain.

Mehr Info: www.yeticycles.com Foto: Christoph Laue Text: Daniel Häberle


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Über den Autor

Robin Schmitt

Robin ist einer der zwei Verlagsgründer und Visionär mit Macher-Genen. Während er jetzt – im strammen Arbeitsalltag – jede freie Sekunde auf dem Bike genießt, war er früher bei Enduro-Rennen und ein paar Downhill-Weltcups erfolgreich auf Sekundenjagd. Nebenbei praktiziert er Kung-Fu und Zen-Meditation, spielt Cello oder mit seinem Hund (der eigentlich seiner Freundin gehört!), bereist fremde Länder und testet noch immer zahlreiche Bikes selbst. Progressive Ideen, neue Projekte und große Herausforderungen – Robin liebt es, Potenziale zu entdecken und Trends auf den Grund zu gehen.