Wer mein Specialized Stumpjumper EVO zum ersten Mal sieht, wird unbeeindruckt sein. Es sieht zwar sehr gut aus, ist aber durch das schlichte Branding eher diskret. Schaut man sich das Bike allerdings genauer an, bemerkt man viele kleine Details, die verraten, dass es sich hier nicht um ein Serien-Bike handelt.

Hier findet ihr den Überblick über die Custom-Bikes der ENDURO-Redakteure.

Trev’s Specialized Stumpjumper EVO

Du bist gerade mit dem Auto unterwegs und plötzlich blenden von Weitem zwei Scheinwerfer im Rückspiegel. Das Auto nähert sich langsam und du merkst, dass es nur ein alter, heruntergekommener Kombi ist. Wo kommt der denn her? Die Straße öffnet sich und du trittst das Gaspedal fast durch den Boden. Aber der Kombi sitzt dir immer noch am Hintern. „Brrrraaaaap!“ Die alte Kiste überholt dich, als ob du stillstehen würdest. Flammen schießen laut aus dem Auspuff und hinterlassen eine dunkle Spur aus verbranntem Sprit. Nie im Leben war das ein 1,6-Liter-Diesel! Gratuliere, du bist gerade einem Sleeper begegnet. Und genauso ‘ne Kiste habe ich mir jetzt gebaut – nur mit zwei Rädern. Um genau zu sein, ein Specialized Stumpjumper in meiner ganz eigenen Sleeper-Version.

Ein Trail-Bike mit großen Ambitionen – warum gerade ein Specialized Stumpjumper EVO?

Um ehrlich zu sein, fiel mir die Rahmenwahl ziemlich leicht. Wenn es um verrückte Trail-Bikes geht, gibt es kaum ein Rad, das bewährter wäre als ein Specialized Stumpjumper 29 EVO S3. Seht euch einfach mal die Zahlen an: Während ein 475-mm-Reach nichts Besonderes ist, lassen die 47 mm Tretlagerabsenkung, der 63,5°-Lenkwinkel und die 1.252 mm Radstand einen direkt den Kaffee ausspucken! Diese Eckdaten sind für ein 140-mm-Trail-Bike total bekloppt und dadurch absolut perfekt, um die steilsten Trails in Angriff zu nehmen. Schaut man jedoch genauer hin, merkt man, dass an meinem Specialized Stumpjumper EVO alles auf maximale Performance abgestimmt wurde. Während die Bremsen ganz normale SRAM CODE R sind, ist die vordere Bremsscheibe ein Monster. Die 2 mm dicke 223-mm-Bremsscheibe von GALFER zittert zwischen meinen Trickstuff Power+ Lieblingsbelägen vor Angst – die Kombo löst eine unfassbare Bremskraft aus und ist selbst auf den steilsten Trails nicht aus der Ruhe zu bringen. Wenn man da nicht aufpasst, kommt man so schnell zum Stillstand, dass einem die Milz durch die Nase fliegt. In der Hinterradbremse sitzen semi-metallische GALFER G1652-Beläge, die für schwerere E-MTBs entwickelt wurden und mir maximale Hitzebeständigkeit bzw. extra Sicherheit bei langen und technischen Abfahrten garantieren.

Federgabel Fox 36 Rythm mit Grip 2 Upgrade 150 mm
Dämpfer Fox Float DPX2 mit Spacertuning 140 mm
Bremsen SRAM CODE R, Galfer 223/203 mm
Antrieb SRAM NX Eagle
Sattelstütze Bikeyoke Revive 180 mm
Vorbau ONEUP Components EDC Stem 35 mm
Lenker Spank Spike 35 Vibrocore 820 mm
Laufräder Spank Tuned 359/350, Cushcore Inserts
Reifen Maxxis Minion DHF 2,5″ / DHR II 2,4″

