Wenn es um Präzision geht, kennen sich die Schweizer aus. Der Beleg: Das neue Bold Cycles Linkin 135 2022. Die zweite Generation des Trail-Bikes mit vollständig integriertem Dämpfer und cleveren Details verspricht Innovation. Doch schicker Look beiseite: Wir waren für euch im italienischen Aosta und haben getestet, was das Bike hergibt.
Das Markenzeichen der Schweizer Firma Bold Cycles ist seit jeher der im Rahmen integrierte Dämpfer – auch bei der Neuauflage des Linkin verschwindet dieser wieder komplett unsichtbar im Inneren des Bikes. So versprechen sich die Schweizer einen möglichst niedrigen Schwerpunkt, eine optimale Steifigkeit des Rahmens und verbesserte Dämpfer-Performance. Zudem soll der integrierte Dämpfer vor Dreck, Wasser und Schäden bei Stürzen geschützt sein. Mit dem neuen Bold Cycles Linkin 2022 hat man die Wahl zwischen 135 mm oder 150 mm Federweg am Heck. Für die Front sind 140 mm oder 150 mm vorgesehen. Bold gibt jedoch auch die Verwendung einer Gabel mit 160 mm Federweg frei. Als Komplett-Bike gibt es diese Option jedoch noch nicht. Auf die gewohnte Konfigurator-Option verzichtet Bold beim neuen Linkin und bietet stattdessen vier unterschiedliche Komplett-Bikes an: angefangen beim 5.999 € teuren Linkin 135 Pro bis hin zum Linkin 150 Ultimate für satte 10.999 €.
Das Bold Cycles Linkin 2022 im Detail
Für das Jahr 2022 hat Bold Cycles das Linkin komplett überarbeitet. Die Umlenkung liegt – im Gegensatz zum Vorgänger – waagerecht im Unterrohr. Das Besondere: Über die Umlenkung des Dämpfers lassen sich entweder 135 mm oder 150 mm Federweg realisieren – und das mit demselben Dämpfer. Allerdings müsst ihr euch bereits beim Kauf des Komplett-Bikes für eine Federwegsoption entscheiden. Lediglich im Frameset sind beide Links enthalten.
Der großzügig dimensionierte Unterrohrschutz lässt sich ohne Werkzeug entfernen und legt so den Zugang zum Dämpfer frei. So lassen sich alle Einstellungen für das Setup des Dämpfers erledigen. Der außen angebrachte SAG- Indikator zeigt euch durch einen kleinen Magneten an, wie tief ihr im Federweg steht und welche Reserven ihr noch habt. Der Unterrohrschutz dient nicht nur als Zugang zum Dämpfer, sondern hält auch gleich ein mitgeliefertes Multitool sicher im Rahmen, welches mit den meisten Werkzeugen für euren Tagestrip kommt (3er- bis 5er Inbus, T25, T30, Schlitz-Schraubendreher und Kettennieter). Zusätzlich findet ihr am Hebel der Hinterradachse einen 6er-Inbus und weitere Torx 25 und T30. Außerdem versteckt sich zusätzlich zum Dämpfer noch das „Save the Day“- Kit im Unterrohr, welches bereits beim Kauf dabei ist. Über eine Lasche lässt es sich aus dem Rahmen ziehen: Pumpe, Schlauch, Kettenschloss und Reifenheber finden hier ihren Platz. Alles, um euren Tag zu retten ;)
Am Lenker befinden sich neben der Bedienung der Syncros Duncan 1.5-Sattelstütze zwei weitere Hebel für das hauseigene TracLoc-System. Hiermit wird der spezielle Fox FLOAT Nude T-Dämpfer gesteuert, die Gabel bleibt davon unberührt und ist immer offen. Neben der offenen Position habt ihr die Wahl zwischen Traction Mode und einem kompletten Lockout. Im Traction Mode wird nicht einfach nur die Dämpfung zugedreht, wie bei anderen Federbeinen, sondern auch die Luftkammer verkleinert. Dadurch reduziert sich der Federweg, ihr steht höher im Dämpfer und habt ein effizienteres Kletterverhalten und ordentlicher Traktion bergauf.
