Dauertest-Review #02: Die Pinion P1.18 im Alutech Fanes
In diesem zweiten Teil der Dauertest-Reviews zum Alutech Fanes Enduro 3.0 Pinion widmen wir uns dem sprichwörtlichen Herzstück des Bikes: Dem Pinion Antrieb mit 18 Gängen. Bike und Getriebe wurden in den letzten fünf Monaten wahrlich nicht geschont: zahlreiche Rennen, knackige Touren und dutzende Bikepark-Besuche füllen das Logbuch des Fanes. Ob die “made in Germany” Getriebebox auch unter diesen extremen Bedingungen alle Versprechen des Herstellers halten konnte, erfahrt ihr hier!
Hauptziel bei der Entwicklung der Pinion war, eine Schaltungslösung zu finden, die herkömmlichen Ketten- oder Nabenschaltungen in Sachen Störanfälligkeit, Wartungsaufwand, Massenverteilung und Wirkungsgrad überlegen ist. Das Ergebnis wirkt zunächst unscheinbar: Ein Drehgriff am Lenker, ein einzelnes Ritzel am Hinterrad und – tief und zentral im Bike gelegen – eine schwarz eloxierte Alu-Box mit Führungsröllchen, daran Kurbeln und ein recht kleines Kettenblatt – that’s all! Schaltwerk, Trigger, Umwerfer, Kettenführung – all diese defektanfälligen Teile fallen weg.
Erst ein Blick ins Innere der Box offenbart die Ingenieurskunst, die in der Pinion steckt: Ein äußerst kompakt gehaltenes, zweistufiges Stirnradgetriebe läuft dort in einem Ölbad und liefert, gleichmäßig über 18 Gänge verteilt, eine Übersetzungsbandbreite von 636 Prozent – und damit mehr als jedes andere Schaltsystem auf dem Markt. (Zum Vergleich: 2×10-Setup: ~491 Prozent, 1×11-Setup: ~420 Prozent)
Ein weiterer Vorteil gegenüber konventionellen Schaltungen: Mit der Pinion P1.18 kann in fast jeder Situation geschaltet werden – ganz egal ob im Stand oder unter Last, ganz gleich ob man sich gerade durch Morast wühlt oder über ruppige Wurzelfelder ballert, völlig Schnuppe ob ein einzelner oder gleich fünf Gänge geschaltet werden. Lediglich beim Wechsel zwischen Gang sechs und sieben, sowie 12 und 13 muss die Last kurz zurückgenommen werden, da hier zwischen den Getriebestufen gewechselt wird.
Dass eine Box voller Zahnräder und Öl nicht ganz leicht ist, dürfte klar sein. Insgesamt wiegt der Pinion-Antrieb ca. 3,5kg – ist damit also rund 1,5kg schwerer als eine 2-fach Kettenschaltung auf SRAM X.0 Niveau.
Lohnen sich Mehrgewicht und Aufpreis für das wartungsarme System? Wie schlägt sich die Pinion P1.18 bei Enduro-Rennen? Genug der Technik, Zeit für die Praxiseindrücke vom Trail!
Zunächst zurück zum Gewicht: Anderthalb Kilo mehr sind gewiss kein Pappenstiel, wird an High-End Bikes doch um jedes Gramm gekämpft. Bergauf fordert das 16,5 kg schwere Fanes sicherlich mehr Körner als ein leichteres Bike, auf welligen Trails und beim Abziehen an Sprüngen wird dem Fahrer ebenfalls mehr Kraft abverlangt.
Folgt der Trail der Schwerkraft, kann das Fanes Enduro Pinion jedoch trotz des hohen Gewichts mit superbem Handling glänzen – dem tiefen, zentralen Schwerpunkt sei dank! Satt klebt der schluckfreudige Hinterbau auf ruppigsten Trails, selbst auf kleinste Unebenheiten reagiert das Fahrwerk feinfühlig. Dies ist nicht zuletzt der durch die Pinion geänderten Gewichtsverteilung geschuldet. Der Laie staunt, der Physiker weiß: Durch Wegfall von Kassette und Schaltwerk ist die ungefederte Masse verringert, der Hinterbau wird deutlich sensibler.