Grip 2.0
Die GRIP-Kartusche des Basismodells FOX Rhythm 36 wurde zu einer GRIP2 aufgerüstet. Das verbessert die Dämpfung drastisch und sieht dazu noch sehr diskret aus. Ich vermisse jedoch die EVOL-Kartusche der 36 Factory.
Bleib in Kontakt
Nachdem ich praktisch alle Reifen, die man kaufen kann, ausprobiert habe, ist meine Lieblingsreifenkombo für alle Bedingungen immer noch vorne ein MAXXIS Minion DHF 29 x 2,5″ WT 3C EXO und hinten ein MAXXIS Minion DHRII 29 x 2,4″ WT EXO. Eine top Kombination!
Frisbee
Die 223-mm-Bremsscheibe von GALFER am Vorderrad ist zwar schwer, aber mit ihren 2 mm Dicke selbst auf den steilsten Trails unglaublich hitzestabil.
Nicht nur Voodoo
Die Half-Waffle Pro RevGrips-Griffe funktionieren wirklich gut. Sie haben 31 mm Durchmesser mit einstellbarer Federung von fest bis soft.
Sanft wie Seide
Das SPANK Vibrocore-Material ist nicht nur ein Hype, es funktioniert wirklich. Sowohl der Lenker als auch die Räder fühlen sich extra gedämpft an und reduzieren Vibrationen. Und preislich sind sie auch erschwinglich!
Immer bereit
Ein OneUp-Tool versteckt sich im Inneren des OneUp-Vorbaus und bietet alle Werkzeuge, die man auf dem Trail so braucht.
Pimp my Ride
Mit dem speziell abgestimmten Dämpfer konnte ich – dank des besseren Mid-Stroke-Support– mehr Geschwindigkeit generieren.
Revival
Sollte sich die BikeYoke Revive 180-mm-Sattelstütze mal schwammig anfühlen, kann man sie mit dem integrierten Ventil schnell resetten. Und dazu ist sie auch noch der geschmeidigste Sütze auf dem Markt.
Ein instabiles Bike stabil machen
In meinem Hinterreifen versteckt sich immer ein CushCore-Einsatz. Er bietet nicht nur Pannenschutz, sondern verleiht dem Reifen extra Stabilität, auch bei niedrigem Luftdruck.

Obwohl man beim ersten Anblick annehmen würde, dass das Fahrwerk komplett original ist, wurde es ebenfalls überarbeitet. In seiner serienmäßigen Konfiguration ist der FOX DPX2-Dämpfer bei großen Schlägen schnell überfordert und gab den Federweg zu schnell frei. Um das zu korrigieren, habe ich den Volumen-Spacer gegen einen größeren ausgetauscht, wodurch das Heck in der Mitte und am Ende des Federwegs mehr Support bietet. Um die Empfindlichkeit bei kleineren Schlägen zu optimieren, habe ich auch einen Volumen-Spacer aus der Negativkammer entfernt. Allerdings wird auf den ersten Blick klar, wo die wesentlichen Änderungen stecken. Die funktionelle, aber etwas unattraktive FOX Rhythm 36-Federgabel, die serienmäßig an dem Bike verbaut ist, wurde vom FOX-Service-Center komplett überarbeitet, wobei die solide GRIP-Dämpfung durch die nochmals bessere GRIP2-Version ersetzt wurde. Mit voller Kontrolle über Zug- und Druckstufen und mit einer effektiveren Dämpfung klebt das Vorderrad jetzt richtig am Trail.

Vermutlich werden sich nun einige von euch fragen, ob es nicht einfacher gewesen wäre, die Rhythm-Gabel gegen eine FOX Factory 36 auszutauschen, um von den vielen Vorteilen der EVOL-Luftkammer zu profitieren. Klar, aber dann würde die glitzernde Kashima-Beschichtung den Sleeper-Look total ruinieren.