Sämtliche Kabel vom Cockpit zum Hinterbau werden durch den Acros-Steuersatz in den Rahmen geführt und verlaufen dort klapperfrei bis kurz vors Tretlager. So kommt das schicke Linkin Trail ganz ohne Cableports an der Front aus. Durch die hauseigene Kettenführung, die am Bike integriert ist, können die Schweizer auf einen ISCG-Mount verzichten. Das hat aber zur Folge, dass ihr im Falle eines Defekts nur die originale Kettenführung montieren könnt und das Nachrüsten eines Bashguards unmöglich macht.
Durch die tiefe Einbauposition des Dämpfers und die kompakte Kinematik bietet das Linkin viel Platz für große Trinkflaschen – und das selbst bei Größe S. Die platzsparende Dämpferanlenkung hat bei unserem Test aber auch eine Schwäche gezeigt: Nach einigen Fahrten entwickelte sich sowohl etwas vertikales wie auch horizontales Spiel am Hinterbau. Bold hat uns aber versichert, dass das Problem für die Serie bereits behoben wurde.
Die Modelle des neuen Bold Cycles Linkin 2022
Beim neuen Bold Linkin könnt ihr bei jeder Federwegsoption zwischen zwei Modellen wählen. An allen Ultimate-Modellen kommt das schicke, einteilige Syncros Hixon iC Carbon-Cockpit zum Einsatz. Dieses lässt sich nicht im Neigungswinkel oder der Vorbaulänge anpassen. Zusätzlich besitzen beide Modelle eine elektronische AXS-Schaltgruppe: eine reine XX1 12-fach-Schaltung bei den Varianten mit 150 mm Federweg und eine Mischung aus X01-Schaltwerk und GX-Trigger, Kassette und Kette bei dem Modell mit 135 mm. Die etwas günstigeren Pro-Modelle sind entweder mit einem kompletten Shimano XT 12-fach-Antrieb und XT Vierkolbenbremsen (Linkin 150 Pro) oder einem SRAM GX Eagle Antrieb und Shimano SLX Vierkolbenbremsen ausgestattet.
Sämtliche Modelle sowie das Frameset kommen mit Syncros Duncan-Sattelstütze (170 mm Hub bei Größen S und M, 200 mm Hub bei L und XL), TracLoc-System und „Save the Day“- Kit. Schade: Die Bremsscheiben werden bei den Komplett-Bikes mit 200 mm Durchmesser vorne und 180 mm hinten gespect. Das sorgt zumindest an der Hinterradbremse für eine ordentliche Hitzeentwicklung und frühzeitigem Armpump. Zusätzlich kommen an allen vier Ausstattungsvarianten Reifen von MAXXIS in der pannenanfälligen EXO-Karkasse zum Einsatz. Hier sollte auf Kosten von Grip und Dämpfung ein höherer Reifendruck gefahren werden, um Platten und Schäden an den Felgen zu vermeiden.
Unser Custom Bold Linkin 135 2022 Test-Bike
Unser Test-Bike in Größe L wird von Bold Cycles so nicht zum Kauf angeboten, sondern war ein Custom-Aufbau, der jedoch an die Ultimate-Modelle angelehnt ist. So konnten wir das Bold Cycles Linkin 135 mit einer 150 mm FOX 36 Factory-Gabel und GRIP2-Dämpfungskartusche fahren – Ausstattungen, wie ihr sie an den Ultimate-Modellen findet. Auch die XTR-Vierkolbenbremse findet sich in der Ausstattungsliste der Ultimate-Variante wieder.
Unpassend für das Potenzial des Linkin 135 war die Wahl der Reifen und Laufrad-Kombination. Denn die leichten Syncros Revelstoke 1.0 Carbon-Laufräder wurden mit MAXXIS DISSECTOR 2,6”-Reifen in der pannenanfälligen EXO-Karkasse an Front und Heck kombiniert. Wer nicht – wie wir – auf der ersten Abfahrt zwei Platten und eine defekte Carbon-Felge haben möchte, sollte zu einer robusteren Karkasse wechseln. Für die weiteren Runden wechselten wir auf MAXXIS-Reifen mit robuster Downhill-Karkasse. Das ermöglicht einen geringeren Reifendruck, sprich mehr Grip und mehr Dämpfung, ist aber eine extreme Reifenkombination für das Linkin. Die MAXXIS Doubledown-Karkassse bietet den sinnvollsten Kompromiss aus Gewicht und Pannenschutz für dieses Bike. Mehr Infos über alle Karkassen und deren Vor- sowie Nachteile findet ihr in unserem großen Reifen Vergleichstest.