Dass die tiefe Position der Pinion nicht nur Vorteile hat, erfuhren wir während einer Alpentour bei Füssen: Ein vom Vorderrad hochgeschleuderter Stein schlug eine fünf Millimeter tiefe Delle in das Bodenblech der P1.18 – das Getriebe funktionierte weiterhin einwandfrei, durch die Verformung im Bereich der Dichtung tritt seitdem jedoch Öl aus. Laut Pinion mittelfristig kein Problem, langfristig sollte das lädierte Bodenblech allerdings getauscht werden.
Für den Kettenspanner an der Pinion sind zwei verschiedene Federstärken erhältlich. Zunächst wurde das Rad mit der schwächeren Feder ausgeliefert. Diese schaffte es nicht immer, die Kette auf dem Kettenblatt zu halten und brach schließlich bei einem Bikeparkbesuch. Die daraufhin nachgerüstete, stärkere Feder funktioniert seitdem hervorragend, nicht ein einziges Mal sprang die Kette vom Kettenblatt, egal wie widrig die Bedingungen waren – so sorgenfrei kann ein Antrieb sein!
Für kurzzeitig mehr Sorgen zeichneten sich zum Ende der Saison die Kurbelarme der Pinion verantwortlich: Nach einem Bikepark-Tag stellten wir an beiden Kurbeln Spiel fest – die Klemmschrauben an der Tretachse waren ausgerissen. Zum Glück war der Race-Support von Pinion am nächsten Tag beim 3-Länder-Enduro vor Ort. Die Kurbeln wurden gegen eine neue Version mit optimierter Klemmung getauscht, die inzwischen standardmäßig verbaut wird. Gefahr, die Kurbel ganz zu verlieren, bestand zu keinem Zeitpunkt.
Der Drehgriff, mit dem die Pinion geschaltet wird, erfordert am Anfang Eingewöhnung – beste Freunde sind wir aber auch nach fünf Monaten nicht geworden. Zwar gefällt das eindeutige Feedback zum Gangwechsel, doch stören die weiten Drehwege, die für das Wechseln eines Ganges nötig sind. Um fast 20 Grad muss der Griff für jeden Gangwechsel gedreht werden – und durch die feine Abstufung der Gänge (11,5 Prozent) will man häufig gleich mehrere Gänge schalten, muss also noch weiter drehen.
Während das “Gedrehe” auf bekannten Trails und ohne Zeitdruck nur bedingt störte, erwies es sich auf Endurorennen als Nachteil. Gerade leicht wellige Trails über ruppige Böden, die gleichfalls Bremseinsatz und Gangwechsel erfordern, gehören zu den natürlichen Feinden des Pinion-Drehgriffs.
An der Schaltperformance selbst gab es zu keinem Zeitpunkt etwas zu beanstanden: Die Gangwechsel erfolgen stets definiert und zuverlässig. Auch der subjektiv wahrgenommene Wirkungsgrad blieb nicht hinter den Erwartungen zurück, nie kam das Gefühl auf, das Getriebe würde Tretenergie schlucken.
Fazit
Die fein abgestuften Gänge der Pinion sind wahrgewordener Traum eines jeden Reiseradlers, für den Enduro-Einsatz wäre jedoch weniger mehr: Ein leichteres Getriebe mit deutlich weniger Gängen bei gleicher Bandbreite könnte den konventionellen Schaltungen auch im Rennbereich das Wasser abgraben! Doch auch in der aktuellen Version ist die Pinion P1.18 allen zu empfehlen, denen ein wartungsarmes System mit optimaler Gewichtsverteilung wichtiger ist, als geringes Gewicht und renntauglicher Usability. Auch wenn sich im Verlauf des Dauertests einige Kinderkrankheiten offenbarten, ist das System zukunftsweisend – zumal Pinion das Produkt stetig weiterentwickelt und verbessert. Das waren auch mit die Gründe, weshalb das Alutech Fanes 3.0 Pinion den Design & Innovation Award 2013 by Enduro Mountainbike Magazine gewann. Wir sind gespannt was noch kommt und freuen uns bis dahin auf weitere Trailkilometer mit dem Alutech Fanes Enduro 3.0 Pinion!
Hier gehts zum Dauertest-Review #01
Text: Aaron Steinke | Fotos: Axel Brunst/ Tobias Döring
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