Weniger Vibrationen für maximalen Grip

Grip steht für mich an erster Stelle: Eine meiner Prioritäten ist ein direktes aber nicht zu steifes Gefühl beim Fahren, um den Untergrund durch die Kontaktpunkte zwar gut lesen zu können – ohne dass ich am Ende einer technischen Abfahrt völlig erschöpft bin. Vibrationen ermüden, besonders wenn man lange Zeit auf meinen Hometrails im Tweed Valley verbringt. Deshalb ist es für mich ausschlaggebend, eine gute Balance zwischen Dämpfung und Komfort zu finden – steife Carbon-Laufräder werdet ihr an meinem Rad auf keinen Fall finden! Der SPANK SPIKE 35-Lenker war auch eine leichte Entscheidung: dünnwandiges Aluminium mit schwingungsdämpfendem Vibrocore-Innenleben. Den Lenker habe ich mit teuren, aber höchst effizienten RevGrips Race-Griffen kombiniert, die für zusätzliche „Federung“ sorgen. Vibrocore-Schaumstoff findet man auch in den SPANK SPIKE-Laufrädern, die mit einer Innenbreite von 30 mm die perfekte Ergänzung zu den ultimativen Enduro-Reifen sind: MAXXIS Minion DHF WT und DHRII WT. Apropos „versteckte Technologien“: Im neuen OneUp-Vorbau verbirgt sich das intelligente EDC-Multitool, das alles bietet, was man auf dem Trail so braucht. Die Aufmerksamen unter euch haben sicher schon den grünen Ventileinsatz auf dem Hinterrad bemerkt, der auf einen CushCore-Einsatz hinweist. Das bietet nicht nur zusätzlichen Pannenschutz, sondern macht den Hinterreifen bei einem Druck von 20–22 psi auch wesentlich stabiler. Eine SRAM NX Eagle-Schaltgruppe ergänzt die Ausstattung. Sie ist zwar günstig, erfüllt ihre Aufgabe aber effektiv und zuverlässig, obwohl die NX-Kassette eher auf der schweren Seite angesiedelt ist.

Wenn du nicht zu 100 % aktiv und fokusiert fährst, wird das Stumpjumper EVO ALLE deine Schwächen mit Leuchtpfeilen markieren. Macht es das zu einem schlechten Bike? Nein, im Gegenteil. Genau das macht es einzigartig.

Mein Leben mit dem Specialized Stumpjumper EVO Sleeper-Projekt

Ich muss zugeben, dass unsere Beziehung am Anfang nicht ganz ohne Probleme ablief. Das Stumpjumper EVO ist ein sehr radikales Konzept, mit dem man nicht wie mit „normalen“ Trail-Bikes einfach Vollgas den Trail herunterheizen kann. Wenn man ein bisschen Köpfchen hat, tastet man sich an das Bike langsam heran. Es war am Anfang so schlimm, dass ich dachte, das Rad wolle mich umbringen. Einerseits erlebte ich meine geilsten „Hell-Yeah“-Momente, andererseits meine größten Stürze. Das EVO ist mit Sicherheit ein wildes Tier. Bodenkratzend tief, mit einem verrückt flachem Lenkwinkel – am besten klebt man die Hände mit Gorilla-Tape am Lenker fest, wenn man entschieden hat, das Bike an seine Grenzen zu bringen. Macht man es aber richtig, fühlt man sich, als würde man auf einer Rakete reiten. Die Geometrie ist verstellbar und mit der niedrigen Einstellung ist die Tretlagerhöhe lächerlich tief … was leider auch bedeutet, dass man regelmäßig mit den Pedalen hängen bleibt – auch auf der Ebene! Und deswegen habe ich etwas getan, was ich sonst nie tue: den Flip-Chip in die High-Position eingestellt, dadurch das Tretlager um 6 mm erhöht und den Lenkwinkel auf (noch immer flache) 64° umgestellt. Mit dieser einfachen, aber effektiven Verstellung wirkt das Rad viel ausgewogener und bietet damit ein viel leichteres Handling. Leider war mir das Stumpy in dieser Einstellung nicht verrückt genug und der Flip-Chip ist jetzt wieder in der flachen Einstellung.