Die Geometrie des Bold Cycles Linkin 2022
Bold Cycles bietet mit dem Linkin für 2022 vier verschiedene Rahmengrößen an. So sollen Körpergrößen von 155 bis 194 cm abgedeckt werden, dabei überlappen die Werte zwischen den einzelnen Größen um einige Zentimeter. Denn dank der super kurzen Sitzrohre hat man z. B. mit 177 cm Körpergröße die Wahl zwischen Rahmengröße M und L und kann sich so nach seinem Fahrstil entscheiden: Wer kürzer und eher wendig mag, wählt Medium, wer es länger und laufruhiger möchte, entscheidet sich für Large. Die Reach-Werte springen von Größe S auf M um 35 mm, während der Zuwachs von M bis XL jeweils 30 mm beträgt. Unser Test-Bike in Größe L besitzt einen verhältnismäßig langen Reach von 490 mm und einen Stack von 631 mm. In Kombination mit einem tiefen Tretlager wird man flach auf dem Bike positioniert, was eine aggressive Fahrhaltung ermöglicht. Gemessen am relativ langen Reach sorgen die durchgängig für alle Bike-Größen 434 mm langen Kettenstreben für ein ausgeglichenes Fahrverhalten. Nice: Durch die tiefe Position des Dämpfers kann das angenehm steile Sitzrohr mit 425 mm recht kurz ausfallen. So erhält man viel Bewegungsspielraum auf dem Bike und – abgesehen vom Sitzrohrdurchmesser – freie Wahl, was den maximalen Hub der Sattelstütze angeht. In Größe M lässt sich eine 200-mm-Sattelstütze vollständig versenken. Der Rahmen selbst bietet zusätzlich noch die Möglichkeit, durch einen Flip-Chip in der Sitzstrebe sowie durch das Drehen der Schalen im Steuersatz den Lenkwinkel um 1° zu verstellen und das Tretlager in der Höhe um 6,8 mm zu verändern.
Größe | S – 135 | M – 135 | L – 135 | XL – 135 |
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Oberrohr | 546 mm | 595 mm | 628 mm | 661 mm |
Sattelrohr | 365 mm | 395 mm | 425 mm | 455 mm |
Steuerrohr | 90 mm | 105 mm | 120 mm | 135 mm | Lenkwinkel | 64,4/65,8° | 64,4/65,8° | 64,4/65,8° | 64,4/65,8° |
Sitzwinkel | 78,7° | 77,7° | 77,7° | 77,7° |
Kettenstrebe | 434 mm | 434 mm | 434 mm | 434 mm |
Tretlagerabsenkung | 41/31 mm | 41/31 mm | 41/31 mm | 41/31 mm |
Radstand | 1.171 mm | 1.213 mm | 1.249 mm | 1.286 mm |
Reach | 425 mm | 460 mm | 490 mm | 520 mm |
Stack | 602 mm | 616 mm | 629 mm | 642 mm |
Größe | S – 150 | M – 150 | L – 150 | XL – 150 |
---|---|---|---|---|
Oberrohr | 547 mm | 596 mm | 629 mm | 662 mm |
Sattelrohr | 365 mm | 395 mm | 425 mm | 455 mm |
Steuerrohr | 90 mm | 105 mm | 120 mm | 135 mm | Lenkwinkel | 64,2/65,6° | 64,2/65,6° | 64,2/65,6° | 64,2/65,6° |
Sitzwinkel | 78,4° | 77,4° | 77,4° | 77,4° |
Kettenstrebe | 434 mm | 434 mm | 434 mm | 434 mm |
Tretlagerabsenkung | 35/27 mm | 35/27 mm | 35/27 mm | 35/27 mm |
Radstand | 1.175 mm | 1.216 mm | 1.253 mm | 1.289 mm |
Reach | 425 mm | 460 mm | 490 mm | 520 mm |
Stack | 604 mm | 617 mm | 631 mm | 644 mm |
So verhält sich das Custom Bold Linkin 135 2022 auf dem Trail
Wir konnten das Bold Cycles Linkin 135 beim Press-Camp im schönen italienischen Aostatal bereits für euch auf alpinen Trails und flowigen Abfahrten testen. Nimmt man auf dem Bike Platz, wird man durch den steilen Sitzwinkel angenehm aufrecht positioniert und kann so auch längere Abenteuer ohne Rückenschmerzen in Angriff nehmen. Durch das leichte Gewicht und den relativ antriebsneutralen Hinterbau fährt man auch gerne längere Climbs auf die nächste Bergspitze. Wer tiefe Tretlager nicht gewöhnt ist, der wird den ein oder anderen Stein mit dem Pedal mitnehmen, was aber mit etwas Aufmerksamkeit schnell kein Problem mehr darstellt. Der Hinterbau erzeugt ordentlich Traktion am Hinterrad und die Front bleibt bei moderaten Climbs am Boden. Erst wenn es richtig steil wird, muss man sich etwas nach vorne lehnen, um ausreichend Grip am Vorderrad zu erhalten. Genau hier nimmt man die Funktion Traction Mode des TracLoc-Systems gerne in Anspruch, denn so steht das Rad spürbar höher im Federweg, erleichtert das Klettern und gibt mehr Bodenfreiheit beim Pedalieren. Den Lock-out des Dämpfers nutzten wir ausschließlich auf der Asphaltstraße – und auch nur im Vollsprint-Duell bis zum nächsten Schild.
Ändert der Trail seine Richtung nach unten, spielt das Linkin 135 seine Stärken aus. Denn das Bike vermittelt bereits nach wenigen Metern ein hohes Sicherheitsempfinden. Der lange Reach von 490 mm in Größe L und die tiefe Körperposition durch ein niedriges Tretlager erzeugen Vertrauen ins Rad, sodass man die Laufruhe ausnutzt und bereitwillig die Bremse offen lässt.
Der straffe Hinterbau gibt viel Feedback über den Untergrund. Erst bei harten Fahrmanövern über große Brocken und stumpfen Landungen holen einen die 135 mm Federweg auf den Boden der Tatsachen zurück und man spürt das Ende des Federwegs. Hier kann aber mithilfe von Volumenspacern im Dämpfer Abhilfe geschaffen werden. Spätestens am Federwegsende rächen sich dann auch die pannenanfälligen Karkassen der Reifen und man spürt den Durchschlag unsanft auf der Felge.
Der Mix aus flachem Lenkwinkel, tiefem Schwerpunkt und ausgewogener Balance sorgt dafür, dass sich das Bike schnell und intuitiv mit viel Grip in Kurven legen lässt. Hierbei ist man als Pilot doch mal schneller als der Kurvenradius zulässt und man findet sich im Two Wheel-Drift mit Notbremse wieder. Was sich bei Highspeed auszahlt, zollt jedoch in engen Spitzkehren seinen Tribut: Mit der progressiven Geometrie und dem langen Radstand muss man hier mehr arbeiten. Enge Kurven lassen sich jedoch mit vorausschauendem Fahren und einer etwas weiteren Linienwahl ebenfalls flott meistern.
Wer einen verspielteren Fahrstil hat und gerne an Features abzieht, der muss an Bord des Bold Cycles Linkin 135 arbeiten. Denn durch die flache Front und den langen Reach erfordert es Körpereinsatz und saubere Technik, um das Vorderrad für den Bunnyhop oder Manual in die Luft zu ziehen. Dafür liegt das Bike dann satt in der Luft.
Fazit zum Bold Cycles Linkin 135
Das Bold Cycles Linkin 135 ist eine gute Wahl für die Jagd nach der Bestzeit. Aktive Fahrer profitieren von der Geometrie, kommen jedoch mit dem geringen Federweg am Heck auch an ihr Limit. Dennoch sorgt die gute Laufruhe und Hinterbau-Performance für ordentlich Spaß. Das innovative Design lässt sich sehen und die clevere Integration von Tools und Stauraum sind sehr gelungen. Allerdings ist die Ausstattung für das Potenzial des Linkin nicht perfekt.
Tops
- innovatives Design
- traktionsstarker Hinterbau
- viel Bewegungsspielraum durch niedriges Sitzrohr
- Integration von Tools und Dämpfer
Flops
- pannenanfällige Reifen
- 180-mm-Bremsscheibe hinten
Mehr Infos findet ihr unter boldcycles.com
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Text: Timo Walter Fotos: Peter Walker, Daniel Geiger