Ein Specialized Stumpjumper EVO zu besitzen, ist ein bisschen wie mit einem alten 911 auf einer Landstraße Spaß zu haben – berauschend! Aber aufgepasst, verliert man nur kurz die Konzentration, spuckt es einen gegen den nächsten Baum.

Von meiner Komponentenwahl bin ich vollauf begeistert. Robust und zuverlässig haben alle Komponenten einen intensiven Sommer überlebt und Tausende von Steinen und Wurzeln überstanden. Insbesondere die SPANK Vibrocore-Komponenten haben sich als alles andere als Marketing-Bullshit erwiesen. Das angenehme Level an Komfort und die effiziente Dämpfung an Lenker und Rädern vermitteln dem Bike ein butterartiges Gefühl bei kleineren Schlägen und minimieren die Unebenheiten des Trails. Mein EVO ist sanft wie Seide. In Kombination mit den RevGrips ist es das perfekte Bike für lange Top-to-Bottom-Abfahrten auf den steilsten Trails meiner Heimat. Enge Kurven erfordern einen leicht anderen Fahrstil; mit den 29er-Rädern und den radikal flachen Winkeln muss man das Vorderrad bewusst positionieren und es willig in engen Stellen schieben. Dadurch entlastet man wesentlich das Hinterrad, das damit gerne auch mal seitlich abdriftet – sehr gerne sogar!

Was mich am meisten beeindruckt hat, ist die rasante Geschwindigkeit, die das Stumpjumper EVO selbst in den steilsten Passagen entwickelt. Der flache Lenkwinkel und das tiefgezogene Chassis bedeuten, dass ich mich immer sicher und ausgewogen fühle, selbst wenn die Trails brenzlig werden. Anstatt mich nach hinten zu werfen und die Götter der Berge anzubeten, kann ich mein Gewicht nach vorne positionieren und den Lenker dorthin drücken, wo ich das Vorderrad brauche. Das extrem tiefe Tretlager schafft sogar auf den steilsten Trails in den kritischsten Kurven viel Selbstvertrauen und erlaubt mir, wie ein Profi-Snowboarder schöne Linien zu carven. Als ich mich für dieses Bike entschieden habe, hatte ich Angst, dass der Dämpfer unterdimensioniert sein würde, aber das Stumpjumper EVO hat wieder einmal bewiesen, dass eine ausgewogene Geometrie viel wichtiger ist als ein endloser Federweg. Ich habe tatsächlich eine hochspezialisierte Maschine für ein ganz besonderes Gelände gebaut. Auf meinen Hometrails ist das EVO das Sleeper-Bike, das dir am Hintern klebt!

Ist das Stumpjumper EVO leicht zu fahren? Nein! Gefällt es mir? Und wie!

Fazit

Mein Specialized Stumpjumper EVO Sleeper-Projekt ist genau so geworden, wie ich es mir vorgestellt habe: widerspenstig, verrückt und ausgesprochen trotzig – aber letztlich berauschend und suchterregend. Es ist ein Rad, das einen aktiven Fahrstil belohnt und Unentschlossenheit bestraft. Mit seinen soliden Komponenten, der radikalen Geometrie und den super starken Bremsen fordert es mich auf jeder Tour. Und genau dafür liebe ich mein Specialized Stumpjumper EVO Sleeper so sehr!

Tops

  • unglaublich schnell auf steilen Natur-Trails
  • SPANKs Vibrocore-Komponenten sorgen für hohen Komfort
  • RevGrips minimieren Armpump
  • hoher Fahrspaß

Flops

  • unberechenbares Handling
  • der lineare Hinterbau passt nicht zur extremen Geometrie
  • im Bikepark ist das Fahrwerk leicht überfordert

Mehr Infos zum Stumpjumper findet ihr unter specialized.com. Die anderen Editors’ Choice-Bikes findet ihr in unserem Übersichtsartikel.


Dieser Artikel ist aus ENDURO Ausgabe #040

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